Kontrovers: Der Acne Feminist Sweater

15. Juli 2015 von in

Photocredit: Acne Studios

Immer wenn Mode versucht, politisch zu sein, wird es kritisch. Schließlich ist Mode schön, schmückt den Menschen und gilt in Deutschland immer noch als irgendwie oberflächlich. Da passt so eine politisch, ernstzunehmende Aussage nicht so richtig. So verwundert es auch nicht, dass die neusten Sweater von Acne für gespaltene Meinungen sorgen. Die einen feiern die feministischen Botschaften des hippen Labels, die anderen fordern Taten statt einen 200 Euro Sweater am Körper.

Dass solche Sweater jetzt die Mode erobern, wundert mich erstmal so gar nicht. Nie war es mehr en vogue, modisch ein politisches Zeichen zu setzen. Schließlich schickte schon Karl Lagerfeld seine Models in der vergangenen Saison als Feministinnen auf den Laufsteg, um für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung aller Menschen zu demonstrieren. Anschließend feierte Prada die Mütter auf dem Laufsteg und zeigte, hey, ja, Family-Balance geht. Und jetzt eben Acne und der Feminismus. Ist das nun richtig – oder irgendwie doch verlogen?

Fakt ist: Bis heute kämpfen wir Frauen, aber auch Männer, um eine Gleichstellung. Noch immer gibt es große Unterschiede, die Gender Gap ist allgegenwärtig, mit meinen 29 Jahren wird es mit einem unbefristeten Vertrag als potentielle Mutter schwierig und auch Familienvereinbarkeit ist bis heute erstens nur ein Thema für Frauen und zweitens kaum möglich. Die, die kapitulieren, sind immer noch in der Überzahl derer, die es wuppen. Auch die Gleichstellung aller Menschen ist noch lange nicht erreicht – und das beschränkt sich auf uns alle. Feminismus ist also wichtig. Die Aufmerksamkeit, das Darüberreden genauso. Nur funktioniert das wirklich über Mode?

Wenn Acne einen Pullover für Männer entwirft, auf dem feministische Botschaften genäht oder gedruckt sind, ist das vor allem erst mal eines: eine kluge Marketingstrategie. Im Netz wird das neue Teil schon gefeiert, vor allem „Radical Feminist“ von einem Mann getragen, erfreut das Herz. Radikale Botschaften für Popularität. Das funktioniert. Männer, die sich als Feministen outen, sowieso. (Nicht nur) Instagram sei Dank.

Dass Männer feministisch sein können, wird gerne vergessen. So gesehen ist die Acne Kampagne ein wichtiges Zeichen, nur überbewerten darf man es eben nicht. Es ist cool, es ist zeitgenössisch und es ist ein kleiner Schritt. Dass Acne jedoch tatsächlich eine politische Aussage, ein Zeichen für Feminismus, setzen will, stelle ich mal in Frage. Beweisen lässt es sich nicht, aber Mode erfasst nun mal in erster Linie den Zeitgeist. Passt sich diesem an, bestimmt ihn, lenkt ihn und spielt damit. Nichts anderes ist dann eine feministische Botschaft auf einem Sweater. Das Wissen um den Coolness-Faktor und die Sehnsucht der Zielgruppe. Tatsächliche politische Aktivität ließe sich auch anders zeigen.

Und wie sieht es mit dem Konsumenten aus? Wer auf diesen Pullover abfährt und 200 Euro auf den Tisch legt, kann, muss aber nicht politisch sein. Die Intention dahinter ist ebenfalls wie auf der Seite von Acne variabel. Sei es reine Provokation, die eigene Meinung, ein Statement oder doch die komplette Überzeugung. Was oder wer dahinter steckt, wird sich wohl nur im Verlauf eines Gesprächs zeigen.

Wo wir wieder bei der Sache wären, wie weit Mode politisch sein darf. Sie darf es – bis zu einem gewissen Punkt. Ein Mode-Editorial, in dem Menschen für ein Stück Stoff instrumentalisiert werden, fänden wir wohl alle ziemlich fehlplatziert. Dann doch lieber Engagement zeigen, Spenden, helfen, wo es geht. Nah am Menschen sein, weg von einer Inszenierung im Kunstkontext.

Geht es jedoch um Botschaften auf Pullovern, um die Aufmerksamkeit im Kleinen, kann und darf Mode meiner Meinung nach politische Nuancen zeigen. Nur zu ernst nehmen sollte man das Ganze nicht. Mein feministisches Denken zeigt sich nicht über das Tragen eine Sweaters, sondern meine Taten, mein Handeln im Alltag. Der Sweater kann das unterstreichen – und auch einfach Spaß machen. Nur ein paar Antworten, die sollte man auch liefern können.

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5 Antworten zu “Kontrovers: Der Acne Feminist Sweater”

  1. Der Pulli spiegelt meiner Meinung nach definitiv den Zeitgeist wider, da wir modisch momentan in einer Phase Übersteigerung des Selbst leben. Du bist wonach du aussiehst und weil dieses Schema allein irgendwann langweilig wird, wird es um jede noch so denkbare Komponente erweitert. Da wir ja mittlerweile so individuell, perfekt, politisch korrekt und auch emotional und sozial erfüllt sind, bleibt nicht mehr viel, was man nach Außen tragen kann, um zu zeigen wie cool, kritisch und intelligent man ist. So werden aus gelebten Überzeugzungen und Werten für so manch einen unreflektierten Menschen „Must Haves“, die eine sehr kurze Halbwertszeit haben.

    Mode ist immer dann politisch, wenn der Mensch der darin steckt es auch ist, Überzeugungen und Meinungen kann man nicht einfach an- und ausziehen. Und warum man dafür 200 Euro bezahlen sollte ist eine ganz andere Frage.

  2. Lustig, gerade gestern entdecke ich im Vorbeigehen am ACNE Store diesen Pulli im Schaufenster (den grauen, mit gelbem Schild). Ich musste ganz schön grinsen. Schließlich strahlt er da so vor sich hin – mit politischer Aussage. Obwohl, ist das überhaupt Politik (Feminismus) und nicht viel mehr eine Lebenseinstellung (, die ja auch durchaus politisch sein kann)? Nebenbei finde ich es schon gut, dass sich diese Schildchen auf den Männerpullovern, obwohl ich, wie du es ja auch ansprichst, Feminismus eher als ein Eintreten für generelle Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern, wie viele es davon nun auch geben mag, und Hautfarben usw. begreife, befinden und den ich mir, abgesehen von der 2 mit 2 Nullen, auch gern tragen würde. Aber nun zurück zum Allgemeinen: ich finde, Mode ist eine Form von Kunst. Manchmal tragbar, manchmal nicht. Das ist mit „klassischer“ Kunst doch auch nicht anders. Und da darf nur zu gern eine politische Einstellung hinter stehen. Einziges Problem: die Instrumentalisierung ACNEs des Feminismus‘ für den Konsum. Das ist doch irgendwie sehr schade.
    Danke dir also, für deinen kritischen Artikel und herzliche Grüße,
    Alma

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