#LenaLeaks: Ich schäme mich für euch!

15. Februar 2017 von in ,

Internet, du kannst so hässlich sein. Dann, wenn die Menschen in deinem Raum ihre hässlichen Seiten zeigen. Dann, wenn Respektlosigkeiten, Schadenfreude und (Vor-)Verurteilungen nur so zum guten Ton gehören. Manchmal wage ich es kaum zu glauben, wie viel Hässlichkeit das Internet in sich birgt. Und dabei liebe ich es doch. Und ich rede jetzt nicht von AfD, Trump und allerlei Hetze in den sozialen Netzwerken. Daran hat man sich ja schon fast gewöhnt, denkt, „In meiner Filterblase gibt es solche Menschen nicht.“ Doch weit gefehlt. Geht es um niedere Instinkte, das Sich-Erheben über andere oder reine Neugierde: Da sind viele schnell dabei – ist ja auch so einfach, im Internet. Wir sprechen hier jetzt einfach mal von der Sache mit Lena. Ja, dieser Lena Meyer-Landrut, die vor ein paar Jahren den Eurovision Song Contest gewann, dann als Hoffnung einer neuen Generation durch Konzerthallen und Talkshows wanderte. Die sich modisch brilliant entwickelt – nicht zuletzt dank unserer lieben Dana von Wald Berlin, und überhaupt, schon lange nicht mehr nur das süße Mädchen von nebenan ist, sondern viel mehr eine ernstzunehmende Künstlerin. Und ja gut, auch so ein bisschen Influencerin. Quasi eine von uns.

Und dann tauchen da plötzlich Nacktbilder auf. Fotos, die Lena für ihren Freund gemacht hat. Und dann passiert das, was man ja nie einkalkuliert – oder einkalkulieren will – im Eifer des Gefechts: Der Laptop, auf dem die Bilder gespeichert sind, wird geklaut.

Und da sind wir schon bei Stufe 1 der Hässlichkeit im Internet: Die Menschen fangen an zu blamen. „Welcher Depp macht denn Nacktfotos von sich?“ Mehr Menschen als ihr denkt, liebe User. „Warum lässt man denn den Laptop im Auto *andenkopfgreif*“ Ich. Immer. Aber ich glaube an das Gute im Menschen. Auch immer. Aber hey, ich bin naiv, saudumm und grenzenlos bescheuert – wenn es nach den Menschen im Internet geht. „Oh mann, wie dumm kann man sein, Fotos per Mail an den Freund zu schicken.“ Ja, stimmt, an den Supermarktkassierer wäre schlauer gewesen. (Jetzt ist der Punkt, an dem ich mir spätestens an den Kopf fasse.)

Opfer-Shaming oder Blaming ist ganz groß. Die Menschen im Web wissen es eh besser, sind fehlerlos und würden so etwas natürlich NIE machen. Eh klar.

Stufe 2 auf der Hässlichkeitsskala geht aber einen Schritt weiter. Denn all diese fehlerlosen Menschen wollen jetzt natürlich eines: die Bilder von Lena sehen. Bilder, die uns, drücken wir es mal gelinde aus, rein gar nichts angehen. Bilder, die nur für eine Person gemacht wurden. Aber hey, liebes Internet, in deinem Raum stillen wir eben doch hin und wieder unsere Sensationsneugier. Und natürlich wollen alle wissen, wie Lena nackt aussieht. Was Lena dazu sagt? Scheißegal. Denn DAS hätte sie sich ja wohl mal eher überlegen sollen, bevor sie solche Fotos macht. Denn mit sowas muss man ja wohl rechnen, wenn die Fotos publik werden. (Ironie off) „Aber bei Lena, das ist doch gute PR, am Ende wollte sie es so.“ „Läuft wohl nicht so mit der Musik, da muss sie wohl sich selbst leaken“ Ja genau. Selbst wenn ein Promi Fotos für PR-Zwecke in den Umlauf bringen sollte, die Fotos gehen uns immer noch nichts an. Niemals. Zu keiner Zeit.

Und statt dass wir uns alle mal unterstützen, die Bilder nicht ansehen und laut aufschreien, dass es nur einen Vollidioten in dieser Welt braucht, der sich über alle moralischen, ethischen und auch menschlichen Werte – für Geld (!!!) – hinwegsetzt, passiert dann Stufe 3: Bodyshaming.

Von Lena-Meyer-Landrut passten bestimmt sehr viele Fotos auf diesen geklauten Laptop. Die wiegt ja nix.

— Sprayraumbarbie (@Sprayraumbarbie) 13. Februar 2017

Nein, liebes Internet, die Leute sind bei dir nicht entsetzt. Sie sind auch nicht betroffen. Nein, sie fühlen auch nicht mit Lena mit. Nein, sie machen sich über die Situation – und vor allem ihren Körper – lustig. Und das ist der Punkt, an dem ich kotzen möchte. An dem ich aus diesem Dunstkreis des Internets, in dem die niedersten Gefühle offenbar einfach so in den Raum geworfen werden, gedeihen können, indem „Erst denken, dann sprechen“ schon lange nicht mehr gilt, aussteigen will. Ich kann und will nicht glauben, dass es so viele Menschen gibt, denen Mitgefühl, Empathie oder auch einfach Gleichgültigkeit gegenüber der Sache existiert. Gehässigkeit, Bosheit und Urteile hingegen sind hier an vorderster Front.

Solange wir Frauen – und ja viele der Kommentare zum Körper von Lena kamen von Frauen (Männer suchen dann wohl doch nach den Nacktbildern – aber auch hier shame on you) – uns weiterhin gegenseitig klein machen, unsere Körper be- und vor allem verurteilen, haben wir ein Problem. Solange so wenige Menschen in deinem Raum, liebes Internet, aufschreien statt lustig weiter zu retweeten, haben wir ein echtes Problem. Erst denken, dann sprechen. Das haben die meisten hier bei dir verlernt.

Hab das Nacktfoto von #LenaMeyerLandrut gefunden. pic.twitter.com/wEskuYZBZs

— Kristin Mockenhaupt (@KrissyKristmas) 13. Februar 2017

Natürlich ist Lena sehr dünn. Und auch hierzu hat sich die Sängerin bereits mehrfach geäußert – auch wenn sie das nicht müsste. Sie hat sicherlich eine Vorbildfunktion, und somit kann und muss eventuell über das Essverhalten gesprochen werden. Aber seien wir mal ehrlich, sicher nicht in diesem Zusammenhang. Es steht niemandem zu, sich über einen Körper lustig zu machen. Zu keiner Zeit. Vorbildfunktion hin oder her. Der Körper eines Einzelnen geht uns nichts an. Egal, ob er zu dünn, zu dick, zu trainiert oder normal (im Sinne des gesellschaftlichen Konventionen) ist. It’s just not our business.

Als wäre das Bekanntwerden für Lena nicht schon schlimm genug, wird ihr Körper diskreditiert und alle geben eine Meinung ab. Wie sich das anfühlt? Jennifer Lawrence sagte – nachdem Hacker ihr Handy gehakt und ebenfalls Nacktfotos veröffentlicht hatten: „It is not a scandal. It is a sex crime.“ Richtig. Und Lena ein Opfer.

Der einzige, der hier irgendetwas falsch gemacht hat, dem irgendeine Schuld trifft, ist – der Täter. Wer anderes behauptet, sagt wohl auch „Ihr Rock war zu kurz“. Nein, nein, nein. Das darf nicht sein. Ich schäme mich wirklich für all diese Tweets.

Da es bislang keine roten Warnschilder im Internet geht, die sofort aufblinken und laut schreien: „Denk noch einmal drüber nach“, müssen wir alle reden. Uns klarmachen, was hier gerade passiert. Im kleinen Kreise, aber auch in den Medien. Nur wenige Medien wie Bento und Vice griffen das Thema von dieser Seite auf – die meisten freuten sich über einen „Skandal“. Das ist nicht richtig – und befeuert jene, die genau das machen: Victim Blaming, Bodyshaming und die Privatsphäre einer Person verletzen.

Was okay ist: Nacktfotos von sich für seinen Freund zu machen und diese per Email zu schicken. Egal, ob Promi oder nicht. Was nicht okay ist: intimste Fotos von jemanden anzusehen, obwohl er sie einem nicht freiwillig gezeigt hat, über einen Körper zu urteilen, der nicht unserer ist und vor allem ein Opfer zum Täter zu machen.

Jennifer Lawrence sagte damals übrigens weiter:  „Just because I’m a public figure, just because I’m an actress, does not mean that I asked for this. It does not mean that it comes with the territory. It’s my body, and it should be my choice, and the fact that it is not my choice is absolutely disgusting. I can’t believe that we even live in that kind of world.“

Richtig. Ich auch nicht.

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19 Antworten zu “#LenaLeaks: Ich schäme mich für euch!”

  1. Ich will da gar nichts hinzufügen, du hast das perfekt formuliert und ausgedrückt. Danke, dass ihr solche Themen ansprecht und vielleicht Menschen beeinflusst mal wieder ihr Hirn einzuschalten! Einfach Danke!
    Alles Liebe, Feli

  2. Du triffst den Nagel auf den Kopf. Danke für diesen wichtigen Denkanstoß!
    Auch wenn wir alle sicher auf die eine oder andere Art sensationsgeil und neugierig sind – es gibt einfach Situationen, die niemanden von uns etwas angehen. Wo es so wichtig ist, den Kopf und Verstand anzuschalten und nicht wie die Lemminge auf den nächsten bitly Link zu klicken.
    Merci Toni. <3
    Alles Liebe
    Nori

    • Liebe Nori,
      absolut: Sensationsgier, Voyeurismus steckt in jedem Menschen drin – aber es gibt Grenzen und die fangen alle sehr viel eher an, als uns Medien und die Gesellschaft vormacht. Füge niemanden etwas zu, was auch du nicht willst – ein Gedanke, den man viel öfter wieder sich ins Bewusstsein rufen sollte.
      Danke dir, liebe Nori!

  3. Toller Beitrag, kann jedes Wort genau so unterstreichen!
    Nur schade, dass das nicht längst jedem bewusst ist und man solche Artikel überhaupt verfassen muss… Dieses Verständnis ist doch eigentlich nur menschlich!
    Kann nicht fassen, was seit längerer Zeit auf all den Plattformen passiert.
    Gibt einem zu denken, inwiefern man sich überhaupt noch im Netz präsentieren möchte und sollte.

    Liebe Grüße
    Yulia

  4. Ich bin froh, dass ihr in dieser Form Stellung dazu nehmt. Was da passiert ist und noch passiert (und das schon in der werweißwievielten Auflage), schockiert mich immer wieder aufs Neue – und als ebenfalls saublöde, das-Gute-im-Menschen-sehen-Wollende kann ich es nach wie vor nicht begreifen, weshalb es a) Menschen gibt, die aus solchen Taten eine wie auch immer geartete Befriedigung ziehen können und b) so viele andere Menschen sich auf solche „Skandale“ (die in Wahrheit Verbrechen sind, wie schon richtig erwähnt wurde) stürzen wie abgerichtete, blutgierige Jäger*innen.

    Danke jedenfalls für diesen Artikel- er ist so wichtig!

    Liebe Grüße
    Jenni

    • Ich finde es gut, wenn wir, die wir an das Gute im Menschen glauben, uns äußern, damit wir merken, dass wir nicht allein sind und hoffentlich auch, dass wir nicht saublöde sind.
      Man kann ja kaum noch irgendwo Kommentare zu egal welchem Thema finden, bei denen nicht irgendwelche Leute sich in übelster Weise beschimpfen. Aber auch wenn sie am lautesten sind, ich glaube immer noch fest daran: Die Arschlöcher sind in der Minderheit.

  5. Toller Artikel! Ich habe das Lena-Bashing noch nicht mitbekommen – aber Antonia, du hast das – und die Entwicklungen dazu sehr klug zusammen gefasst. Das mit den niederen Instinkten beobachte ich derzeit bei ganz vielen Themen….es ist leider wieder „In“ oder zumindest nicht so verpönt wie früher – keinen Anstand zu haben und/oder Beschleunigt durch das Internet – mal wieder so richtig die niederen Instinkte rauszulassen. Und wenn der US-Präsident das darf – dann ja wohl jeder, oder? Ironie aus.

  6. aufjedenfall!!! immer dieser drang nichts zu verpassen und alles zu wissen, vor allem dinge die einen nichts angehen, privates…das ist doch verrückt!
    naja aber irgendwie wird das ganze durch die medien verstärkt mit dem klatsch und tratsch, der so gefeiert wird von allen…und selbst gossip Girl: DIE IT-Serie vermittelt ja, dass Geheimnisse und Klatsch total cool und interessant sind. Du MUSST es wissen, sonst lebst du hinterm mond, oder?!

    echt schade! und vor allem tut mir die gute echt leid. auch wenn ich sagen muss, dass digitale Inhalte natürlich NIE 100% sicher sind und man das wissen sollte (natürlich ist sich dessen nicht jeder bewusst). trotzdem natürlich, wie du schon sagst, keine ausrede dafür zu sagen „selbst schuld“.
    LG Nina
    http://www.lesbelleschoses.de

  7. Es ist wirklich schlimm. Die ganzen Boulevard-Blättchen segeln im Windschatten ihres großen Flaggschiffes B..d und stiliseren schon mit ihren Headlines das Opfer zum Urheber des Skandals.
    Unter dem Deckmantel angeblicher Empörung hat B..d die Story überhaupt erst groß in Szene gesetzt (Cover) und für eine solche bundesweite Publizität gesorgt, dass man der „Berichterstattung“ kaum mehr entkommen konnte.
    Die Damen und Herren der Vier-Buchstaben-Zeitung dürften diesen Moment genossen als sich ihnen ,ohne presserechtlichen Konsequenzen fürchten zu müssen, die Gelegenheit bot es Lena einmal richtig heimzuzahlen. Wie konnte diese „unverschämte Göre“ es auch wagen ihrem „hochwertigen Presseerzeugnis“ beharrlich ein Interview zu versagen.

  8. Danke danke danke für diesen tollen Beitrag! Ich könnte es nicht besser sagen! Ich kommentiere eher selten auf Artikel, aber dieses Thema hat mich gestern schon schrecklich aufgeregt, da man dazu überall nur Kommentare zu Lenas Figur lesen konnte. Was man in diesem Zusammenhang erstmal schon gar nicht tun sollte (bzw. niemals irgendwo thematisieren sollte). Dabei ist doch gerade Frauenpower und wir halten alle zusammen das große Thema. Immer wieder liest man davon, dass Frauen ruhig kurviger sein können, also wieso darf Lena dann auch nicht den Körper haben wie sie ihn eben hat!? „My Body My Rules“ sag ich ja nur.
    Also lass uns doch einfach zusammenhalten und uns lieber allen gegenseitig zu dem was wir sind und was wir schaffen applaudieren…denn zu was anderem haben wir egal ob Promi oder nicht nicht das Recht..denn wie du es sagt „It is not our Business!“

    Also danke dafür, dass ihr das Thema aus dieser Perspektive betrachtet. Schön, dass man dies im Internet noch finden kann?

  9. Also, ich bin etwas hin und her gerissen: Bis zu diesem Artikel habe ich davon überhaupt nichts mitbekommen, weil ich mich von derartigen Nachrichten fern halte. Diese Bilder interessieren mich nicht und schon gar nicht die befremdlichen Kommentare von „dummen“ (oder was auch immer) Menschen.
    Es ist sicher richtig und wichtig, sich zu äußern, aber manchmal wird durch diese ganzen gut gemeinten Stellungnahmen die Sache noch viel populärer und ewig diskutiert. Lena hilft das sicher nicht wirklich.
    Schlimm finde ich einfach das Verhalten von Frauen untereinander. Ich bin erst 15 Jahre alt, aber diese üblen Bewertungen von Äusserlichkeiten kenne ich nur zu gut. Früher habe ich immer gehofft, dass dies ein Schulhofding ist und irgendwann aufhört, aber inzwischen ist mir klar, dass es wohl noch schlimmer wird. Darum beschäftige ich mich möglichst wenig damit, was andere über mich denken, das geht mich eben nichts an. Mal sehen wie lange ich das so durchhalte. ;)

    LG Charli von https://frischgelesen.de

  10. Wichtiger Beitrag! Ich wusste von diesem Thema vorher auch nichts, irgendwie geht sowas immer an mir vorbei, wenn es nicht in den normalen Nachrichten kommt. Ja, im Netz sind wir plötzlich alle Heilige und Moralapostel und bestimmen, wer ein „gutes Mädchen“, wer anständig, „classy“ ist und wer eine „Schlampe“. Als hätten wir das Recht, diese Wörter nach unseren Vorstellungen zu definieren und auf andere Leute, in dem Fall sehr gerne auf Frauen, anzuwenden. Wäre Lena auf der etwas kräftigeren Seite, würde man fragen, warum eine fette Frau wie sie sich traut, überhaupt ein Foto von sich aufzunehmen, auf dem sie unbekleidet ist. Widerlich, so ein Denken. Und was überhaupt hat auf einmal ihr Aussehen mit dem „Fall“, der uns ebenso nichts angeht, zu tun?
    Ich bin sehr für Sarkasmus, aber man muss nicht andere Leute und ihr Privatleben, ihren privaten Körper dazu missbrauchen, um Retweets bei Twitter zu sammeln. Das zeugt weder von Intelligenz noch von Menschlichkeit, sondern von Sensationsgeilheit auf Boulevardpresse-Niveau.
    Danke für den Post!

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