München: Peter Lindbergh „From Fashion to Reality“ in der Kunsthalle

13. April 2017 von in

„Selfies sind wirklich das Dümmste, was ich kenne.
Jeder macht mittlerweile Selfies.
Was die Leute dabei vergessen: Was das über sie aussagt.
Wer ein Selfie neben einem Promi postet,
versucht den Glanz der Person auf sich zu übertragen.
Man macht sich selbst kleiner. Das will doch niemand.“

Er ist vielleicht der ehrlichste, der unerschrockenste Fotograf der Modebranche. Peter Lindbergh. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, auch nicht an diesem Dienstagvormittag bei der Pressekonferenz zu seiner neuen Ausstellung „From Fashion To Reality“ in der Münchner Kunsthalle. Selfies mag er nicht. Generell mag er es nicht, wenn Menschen sich klein machen, nicht zu sich stehen oder sich im Glanz eines anderen sonnen. Diese Art der Fotografie ist nicht seine.

Seit über 40 Jahren fotografiert Lindbergh. Vor allem Mode. Und Menschen. Oder Menschen, die viel mit Mode zu tun haben. Wie die ganze Supermodel-Riege a la Kate Moss, Linda Evangelista, Naomi Campell oder Milla Jovovich und Tatjana Patitz. Es sind die Frauen, die in seiner Fotografie eine große Rolle spielen. Im Fokus stehen die Persönlichkeiten seiner Modelle, nicht zwingend nur die Mode. „Modefotografen haben – auch wenn man es heutzutage kaum glauben mag – eine Verantwortung. Wenn man Frauen fotografiert, muss man wissen, wie man sie fotografiert und wie sie aussehen sollen“, sagt Peter Lindbergh. Die heutige Abbildung der Frau – sie erschreckt ihn, lässt ihn erschauern.“Durch Photoshop wird den Frauen (aber auch den Männern) das Gesicht genommen. Jede Regung, jeder Gedanke, der diesem Menschen beim Fotografieren durch den Kopf jagt, jede Erfahrung, jedes Leben, kann innerhalb von Sekunden wegretuschiert werden. Die Seele wird genommen.“ Dieser Bewegung entgegen setzt sich Lindbergh mit seiner Fotografie. Für ihn gilt – heute wie vor 40 Jahren: „Nur wer die Courage hat, zu sich zu stehen und sich so zu zeigen, wie man wirklich ist, ist schön.“

Unter diesem Blickwinkel darf auch seine Ausstellung „From Fashion to Reality“ gesehen werden. Es ist eine Sammlung seiner Werke, ein Blick hinter die Kulissen seiner Arbeit, die eine besondere Beziehung zwischen „Model“ und Fotografen erzählt. Statt austauschbarer Kleiderständer begegnen einem selbstbewusste, ausdrucksstarke wie auch verletzliche Charaktere. Die meisten Fotografien sind in Schwarz-Weiß gehalten, Lindberghs Modefotografie ist auch ein Einblick in Porträtfotografie, die Geschichten erzählt.

Inspiriert von der schwarz-weißen Filmavantgarde der 20er bis 50er Jahre visualisiert Lindbergh Geschichten. „Als Fotograf musst du Geschichten erzählen wollen.“ Mit welcher Kamera man das tut, sei egal. „Es ist total egal, welche Marke, welches Modell oder welches Objektiv man hat, die Geschichte dahinter, das ist das was zählt – und das kann auch mit dem Smartphone funktionieren.“ Lindbergh selbst hat den Wandel vom Analogem zum Digitalen mitgemacht – sein Frauenbild, seine Fotografie hat sich nur wenig verändert. „Ich will das Echte, das Natürliche.“

In der digitalen Welt kaum noch auffindbar. Denn nicht nur Apps versprechen ein digital retuschiertes Gesicht, sondern auch Fotografen selbst kämpfen mit dem Wandel der Zeit. „Heute, wenn du shootest, bist du nicht mehr allein. Da stehen 100 Leute um dich herum, auf einem Laptop erscheinen in Echtzeit die Bilder und jeder sagt: „Kannst du nicht auch so mal knipsen“, erzählt Peter Lindbergh. Moodboards seien ebenfalls der Tod eines jeden Fotografens. Kreativität gehe unter – vor allem in Modemagazinen. „Fotografie wird zum unverbindlichen Nichts ohne Ecken und Kanten – das macht mir Angst.“

Weichgespülte Instagram-Accounts, vermutlich ein Graus für den Jahrhundert-Fotografen. „Kraftvolle Dinge sind interessant. Alles Weiche, Leichte, das ist – ja also – eher langweilig“, flüsterte Peter Lindbergh bei der Pressekonferenz fast. Als sei es ihm unangenehm, eine Position zu haben. Dabei ist es genau das, was er will. Einen Standpunkt haben, Dinge, wie er sie sieht, zeigen, der Welt erzählen.

Kraftvoll, beeindruckend ist auch seine Werkschau. Mehr Kunst als Magazinfotografie. Mehr Charakter als jeder Instagram-Filter.

Die Ausstellung ist bis zum 13. August in der Kunsthalle München zu sehen.
Theatiner Straße 8
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 20 Uhr
Eintritt: 12 Euro

Photocredit: Copyright: © Peter Lindbergh
Courtesy line: Courtesy of Peter Lindbergh, Paris / Gagosian Gallery

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5 Antworten zu “München: Peter Lindbergh „From Fashion to Reality“ in der Kunsthalle”

  1. Ein Post, den ich nur Hände hochreißend mit einem Jauchzen unterstützen kann!!!
    Die Ausstellung ist absolut sehenswert für Fotografie-Enthusiasten wie mich, aber auch für Fashionfreunde und jedem, der sich an Kunst erfreuen kann!
    Ich war einfach überwältigt von der individuellen Schönheit, die in diesen Fotos steckt, neben den interessanten Ansichten Peter Lindberghs, der so zugänglich wird!

    Ganz liebe Grüße
    Helena http://bluelionne.blogspot.de/

  2. […] 3. Im Museum abhängen Ihr kennt das, im Gespräch mit Freunden kommt man auf Ausstellung x – und mindestens einer sagt: „Oh, da wollte ich auch noch unbedingt hin.“ Nur: Dann kommt der Sommer, und der Gedanke, in ein Museum zu gehen, scheint mehr als weit weg – und eher man sich versieht, ist nicht nur der Sommer um, sondern auch die Ausstellung vorbei. Doch jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo man seine Freunde zusammentrommelt und die Ausstellung endlich ansieht, bevor sie plötzlich vorbei ist. Gemeinsam durch die Gänge schlendern, sich weiterbilden und darüber diskutieren, macht Spaß. Danach noch eine Tasse Tee im Lieblingscafé – und der Regentag ist wunderbar! Für Münchner empfehle ich die Peter Lindbergh Ausstellung in der Kunsthalle! […]

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