The Handmaid's Tale

Serientipp: 7 Gründe, warum wir alle The Handsmaid’s Tale ansehen sollten

22. September 2017 von in

Eigentlich schlummert dieser Artikel schon eine Weile hier, jetzt wo The Handsmaid Tale aber die Emmys als beste Serie gewonnen hat, wird es endlich an der Zeit, auch die letzten Zweifler zu überzeugen: Guckt diese Serie! Gerade für Frauen und Feminist*innen ist diese Serie wichtig, denn sie beweist, auch die größte Fiktion hat ihren Kern in der Realität. The Handsmaid’s Tale wirkt auf den ersten Blick ganz furchtbar dystopisch, auf den zweiten Blick wird aber klar: So manche Gesellschaft weltweit ist gar nicht so weit entfernt von Gilead – und wir alle müssen immer wieder für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einstehen.

Worum geht’s genau: In einer Dystopie Amerikas haben Umwelteinflüsse, atomare Katastrophen und Klimawandel zur vermehrten Unfruchtbarkeit der Frauen geführt. In einer Gesellschaft, in der deren Nachkommen nicht mehr gesichert sind, bildet sich ein totalitärer, fundamental-christlicher Staat heraus – namens Gilead. Ab sofort gibt es machtvolle Führer, getrieben von Fanatismus, die einen neuen Staat mit unterschiedlichen sozialen Klassen errichten. Frauen verlieren ihre Rechte, dürfen nicht mehr arbeiten, auch das Lesen ist ihnen verboten. Weltliche Dinge wie Mode, Beauty und Unterhaltungsmedien wie Magazine dürfen nicht getragen oder konsumiert werden. Wer sich dem System nicht unterwirft oder versucht, zu fliehen, wird getötet.
Die wenigen fruchtbaren Frauen werden gefangen und zu Handsmaids ausgebildet. Sie werden den einzelnen Führer-Familien als Eigentum zugeteilt, um die Nachkommen des Staates zu sichern. In rituellen Zeremonien werden die Handsmaids jeden Monat vergewaltigt. Das ist ihre einzige Aufgabe – Kinder gebären. Als Zeichen dessen, dass ihre Identität irrelevant ist, bekommen sie die Namen ihres Besitzer – mit dem Zusatz Of. Widerstand erscheint zwecklos – sich fügen oder sterben ist die Wahl.
The Handsmaid’s Tale erzählt die Geschichte von Offred (Of Fred), die auf der Flucht mit ihrem Mann und ihrer Tochter geschnappt, und kurzerhand zur Handsmaid gemacht wird. Offred, die vorher June hieß, muss sich dem System fügen – und versucht doch, den Staat zu greifen und ihren Überlebensweg zu finden.  In Rückblenden in die Vergangenheit bekommt der Zuschauer den Kontrast zur jetzigen Welt von Offred zusehen. Und irgendwann regt sich da auch so etwas wie Widerstand…
Wie Offred den totalitären Staat er- und überlebt, erzählt die Serie auf erschreckend nüchterne Art und Weise.

Meine sieben Gründe, warum wir uns diesem Horror trotzdem aussetzen sollten, kommen hier:

1. Realität vs. Fiktion
„Ist doch nur eine Serie“, heißt es gerne – und dann guckt man The Handsmaid’s Tale und ist sich gar nicht mehr so sicher. Sicherlich, in der westlichen Welt ist eine solche totalitäre, christlich-fundamentalistisch geprägte Gesellschaft noch weit weg. Weniger weit weg sieht das Ganze aber aus, wenn man in die bereits bestehenden Kriegsgebiete von IS und anderen fundamentalistischen Gruppierungen guckt. Erinnern wir uns nur an das furchtbare Verfolgen von Jesiden oder auch Christen in muslimisch geprägten Staaten. Auch, dass in unseren Breitengraden trotz einer Feminismusbewegung auch die Gegenseite des Patriarchatentums gestärkt wird beziehungsweise wächst, ist kein Geheimnis. Sicher: Eine Dystopie wie in Gilead ist erst einmal fiktiv, aber dass sich Fanatismus schnell zu etwas Großem auswachsen kann, wissen wir alle.

2. Diversity, finally
Halleluja! Ich freue mich so sehr über eine Serie, in der die Diversität endlich eine Rolle spielt. Viel zu oft gibt es in Serien eine coole Hauptfigur, den klassischen Sidekick und die rationale Stimme. In The Handsmaid’s Tale spielt Elizabeth Moss die Hauptfigur Offred. Eine Frau, die Mutter ist, aber gleichzeitig auch Ehefrau, Freundin, Karrierefrau – zumindest im Leben vor Gilead. Ihre Identität besteht aus zahlreichen Facetten – gleichzeitig ist sie nicht fehlerlos. Auch die Figuren rund um Offred überzeugen als starke Charaktere mit mehreren Facetten. Einseitigkeit ist tatsächlich ein Fremdwort bei The Handsmaid’s Tale, was die Serie vielleicht auch so beeindruckend macht. Die Identifikationsfläche mit den einzelnen Frauen ist ziemlich groß. Unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen Ethnien spielen hier eine große Rolle. Wir haben endlich eine Serie, die Girlpower nicht mit einer Gruppe privilegierter weißer Frauen besetzt, sondern Frauen in ihren unterschiedlichen Lebensphasen, Problemen, eigener Sexualität sowie Herkünften darstellt.

3. Politik vor Romantik
Am Ende fand sie dann doch ihren Prinz. Wie oft entwickeln sich Serien mit einem weiblichen Hauptcharakter vom spannenden Plot zur schnöden Liebesgeschichte? Viel zu oft. Wir sagen nur Chickflicks. The Handsmaid’s Tale hingegen ordnet die politische Message der romantisierten Story über. Mehrere Erzählstränge drehen sich – ohne zu viel zu spoilern – um die Themen des totalitären Staates, um das Auswachsen der Gesellschaft und ihre Abgründe. Die romantischen Erzählstränge sind wenn direkt kausal mit den politischen Themen verknüpft. Hier dreht es sich nicht darum, ob Offred sich verliebt oder ihr Glück findet. Im Gegenteil: Es geht nur darum, ob und wie sie überlebt. 

„Freedom, like everything else, is relative“ – The Handsmaid’s Tale

4. Solche Gesetze gibt es zum Glück nicht, ODER?
In Gilead sind Mann und Frau nur offiziell zusammen, wenn sie auch vor dem Staat verheiratet sind. Tadaa – sowas gibt’s in unserer westlichen Welt doch nicht, oder? Doch – in Michigan und Missippi in den USA gilt bis heute ein Gesetz, das besagt, wer zusammenlebt und „sexuell miteinander verkehrt“ und nicht verheiratet ist, kann für sechs Monate ins Gefängnis geschickt werden. Auch Abtreibung und Vergewaltigung sind in The Handsmaid’s Tale ein großes Thema. Die Frauen in der Serie verlieren mit der Geburt ihrer Kinder, die durch Vergewaltigung entstehen, jedes Recht an ihrem Kind. Bis heute gibt es in den USA beispielsweise in Maryland das Gesetz, dass das Sorgerecht eines Kindes, das durch Vergewaltigung gezeugt wurde, automatisch an den Vater geht. WTF?
Ganz abgesehen davon, dass in vielen Ländern der Welt die Frauenrechte in Bezug auf Vergewaltigung und Abtreibung bis heute noch sehr rückständig sind.

5. Die Serie spricht gezielt Menschenrechte an
The Handsmaid’s Tale legt seinen Fokus auf Frauenrechte – und doch hat schon die Autorin des Buches, Margret Atwood im feministischen Sinne, versucht, alle Menschen zu berücksichtigen. Die Serie schafft es in gleichen Teilen wie der Roman sich thematisch mit Menschenrechten auseinanderzusetzen. Hier geht es neben den Frauenrechten um Homosexualität, Abtreibung, psychische Erkrankungen, Sklaverei, Mutter-Dasein wie Elternschaft, aber auch selbstbestimmte Sexualität und Folter.

6. Der Cast ist großartig
Okay, jetzt vielleicht der banalste Grund für The Handsmaid’s Tale: Aber der Cast ist großartig. Elisabeth Moss habe ich schon in Mad Men bewundert – und so sehr man ihre Scientology-Mitgliedschaft fragwürdig finden kann, sie spielt grandios in The Handsmaid’s Tale. Neben ihr reihen sich Joseph Fiennes (! großartig als Fred Waterford), Samira Wiley (Moira) und Alexis Bledel (Ofglen) ein. Großartige Schauspieler, die es schaffen, den Wahnsinn der Dystopie auf erschreckende Weise darzustellen.

7. Die Ästetik der Serie
Ich bin ein Ästhetik-Freak, wenn es um Filme geht. Breaking Bad habe ich gefeiert, weil die Farbgebung der Serie so wahnsinnig durchkomponiert war und die Farbe mit der Szenerie wechselte. Auch The Handsmaid’s Tale hat eine Komposition der eigenen Farben. Gilead ist dauerhaft in eine softe Herbstlandschaft getaucht, die Farben sind eher trist und abgesoftet. Dadurch, dass die Führer alle in Schwarz gekleidet sind, die Frauen in Türkis-Blau und die Handsmaids in Weinrot, ergibt sich eine stringente Ästhetik, die sich auch auf die Geschichte übertragen lässt. Farblos ist eine Welt, in der es keine freie Entfaltung mehr gibt. Bunt wird sie eben erst, wenn jeder Mensch sich ausleben kann.

Übrigens: Der Roman zur Serie The Handsmaid’s Tale stammt von Margret Atwood aus dem Jahre 1985. Er gilt bis heute als feministischer Roman – und das so früh in den 80ern. Wie aktuell der Roman heute noch immer ist, wird die Autorin wahrscheinlich selbst überraschen. Verfilmt wurde das Buch auch als Film – doch an die Serie kommt er bei Weitem nicht ran. Staffel 1 wurde abgedreht, Staffel 2 soll bald folgen. Wer von euch hat die Serie ebenfalls schon angesehen?

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