Kolumne: Von Freiheit und Bodenständigkeit

22. September 2016 von in

Mehr Follower. Mehr Trips. Mehr Reisen. Mehr Selfies. Mehr Pakete. Mehr Geld. Weniger Zeit. Weniger Zuhause. Weniger Ich.

Ich habe viel über Lebensentwürfe nachgedacht im letzten Jahr. Was will ich eigentlich und macht mich das, was ich mache, überhaupt glücklich und langfristig zufrieden? Wie geht es weiter nach dem Master: Fulltime-Bloggen, freiberuflich arbeiten oder vielleicht sogar alles sein lassen und etwas „richtiges“ in Festanstellung machen? Einen Blog zu führen macht mich wahnsinnig glücklich, das war schon immer so. Ich blogge, seit ich denken kann und setze ich mal eine Woche aus, fehlt mir sofort etwas. Ich liebe es, die Seite mit all dem zu füllen, was uns interessiert und so viel Feedback zu bekommen. Einen Bereich zu haben, den wir so gestalten können wie wir möchten. Und vor allem unter keinerlei Druck zu stehen, keinen Chef über sich zu haben und alle Entscheidungen selbst treffen zu können.

Fängt man an, aus dem Bloggen einen Beruf zu machen, geht das nicht ganz ohne Druck. Der Arbeitsaufwand muss im richtigen Verhältnis mit der Vergütung stehen, also müssen Werbepartnerschaften eingegangen und die richtigen herausgefiltert werden. Das ist aber natürlich nicht alles, denn vor allem geht es unter Modebloggern viel um das Auftreten, das Äußere und den schönen Schein. Je mehr Kooperationen man eingeht, je mehr Events man besucht, je mehr Reisen man macht und je mehr Designertaschen man besitzt, umso angesagter ist man. Wichtigkeit wird natürlich an der Reichweite gemessen – ein Thema für sich -, aber auch daran, auf welchen Events man auftaucht und wo man überall dabei war.

Seitdem die Bloggervermarktungstrommel in den letzten Jahren so richtig ins Rollen gekommen ist, gibt es viel, wo man so dabei sein könnte. Sehr viel. Nahezu tägliche Abendevents, Presseeinladungen in verschiedene Städte, Pressereisen und natürlich Events tagsüber. All das sind wertvolle Privilegien, die sich so mancher wünschen würde. All das ist aber auch ein Lebensentwurf, der nicht für jeden das endgültige Ziel zum Glücklichsein darstellt.

Wir drei waren von Anfang an nicht die besten Event-Gänger. Viel zu oft gibt es ermüdende Konversationen, viel zu selten bereichernde Gespräche. Sich ständig in gefühlten Verkaufsgesprächen zu befinden, von Marken- und der eigenen Seite aus, nervt mich nicht nur, sondern setzt mich unter Stress. Und ist ganz schlichtweg nicht der Inhalt, den ich meinem Leben geben möchte. Werbepartnerschaften einzugehen gehört dazu, hinter den Kooperationen, für die wir uns entscheiden, stehen wir auch voll und ganz. Und doch sind Kooperationen für uns natürlich immer Mittel zum Zweck, um Raum für freien Content zu haben.

Influencer-Marketing beschränkt sich mittlerweile aber ja nicht mehr nur auf Advertorials, vielmehr geht es heute darum, aus dem Blog (im besten Falle) oder ganz einfach sich selbst eine Marke zu machen. Und genau hier steigt mein ungutes Bauchgefühl ein. Es ist wunderbar, mit tollen Labels zusammenarbeiten zu können und unsere Seite mit Schätzen zu füllen, die bezahlt und unbezahlt ihren Weg zu uns finden. Auch bei größeren Kampagnen von sympathischen Marken mit an Bord zu sein lehne ich nicht ab. Mit dem fertigen Master in der Tasche wurde mir dieses Jahr allerdings klarer denn je: Werbegesicht zu sein soll nicht allein meinen Lebensunterhalt bestimmen. Ich möchte für mehr bezahlt werden als mein Aussehen, meine Reichweite und meinen aktuellen Coolnessgrad.

Ja, es mag ganz gewaltig unglamourös wirken, aber ich möchte meinen Leben nicht nur durch die Präsentation meiner selbst und meines dadurch immer spannend wirkenden Lebens finanzieren, sondern auch durch das, was in meinem Kopf steckt. Und während ich dieses Jahr also monatelang darüber nachgrübelte, was ich eigentlich will und sich nebenher neue Türen öffneten, wurde mir plötzlich klar: Ich brauche eine Mischung, von allem ein bisschen.

Wenn ich momentan in einem meiner anderen Jobs ankomme, in dem es absolut keine Rolle spielt, welche Tasche ich dabei habe oder ob ich Wimperntusche trage, macht mir das fancy Event am nächsten Abend gleich doppelt so viel Spaß. Wenn ich meinen Kopf angestrengt habe, schreibe ich danach mit großer Liebe einen Artikel über Lippenstifte. Und wenn ich ein Selfie machen und posten will, tue ich das, wenn ich mich ein paar Tage lang überhaupt nicht zeigen will, tue ich das aber auch.

Texte wie dieser von Lisa oder dieser von Masha führen genau zum selben Punkt: Irgendwann kommt der Moment einer Entscheidung. Es gibt die Möglichkeit, sich durch Snapchat und Instagram voll und ganz der Öffentlichkeit preiszugeben, wahnsinnige Reichweiten und damit auch wahnsinnig viel Geld zu verdienen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, im Einklang mit sich selbst und seinem Privatleben zu sein und sich frei zu machen von finanziellem Druck, der als reiner Modeblogger bis in jedes Detail des Privatlebens reicht.

Ich liebe Pressetrips, aber ich liebe private Reisen mehr. Ich liebe Fotos von mir und auch Selfies, aber nur, wenn ich in der Stimmung bin. Ich liebe es, Pakete auszupacken, aber ich möchte keine einzige unnötige Pressesendung mehr wegschmeißen müssen. Ich liebe es zu arbeiten, aber noch besser sind die freien Abende und Wochenenden. Ich liebe alle glamourösen Blog-Erfahrungen, aber noch mehr liebe ich meinen bodenständigen Alltag. Ich liebe es, viele neue Kontakte zu knüpfen, aber ich liebe meine richtigen Freunde und meine Familie mehr.

Ich möchte unabhängig und frei sein und bleiben – und das ist eine Entscheidung.

 

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13 Antworten zu “Kolumne: Von Freiheit und Bodenständigkeit”

  1. Gute Entscheidung! Alle Blogs die ich kenne und sich professionalisiert haben, um selbstständig zu werden, sind furchtbar langweilig geworden. Es fallen halt die schönen Artikel über Münchner Flohmärkte weg und werden durch langweilige Kooperationen ersetzt. Hier und da ein Produkt vorstellen find ich schon mal interessant, aber doch nicht der Grund, warum ich einen Blog lese. Danke für den Einblick in deine Überlegungen, eben das macht einen guten Blog aus!

  2. Die Mischung macht’s!

    Toller Text mit wahren, großartigen und zugleich erbaulichen Worte. Und genau aus diesem Grund schaue ich so gerne bei euch vorbei! Lieben Dank dafür. Genau die richtige Entscheidung!!

    • Das mache ich sowieso, erst letzte Woche habe ich mich aber zum Beispiel über eine Event-Einladung geärgert, die schon im voraus per Mail kam und dann auch noch per Post: in Form eines dicken Plastikklotzes, auf dem das Datum stand. Das ganze dreimal und in Plastikumschlägen.

  3. I FEEL YOU!!! Ich bin auch immer wieder hin und her gerissen. Ich liebe es zu bloggen, aber manchmal ist es auch einfach ein bisschen „flach“, aber wir hatten das Gespräch ja schon mal :) Das schöne ist ja, dass man sich nicht 100%ig auf einen Blog festlegen muss, man kann nebenbei auch noch ganz viele andere tolle Sachen machen.
    Liebe Grüße Fiona

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