Coffee Break: Jemand, der dich sieht

24. Januar 2016 von in

Herauszufinden, was man möchte, ist wahrscheinlich eine der größten und schwierigsten Aufgaben des Lebens. Allerdings auch eine der spannendsten. Dabei formt sich das, was man will, nach und nach aus den Umrissen von dem, das man auf keinen Fall (mehr) will. Wenn man das bedenkt, kann man eigentlich nur dankbar sein für jede Begegnung – ganz egal, wie mies sie war. Weil jede von ihnen dir etwas zeigt. So gesehen sind Beziehungen ein bisschen wie Praktika: Manche von ihnen nehmen dich mit in eine Welt, die du nie mehr verlassen möchtest und andere lassen dich nur mit Zweifeln zurück.

Sehr oft trifft man auf Menschen, mit denen man an seine Grenzen gerät und die einem so zeigen, was man nicht möchte. Und manchmal hat man das Glück, jemanden zu treffen, der einen mitnimmt in so eine Welt. Der einem etwas Gutes zeigt, etwas, auf das man von nun an nicht mehr verzichten möchte. Dann ist es so, als hätte dieser Wunsch schon ewig in dir geschlummert. Als hättest du es irgendwie immer gewusst, dass es genau so sein muss, aber diesem Etwas nicht den verdienten Platz eingeräumt. Und wenn es dann da ist – dieses Gute, Unverzichtbare, fühlt es sich so selbstverständlich und natürlich an, als wäre es nie anders gewesen.

Worauf ich nicht mehr verzichten möchte: Jemanden, der fragt, wie es mir geht und auch mit der Antwort umgehen kann – ganz egal, wie sie ausfällt. Jemanden, der sich meine Gespenster anhört, dem ich erzählen kann, wovor ich Angst habe. Und worüber ich mich freue, weil er sich mit mir freut. Jemanden, der fragt, was ich mache und den es wirklich interessiert. Vor dem ich genauso sein kann, wie ich bin. Mit meinen ganzen Fehlern und Ecken. Jemanden, der Platz für mich hat in seinem Leben. Und dessen Leben ich hoffentlich reicher mache, so wie er mein Leben reicher macht. Jemanden, der mich sieht. Genauso, wie ich ihn sehe.

Nun würde man sich denken, dass das doch selbstverständlich ist. Allerdings, heißt sich zu sagen, dass man sich liebt, noch lange nicht, dass man sich auch sieht. Denn manche Menschen können dich gar nicht sehen, vielleicht weil sie noch jemand anderen sehen. Oder nur sich selbst, weil ihr Kopf zu ist – mit dem eigenen Leben, mit Arbeit, mit Chaos. Andere wollen dich nicht sehen, weil das etwas bedeuten würde, vor dem sie Angst haben. Und oft wird man zwar gesehen, nur leider von Menschen, die man selber nicht sieht. Aber irgendwann ist jemand dabei, der einen sieht und den man auch sieht. Genauso wie man ist. Dem man nichts vorspielen muss. Vor dem man einfach sein kann. Und der sich trotzdem denkt: Auf so jemanden wie dich habe ich gewartet.

Das habe ich also herausgefunden: Ich verzichte gerne auf ein „Ich liebe dich“, weil ein „Ich sehe dich“ so viel mehr bedeutet.

Alles von Anjas Serie Coffeebreak 

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3 Antworten zu “Coffee Break: Jemand, der dich sieht”

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