Kolumne: Neue Freunde

25. März 2016 von in

Es ist ein Kauderwelsch aus Englisch, Deutsch und Arabisch. Die Stimmung ist gelöst, wir lachen, reden und hören zu. Gemeinsam sitzen wir in unserem Büro, essen Kleinigkeiten und erzählen uns aus unserem Leben. Wir, das sind unsere Bürojungs Max, Christoph, Emanuel, Florian, Ferdi und wir Mädels – und das sind Tarek, Samir, Mostafa, Benham, Ibrahim, Hossein und Abolfazl.

Flüchtlinge. Menschen. Unsere Nachbarn. Unsere neuen Mitbürger.

Rückblick: Wenige Wochen vorher stehen wir unschlüssig vor dem Zaun. Ein paar Hundert Meter neben unserem Büro wurde ein Flüchtlingscamp errichtet. 165 Männer von Anfang 20 bis Ende 40 leben hier. Sie kommen aus Syrien, dem Iran, Irak, Afghanistan, Eritrea, Nigeria, dem Kongo oder Uganda. Sie alle sind im vergangenen Jahr nach Deutschland geflüchtet. Seit wenigen Wochen leben sie nun hier. Wie lange, ist unklar.

Als wir von dem Flüchtlingscamp erfahren haben, war klar: Wir wollen etwas tun. Die Menschen dort kennenlernen. Etwas Kreatives mit ihnen umsetzen. Zeit spenden. Zuhören. Die Frage war nur: Wie? Welche Hürden gibt es? Müssen wir uns anmelden?

An jenem Tag stehen wir also am Tor des Flüchtlingscamp. Auf der anderen Seite unsere neuen Mitbürger. Die uns neugierig ansehen. Nicht sehr oft kommen Münchner an diesen abgelegenen Ort. Nach einem kurzen Gespräch ist klar: Wir müssen uns nur am Empfang anmelden, dann können wir ins Camp. Die Menschen treffen, befragen, ihnen unsere Idee vorstellen.

Unsere Idee: Eine Ausstellung mit Flüchtlingen verwirklichen. Ihnen eine Plattform schaffen. Mit ihren Bildern, Texten und Impressionen der Flucht. Zeigen, woher diese Menschen kommen. Welche Wege sie auf sich genommen haben, unter welchen Bedingungen sie diese Wochen gelebt haben, bis sie hier in das Camp kamen.

Die Scheu ist schnell verflogen, als wir in den Essensraum gehen und die Bewohner das erste Mal treffen. Sie sprudeln nur so los. Finden die Idee gut, erzählen viel von sich, sind aber genauso neugierig auf uns. Es ist das erste Treffen dieser Art. Hier treffen Kulturen aufeinander, es ist wild, aufregend, spannend.

Das Fazit an dem Abend: Flüchtling ist das falsche Wort. Mensch. Denn egal, ob Syrien, Irak, Eritrea, Nigeria, Afghanistan oder Deutschland: Wir alle wollen dasselbe. Frieden. Unsere Familie um uns. Freunde, Beschäftigung, Spaß im Leben. Die nächste Whatsapp vom Lieblingsmenschen, Die Ergebnisse vom Fussball. Den Besuch der Uni. Und eine neue Sprache lernen.

Mittlerweile sind viele Treffen gefolgt. Wir sind als Gruppe zusammengewachsen. Haben die anderen Kulturen kennengelernt, und die Menschen dahinter. Tarek, Samir und Co. sind in erster Linie keine Flüchtlinge mehr, sondern Freunde, gute Bekannte. Neben dem gemeinsamen Projekt stehen jetzt die Treffen im Vordergrund. Zusammensitzen, sprechen, eine gute Zeit verbringen. Pläne schmieden. Bei einzelnen Fragen beistehen, zur Uni oder auf das Amt begleiten. Oder auch einfach zusammen ins Museum oder auf den Fußballplatz gehen.

Oft haben wir im Vorfeld überlegt: Wie kann man sich den Menschen nähern? Sie kennenlernen. Sein eigenes Bild sich schaffen. Integration fördern.

Die Antwort ist: einfach machen. Auf sie zugehen. Sie in ihrem neuen Land willkommen heißen. Nicht die Masse der Flüchtlinge sehen, sondern die einzelnen Menschen hinter dem Wort. Ihre Geschichten hören, und begreifen: Wir hatten so viel Glück. Lasst uns etwas abgeben.

Warum wir diesen Text schreiben? Weil jeder von uns seinen Teil beitragen kann. Weil wir euch ermutigen wollen, ebenfalls einen Schritt auf die neuen Menschen zuzumachen. Weil ihr euch nicht von AfD und Pegida verunsichern lassen solltet. Hilfe ist so einfach, lasst euch nicht von Bürokratie abschrecken. Klopft ans Tor, so wie wir.

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6 Antworten zu “Kolumne: Neue Freunde”

  1. ich finde es toll, wie ihr euch einsetzt! Ein paar hudert Meter weiter entsteht bei uns auch grade ein neues Flüchtlingsheim. Mit der schönen Kolumne ermutigt ihr mich noch einmal, auch aktiv zu werden, wenn die ersten Menschen einziehen, danke!
    liebste Grüße und schonmal schöne Ostertage, kati

  2. Es ist immer gut, sich selbst ein Bild zu machen – etwas für Andere zu tun … In diesem Sinne gefällt mir eure Initiative, wennglich es in der Regel nicht ganz so einfach ist, was da zu tun ist, um den Flüchtlingen (klar sind das Menschen wie wir alle, aber wir sind eben aus purem Zufall und Glück keine Flüchtlinge) zu helfen. Gut finde ich, dass ihr euch darüber getraut habt, man spricht ja kein Arabisch oder Kurdisch und das Englisch der jungen Männer ist nur manchmal sehr gut, meistens aber rudimentär und kommunizieren zu können, davon hängt das gegenseitige Verstehen ja ab.

    Aber am Ende ist es eben nicht einfach, allen Flüchtlingen wirklich in den Dingen zu helfen, die entscheidend sind. Von den in eurem Post aufgezählten Nationen haben ja nur Flüchtlinge aus Syrien und dem Nordirak (Sinjar) echte Chancen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie können dann erst mal drei Jahre bleiben. Alle anderen werden höchstwahrscheinlich abgelehnt, können nur dann befristet bleiben, wenn Deutschland dorthin gerade nicht abschiebt oder wegen sehr schwerer Erkrankungen … das heisst, fast sechzig Prozent (vor 2015 waren es siebzig Prozent) müssen das Land wieder verlassen, weil der politische Wille in Deutschland stärker durchgesetzt wird, als die Genfer Flüchtlingskonvention korrekt auf jeden Einzelfall angewendet … und so weiter.

    Aber das soll niemand davon abhalten, trotzdem zu versuchen, auch etwas für Flüchtlinge mit schlechter Bleibeperspektive zu tun. In München hat sich arrivalaid.com gegründet. Die Freiwilligen begleiten Flüchtlinge zu ihrer Anhörung beim BAMF, bereiten sie darauf vor … und die ist neben dem Erlernen der Sprache das Wichtigste für alle Flüchtlinge …

    Toi, toi, toi, allen, die mitmachen!

  3. […] Wir haben 2016 gemeinsam mit Flüchtlingen eine Ausstellung umgesetzt, viel mit euch darüber geredet, ich habe immer wieder Kleidung & Co. an Flüchtlingsheime gespendet und die Seawatchcrew finanziell unterstützt. Ich habe die Nachrichten weiterverfolgt, oft den Kopf geschüttelt, meine eigene Machtlosigkeit gespürt – und trotzdem mit meinem Leben irgendwie weiter gemacht. Ich habe zwar in meiner Instagram-Story immer mal wieder auf die Tragik in den Flüchtlingscamps auf Griechenland und anderen Ländern aufmerksam gemacht, aber ich spüre, das reicht nun nicht mehr. […]

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