Kolumne: Get a Hobby!

3. Mai 2017 von in

„Können wir eigentlich über irgendwas anderes sprechen als Männer?“, every girl I know at some point. Wenn Frauen sich Gedanken über Männer machen und Männer in der Zwischenzeit skaten gehen.

Mit sieben Jahren habe ich Ballett angefangen und Klavier gespielt. Danach ging’s einmal die Woche nach der Schule zum Hip Hop Tanzen, zum Basketball spielen und zum Saxophon Unterricht. Drei Jahre ging ich zur Schauspielschule. Das war alles toll, bis mir die Pubertät dazwischen kam. Ich war 14 und hatte meinen ersten Freund. Wir haben geknutscht, gefummelt, hingen in seiner Clique ab, die ich nicht mochte, tranken heimlich Alkohol am Spielplatz und kletterten auf Dächer. Wir spielten gemeinsam Beach-Volleyball und zockten im Keller Playstation-Spiele. Es waren aufregende drei Monate, doch irgendwann fand ich mich in einer Situation wieder, in die ich mich nie hätte manövrieren sollen: Als Zuschauerin am Rand des Skateparks. Neben einigen anderen Mädchen, die rauchend den Jungs dabei zu sahen, wie sie skateten. Ich schrieb meiner besten Freundin eine SMS, die ungefähr so aussah: „wenn er nicht bald mit dem skaten aufhört,hau ich ab.bin sau wütend.so langweilig-.-.mb pls“.

Mein nächster Freund war leidenschaftlicher Bassist, der mir stundenlange Soli in seinem Schlafzimmer vorspielte. Ich saß daneben und tat so, als sei ich beeindruckt. Der kommende Freund war Schlagzeuger einer Band. Ich besuchte jedes Konzert und saß bei den Proben staunend auf der durchgesessenen Couch. Eigentlich würde ich mich als Person bezeichnen, die mitmacht – doch als das Fass in der ersten Beziehung geöffnet war, ließ es sich plötzlich nicht mehr schließen: Ich war das Mädchen, das den Jungs bei ihren Hobbies zusah und ich vergaß in dieser Zeit, mir ein eigenes Hobby zuzulegen. Stattdessen lernte ich, über Jungs nachzudenken und Gefühle zu sortieren, ich hatte ja relativ viel Zeit für sowas.

Wenn ich heute ausschließlich mit Frauen unterwegs bin, dreht es sich meistens um Männer. Wer wurde von wem betrogen, wer hat mit wem Schluss gemacht oder hatte wann Sex mit wem, wer hat welche Gefühle bezüglich was. Und so sicher ich mir sein kann, dass es früher oder später darum geht, so sicher kann ich mir sein, dass sich früher oder später jemand darüber beschwert: „Können wir eigentlich über irgendwas anderes sprechen als Männer?“, lange habe ich mich gefragt, ob die Gedanken über das jeweils andere Geschlecht ein biologischer Fakt ist. Ob meine Östrogene mich zu einer mentalen Abhängigkeit des Mannes zwingen. Ob meine Muschi schuld daran ist, dass ich mich zur dritten Flasche Weißwein mit meinen vier Freundinnen seit fünf Stunden über Männer austausche. Aber schuld ist selbstverständlich nicht unser Geschlecht. Schuld ist das Status-Symbol aus der Teenager-Zeit.

Jungs-Freundschaften definieren sich in der Pubertät über Aktivitäten. Die Cliquen und Freundschaften bilden sich über ihre Hobbies: Ob das nun Basketball ist, Skaten, Graffiti, Fußball oder einer Band. Diese Hobbies führen nicht nur zu engen Freundschaften, die womöglich ein Leben halten sollen, sondern auch zu Status. Mädchen-Freundschaften bilden sich über Emotionen. Sie tauschen Gefühle aus, reden offener miteinander, vertrauen sich, hören gemeinsam Musik, bereiten sich theoretisch auf Sex vor, reden über Jungs und machen Selbsttests. Einen Status erlangt das Mädchen zu der Zeit nicht durch eine Aktivität, sondern durch ihr Aussehen.

Und da sitzt der Großteil der Frauen, der aus dem Teufelskreis noch nicht den Absprung geschafft hat, immer noch: auf der Ersatzbank. Musik hörend und über Jungs redend. Wie man dem Ganzen Irrsinn ein Ende bereiten kann? Get a Hobby. Es ist dabei relativ egal, um welche Aktivität es sich handelt, allerdings sollte es gesellschaftsfähig sein – also mit Personen ausgeführt werden, mit denen man sich im Anschluss darüber unterhalten kann. Skaten, Aktmalerei, Bogenschießen, Synchronschwimmen, Auflegen, Fußballspielen, Sprühen – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Denn obwohl es sicherlich tausende Frauen da draußen gibt, die das schon längst verstanden haben, die sich früh genug gegen das System aufgelehnt haben und bereits absolute Profis im Dart sind, im Tennis, im Schwimmverein, die eine Band haben und sowieso: good for you! Gott sei Dank gibt es euch. Ihr seid die Vorreiterinnen und die Vorbilder für die anderen Frauen in eurem Umfeld. Denn ihr seid immer noch in der Minderheit. Und vielleicht – irgendwann – müssen Männer nicht mehr überrascht darüber sein, dass ihr Kicker beherrscht, dass ihr einen Ball werfen könnt oder einen Frisbee fangen. Vielleicht müssen kleine Mädchen irgendwann nicht mehr „vorsichtig“ beim Spielen sein. Und vielleicht trifft sich irgendein pubertäres Pärchen irgendwann im Skatepark, um gemeinsam skaten zu gehen.

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23 Antworten zu “Kolumne: Get a Hobby!”

  1. Yes!!! Für´s Theaterspielen in Berlin einfach bei mir melden.:)
    Ich finde es auch sehr erfrischend mit Freunden über eine Tätigkeit zu sprechen statt nur über Partner.

    lg,
    Sarah

    • Liebe Sarah,

      wo kann man sich zum Theaterspielen bei dir melden? Ich bin schon lange auf der Suche nach einer tollen Gruppe in Berlin. :)

      Liebe Grüße
      Carolin

  2. so fucking true!
    Danke für den Reminder, kann es leider immer noch nicht fassen, dass ich
    seit der Pubertät meine Hobbys links liegen lassen habe und mich faktisch seit
    dem vor allem mit Männern, Ausgehen und Musik beschäftige.
    (Ganz so dramatisch isses sicher nicht, aber was wahres ist dran!)

  3. Super Sache. Grossartige Aussage. Einzig – wieso zur Hölle müsste das neue Hobby „gesellschaftsfähig“ sein? Ich kann sehr gut und aus eigener Erfahrung nachempfinden, was du da beschreibst. Und ein eigenes Hobby finden ist gar nicht mal so eine leichte und schnelle Sache, die (bei mir zumindest) nur über Umwegen und viele Fragezeichen geboren wurde. Am Ende habe ich jetzt mit dem nerdigsten, aber schönsten Hobby meinen Seelenfrieden gefunden, das ich mir vorstellen kann (snailmailing, btw;). Drüber reden nachher in der Gemeinschaftsdusche kann ich trotzdem nicht. Macht aber nix, weil macht Spass und ist mein persönlicher Zeitvertreib. Und zugucken muss da auch keiner, ausser er möchte gern. Grosse Liebe aber ohne Zweifel für das neue Ding in meiner Freizeit ;) Komme also letztlich ja doch zum gleichen Ergebnis?!

    • Hast wohl recht, ich bin da vielleicht zu sehr von mir aus gegangen. Ein eigenwilliges Hobby ohne Gesellschaft ist sicherlich genauso toll – allerdings ist meiner Meinung nach auch der Austausch darüber wichtig und die Möglichkeit, sich in einer Gruppe ergiebig über jene Leidenschaft zu unterhalten. Wenn sich keiner der Freunde für das Hobby interessiert, werden sich die Themen in der Gruppe auch nicht ändern leider haha.

      • Stimmt. Ich wollte wohl eher die Fahne für die Sparten-Hobbies und die Fähigkeit, auch mal nur mit sich selbst ganz zufrieden zu sein, hochhalten. Finde ich immer noch, ist aber irgendwie ein eigenes (Unter-)Kapitel. Aber so oder so: was ihr hier macht und ausstosst, ist doch irgendwie auch schon irgendwo dort , wohin du zeigst. Eine Gruppe Mädels, die sich untereinander meist ziemlich klug austauscht zu allen möglichen Themen aus dem gemeinsamen Kosmos. Voll schön :)

  4. Liebe Amelie,

    ich lese deine Gedanken und Überlegungen zur Mode, Welt und dem Leben immer wahnsinnig gerne. In wenigen Absätzen bringst du mich mit deinen Artikeln immer wieder zum nachdenken. Heute hast du allerdings den Vogel abgeschossen: Das Gefühl, das Mädchen am Skateboard Rand zu sein, kenne ich so gut! In diesem Jahr ist aber auch für mich Schluss mit der Ersatzbank: Seit diesem Jahr lerne ich jetzt ganz alleine Programmieren, greife wieder häufiger zu einem guten Buch und versuche neue Themen in reine Mädelsabende zu bringen (was nicht immer ganz leicht ist). Die Welt ist ja schließlich auch so interessant genug, nicht wahr? Eure Beiträge beweisen es ja immer wieder. :) Ich freue mich schon auf deine nächste Kolumne!

  5. yeeeees! So ein guter und wichtiger Artikel.
    Come skating with us! Aber nicht wie ihr denkt..
    Rollerderby gibt es fast in jeder größeren Stadt der Welt und ist einfach das beste Hobby (mittlerweile weit mehr ;) ) der Welt!!!

    Ahoi aus Hamburg!

  6. D-A-N-K-E!! Dafür, dass du schon wieder in Worte fasst, was ich vorher so klar nicht hätte formulieren können! Ich hatte zwar in meiner Jugend viele Hobbys, habe aber auch immer den Jungs beim Skaten zugeschaut, bin auf ihre Konzerte gegangen, habe sie angehimmelt, weil sie besser Gitarre spielen als ich. Dabei hätten ich und meinesgleichen sich doch auch anhimmeln lassen können! Aber habe ich je eingefordert, dass sich meine männlichen Freunde meine Ballettaufführungen anschauen, zu meiner Kunstklassen-Vernissage kommen? Selbst schuld! Bis heute „kämpfe“ ich damit, dass nicht mal ich selbst meine Hobbys ernst nehme, versuche den „cooleren“,“männlicheren“ Beschäftigungen nachzueifern….und ärgere mich darüber…. Ich nehme das jetzt mal als Impuls!

  7. […] „Get a Hobby„, sagte Amelie schon vor einer ganzen Weile und sprach damit die Eigenart an, dass Frauen viel eher über Gefühle, Zwischenmenschliches und am Ende oft Männer reden, während besagte Männer Fußball-, Karten- oder Playstation spielen. Und sich über all das, was die Mädchenhirne rauf und runter analysieren, kaum Gedanken machen. Für mich ist (Brett-)Spiele spielen schon immer, und besonders seit ein paar Jahren ein fundamentaler Ausgleich zum ständigen Kopfexplosions-Denken geworden, und ich frage mich, wieso ich nicht schon früher damit angefangen habe. Genau dieses Thema wird in der neuesten Mädchen-Jungs-Fragekolumne auf jetzt.de angesprochen: Mädchen, warum spielt ihr eigentlich nie Karten? Und mit der Mädchenantwort kann ich diesmal sehr wenig anfangen. Denn Spielen ist viel mehr als ein Vorwand, um sich zu treffen. […]

  8. Artikel vor einem Jahr schonmal gelesen und total abgefeiert, Artikel gerade nochmal gelesen und direkt mal an 2-10 Freundinnen weitergegeben….
    GET A HOBBY – vor allem definiert euch über EUCH und nicht über IHN…

    Danke für diesen Großartigen, so unbemühten Artikel, der es schafft ENDLICH mal ohne politische Wertung eine subjektives Erkenntnis In einen objektiven Denkanstoß, in eine Schablone zum eigenen Verhaltenscheck zu verwandeln.

    Liebe Grüße

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