Reader’s Note: Hunde in Anzügen

3. Juli 2017 von in

Vor einigen Monaten meldete sich ein ganz besonderer Bewerber auf unseren Praktikanten-Aufruf. Er nannte sich Berthold Spatz, ein 40-jähriger „bunter Hund“, der sich für keinen Job zu schade ist und sich während des Praktikums bei amazed braune Waden aufgrund der häufigen Trips wünscht. Ein Fake, so viel stand fest. Ein Fake, der von einem – wie sich herausstellte – Freund von uns geschrieben war und so gut und so amüsant, dass wir ihn baten, dies für uns zu wiederholen. Marcel heißt er, arbeitet bei einer Autofirma als, ja als was eigentlich? Er spricht nicht viel über seinen Job. Generell spricht er nicht viel, vor allem, wenn es nichts zu sagen gibt. In Deutsch war er immer durchschnittlich bis schlecht, da seine kreativen Texte für seine Lehrer keinen Sinn ergaben. Wir nutzen die Chance, den ungeschliffenen Diamanten Marcel für uns zu beanspruchen und ihn über seinen Job schreiben zu lassen. „Kein Problem“, meinte er, „ich habe 40 Stunden die Woche dafür Zeit“. 

Einen billardspielenden Harrison Ford kann man derzeit nur im 90er-Blockbuster „Vertrauter Feind“ bestaunen. Gerne denke ich an diese perfekt inszenierte Bar-Szene zurück, während ich um neun Uhr morgens meinen Arbeits-PC hochfahre. Harrison Ford versteht es einfach, den Schaft des Queues durch seine Finger gleiten zu lassen. Möge der liebe Gott alle Netflix-Mitarbeiter mit Reichtum und Gesundheit segnen. Ein Lächeln bestimmt nun meine Gesichtszüge. Der Tag kann beginnen.

„Wie war dein Wochenende, Marcel?“ Schon ist die gute Laune passé. „Das geht dich überhaupt nichts an!“, denke ich mir und antworte stattdessen mit einem freundlichen „schön!“ „Dir muss man ja alles aus der Nase ziehen!“ Ein Satz, den ich in meinem Leben schon viel zu oft gehört habe.Warum muss ich jedem Menschen ausführlich über mein Privatleben berichten? Weshalb denken diese Leute, ich wäre der Idiot, wenn ich nicht aus dem Nähkästchen plaudere? „Wenn ich möchte, dass du erfährst, was ich so getrieben habe, dann erzähle ich es dir von alleine! Auf dem Bau würde ich mir so etwas nicht anhören müssen!“ Stille breitet sich aus. Endlich kann ich wieder komplett in meiner Gedankenwelt versinken.

Die guten alten Zeiten mit dem besten Arbeitskollegen des Universums sind Geschichte. Plastik-Hundehaufen vor der Damentoilette werden mittlerweile ebenso wenig gefeiert, wie grundloses und lautstarkes Stöhnen, um telefonierende Kollegen zu stören. Wir aßen damals gerne das Geburtstagsessen der Kollegen schon vor der offiziellen Eröffnung des Buffets auf. Stichwort: die Tiramisu-Affäre. Der Kollege hat schon vor längerer Zeit gekündigt. Jetzt muss ich umdenken. Sich selbst zum Lachen zu bringen ist wohl genauso schwer, wie eine zünftige Prügelei in einer Apotheke anzuzetteln.

Und wer kennt es nicht? Man sitzt im Büro, das Wichtigste ist erledigt, für freiwillige Arbeit fehlt die Motivation, und der Chef ist gerade nicht in Sichtweite. Schon wandert die Maus in das soeben neu geöffnete Tab von Google, und man tippt ein, was einem gerade einfällt – Infos zum nächsten Urlaubsziel, den neuesten Gossip und natürlich Online Shopping.

Seien wir mal ehrlich, wer hat sich noch nie aus purer Langeweile etwas online bestellt, was man eigentlich gar nicht benötigt, es aber zum Zeitpunkt des Kaufs „irgendwie witzig“ fand, oder man sich dachte: „Ich bräuchte mal wieder ein Paar neue Sneaker!“?

Diese Schuhe würden dir im Laden nicht einmal auffallen. Und jetzt stehen sie in deinem Schuhregal und die Umtauschfrist ist bereits seit Wochen abgelaufen.

Bei mir sind es Dinge, die im Nachhinein immer noch urkomisch, aber andererseits auch unnötig sind. Beispiele hierfür sind eine Nerf Gun mit doppeltem Munitionsrohr für spontane Kriegsschlachten im Büro, die Sharknado-Trilogie (welche unverständlicherweise noch ungeöffnet in meinem DVD- Regal steht) sowie hochwertige Autofahrerhandschuhe aus Leder (gesehen bei Nicklas Bendtner, ja genau der!), benutzt habe ich diese auch nur einmal, um eine heiße Schokolade ohne Sahne (Lactoseintoleranz is not a fucking game!) bei Starbucks zu bestellen.

Google ist seitdem zu meinem wichtigsten Begleiter während meines Acht-Stunden-Tages geworden. Mein Allgemeinwissen steigert sich von Tag zu Tag. Ausgewachsene Goldhamster darf man nicht ausschließlich mit Joghurt-Drops füttern. Sie verkleben ihre Backentaschen und schädigen ihre Zähnchen. Außerdem darf der Käfig nicht auf den Boden gestellt werden, da sie sich sonst bedroht fühlen. Ich habe als Kind also alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Es tut mir leid, Klinsi! Return if possible!

Suchbegriffe wie „Dogs in suits“, „Dog working in the office“, „Dogs in space“, „Dog doing human things“, „Dog driving a car“, „Dog working as bartender“, „Horse playing Ping Pong“, „Dog parachute jump” und „Dog playing piano” lösen jedes Mal aufs Neue spontane Zwerchfell-Attacken aus.

Das Leben ist zu kurz, um in der Arbeit auf Späße, Streiche, Firlefanz und Albereien zu verzichten. Vor allem, wenn Anträge auf weicheres Toilettenpapier mit der Aussage „Das ist schon Dreilagig“ abgeschmettert werden. Drei zusammengepresste Baumrinden ergeben nicht automatisch ein wohlfühlendes Hygieneempfinden. Mitarbeitermotivation sieht definitiv anders aus. Viel zu viele Kinder auf dieser Welt werden zu früh gezwungen erwachsen zu denken und zu handeln. Umso wichtiger ist es, sich daran zu erinnern, worum es im Leben wirklich geht: Lachen! Und ja, auch um Liebe.

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8 Antworten zu “Reader’s Note: Hunde in Anzügen”

  1. […] Vor einigen Monaten meldete sich ein ganz besonderer Bewerber auf unseren Praktikanten-Aufruf. Er nannte sich Berthold Spatz, ein 40-jähriger „bunter Hund“, der sich für keinen Job zu schade ist und sich während des Praktikums bei amazed braune Waden aufgrund der häufigen Trips wünscht. Ein Fake, so viel stand fest. Ein Fake, der von einem – wie sich herausstellte – Freund von uns geschrieben war und so gut und so amüsant, dass wir ihn baten, dies für uns zu wiederholen. Marcel heißt er, arbeitet bei einer Autofirma als, ja als was eigentlich? Er spricht nicht viel über seinen Job. Generell spricht er nicht viel, vor allem, wenn es nichts zu sagen gibt. In Deutsch war er immer durchschnittlich bis schlecht, da seine kreativen Texte für seine Lehrer keinen Sinn ergaben. Wir nutzen die Chance, den ungeschliffenen Diamanten Marcel für uns zu beanspruchen und ihn über seinen Job schreiben zu lassen. „Kein Problem“, meinte er, „ich habe 40 Stunden die Woche dafür Zeit“. Zu seinem ersten Artikel geht es hier entlang. […]

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