Kolumne: Der Zauber des Nichtstuns

28. Oktober 2016 von in

Photocredit: Krista Mangulsone / Unsplash

„So, ich schlage dann mal vor, wir schreiben sie krank“, sagt meine Ärztin und blickt mich an. „Krank schreiben?“, frage ich zögerlich. „Ja natürlich, sie haben eine Mandelentzündung und müssen ausruhen. Sie haben das Ganze eh schon verschleppt.“ „Aber ich bin freiberuflich“, stottere ich. „Das ist egal, sie bleiben jetzt im Bett.“ Mit strengem Blick schiebt sie mir die Krankschreibung über den Tisch, packt ein Rezept für ein Antibiotikum dazu und wünscht mir gute Besserung.

Erschrocken von der Ansage, aber irgendwie erleichtert verlasse ich die Arztpraxis und hüpfe wieder in mein Bett. Ich bin krank.

Wäre jetzt noch 2015 würde ich einfach weiterarbeiten. Die Anweisung meiner Ärztin ignorieren und Termine wahrnehmen, in die Redaktionen springen und völlig fertig mich durch den Tag kämpfen. Bis der Körper gar nicht mehr funktioniert. Aber ich bin dieses Jahr nicht nur älter geworden, sondern auch ein kleines bisschen weiser. Denn seitdem ich mich Anfang des Jahres mit Entschleunigung, Achtsamkeit und innere Ruhe beschäftige, gilt vor allem eins: Ich höre auf meinen Körper. Geht es mir nicht gut, werden Termine abgesagt, der Laptop zugelassen.

Also liege ich in meinem Bett, mein Kopf dröhnt, die erste Krankschreibung seit acht Jahren liegt neben mir. Das erste Mal in meinem Leben habe ich sie an Auftraggeber geschickt. Ich starre an die Wand. Das Handy ist auf Flugmodus. Serien gucken strengt an. Lesen sowieso. Mein Körper verlangt nach einer Pause. In allen Bereichen. Und ich gebe sie ihm. Ich tue nichts.

Oscar Wilde hat einmal gesagt: „Gar nichts zu tun, das ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich diejenige, die am meisten Geist voraussetzt.“ Ich kann gut allein sein, doch dank Social Media und Handy ist es heute kaum noch möglich, allein zu sein und nichts zu tun. Ohne es groß zu merken, scrollen wir durch Instagram, switchen zu Whatsapp, dann Facebook, checken unsere Mails, erledigen Jobs, um dann wieder das selbe von Neuem zu beginnen. Gab es Anfang der 70er Jahre Aufruhr, dass der Fernseher beim Essen läuft, ist dies heute Alltag. Dauermedialer Einfluss in jedem Lebensbereich. Die Konzentrationsspanne sinkt, das Nichtstun wird zur Anstrengung. Richtig entspannt sind wir nie. Selbst ein Urlaub ist nur noch wahre Entspannung, wenn wir bewusst Digital Detox betreiben oder in so entlegene Winkel reisen, wo Snapchat und Co. nicht mehr funktionieren. Sich mitteilen, zu jeder Zeit, ständig, auf den verschiedensten Ebenen ist mittlerweile unser Lifestyle. Als freie Journalistin und Bloggerin noch mehr als sonst, gleichzeitig geht es aber auch meinen Freunden so.

In den vergangenen Tagen habe ich mich bewusst entschieden, wirklich nichts zu tun. Habe mein Handy ins andere Zimmer gelegt, hauptsächlich geschlafen, zwischendrin gegessen und meinen Gedanken nachgehangen. Denn das Nichtstun gibt Freiheit. Gedanken, die sonst durch Aufmerksamkeitsspannen von 30 Sekunden verdrängt werden, rutschen endlich nach vorne. Können sich entfalten. Kreativität breitet sich aus, manifestiert sich nach und nach. Statt Emails und To-Do-Listen habe ich Ideen, neue Ansätze und Kraft gesammelt – und das trotz Krankheit.

Wer kreativ arbeitet, braucht solche Ruhepausen. Das weiß ich schon lange, nach dem Kranksein aber umso mehr. Wer nur von Termin zu Termin hetzt, tausend kleine Jobs an einem Tag erledigt und nie konzentriert die Dinge abarbeitet und dies fünf Tage die Woche, verliert die kreativen Ideen im Chaos der Erledigungen.

Das Nichtstun war zauberhaft. Es klingt simpel, aber ich habe durch die Zwangspause noch mehr gelernt, wie gut es tut, Dinge nicht zu tun oder bewusst zu tun. Essen – ohne, dass der Laptop läuft. Die heiße Badewanne nehmen – ohne Buch und Handy. Spazierengehen, ohne Musik. Luft einatmen, die Umgebung beachten, Menschen beobachten. In die Leere starren. Einfach so.

Jetzt, wo langsam die Kraft zurückkehrt und ich kommende Woche hoffentlich wieder ins Arbeitsleben starten kann, fühle ich mich ausgeruht wie nie. Als wäre ich einmal auf hohe See gefahren, hätte meinen Kopf durchpusten lassen und komme frisch und voller Elan zurück.

Warum ich diesen Text schreibe: Um uns zu erinnern, dass Auszeiten in der heutigen digitalen Welt umso wichtiger sind. Dass wir wieder lernen müssen, Dinge bewusst zu machen. Und zwar, bevor uns der Körper eine Auszeit verschreibt. Dass wir uns auf eine Sache konzentrieren. Denn das schafft Raum und gleichzeitig Ruhe. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Nichtstun. Hin und wieder sollten wir einfach mal nichts tun. Zeit mit uns verbringen, ohne Bespaßung von Medien und anderen Menschen. Ich verspreche euch, das ist ganz magisch.

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15 Antworten zu “Kolumne: Der Zauber des Nichtstuns”

  1. Ich bin mir sehr sicher, dass du recht hast und wir häufiger nichts tun sollten. Ich hatte – dank meines Telefonanbieters – im Urlaub gar kein Netz, kein Internet, nada. Im ersten Moment fand ich das richtig, richtig doof, aber eigentlich war es gezwungenermaßen Digital Detox und an Tag 3 eigentlich ganz okay.

    Ich wünsche dir gute Besserung und eine positive kommende Arbeitswoche mit viel Elan! :-)

  2. Danke! Sehr schöner und passender Text, ich sehne mich nach diesen Zeiten voller Inspiration, Ruhe und geistiger Energie, finde aber allzu selten nur den Weg dahin…

    • Liebe Fran,
      danke dir! Handy weg, raus an die Luft. Das macht schon viel aus. Und das wirklich regelmäßig. Genauso wie bewusst Dinge tun. Nur abwaschen und nicht nebenbei noch was laufen lassen. Nur kochen. Nur lesen. Nur essen. Das bringt Ruhe rein :) Liebe Grüße!

  3. Liebe Antonia!
    Erst mal gute Besserung!
    Ich kenn wenig, was einen so krank fühlen lässt, wie eine Mandelentzündung.
    Und ich versteh absolut, dass man immer seine Pflichten erfüllen möchte.
    Allerdings bin ich auch irgendwann zu dem Schluss gekommen: Lieber leg ich mich einmal eher hin und bin dann auch wieder schneller auf der Höhe, anstatt mich länger rumzuschleppen und dann völlig zusammenzuklappen.
    Aber ich geb zu, ich muss mich jedes Mal wieder selbst daran erinnern.

  4. Schon wieder so ein toller und wahrer Text! Vielen Dank dafür! Erschreckender Weise schleppen sich nicht nur Selbstständige und Freiberuflicher krank ins Büro, bei uns ist das neuerdings völlig normal, was zur Folge hat, dass man selber nur noch kränker wird und seine Mitmenschen ansteckt… Ich glaube als Blogger ist man noch anfälliger, aber auch viele andere können nur noch schwer abschalten. Als ich gelesen habe, „nur in der Wanne liegen“ fiel mir auf, ich weiß gar nicht, wann ich das zuletzt gemacht habe… Irgendein Video läuft immer, daneben liegt das Handy und gedanklich bin ich schon beim Abwasche.. Wahninn. Meine Arbeit macht mir Spaß, aber du hast völlig Recht ohne regelmäßige (!) Auszeiten kippt man irgendwann um, das muss man sich immer wieder bewusst machen…

    Deshalb ganz gute Besserung, noch etwas Ruhe und liebe Grüße aus Freiburg, Neele

  5. Liebe Antonia!

    Was für ein unglaublich wahrer Text!
    Ich erkenne mich darin sowas von wieder – und habe vor einigen Tagen beschlossen, die Reißleine zu ziehen und einen Tag in der Woche zum konsequenten Digital-Detox-Day erklärt. Das löst das Problem vielleicht noch nicht vollständig, ist aber ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu meiner ganz persönlichen Besserung.

    Ich hoffe, dir geht es ganz bald wieder gut! :)

    Liebe Grüße
    Jenni

  6. Ui da fühle ich mich schuldig. Ausgestattet mit einer Mandelentzündung habe ich zwar die Verabredungen dieses Wochenende abgesagt (das hätte ich vor einem halben Jahr nicht gemacht) dafür aber im Bett und mit Tee am Blog gearbeitet.
    Man – vor allem dass du das Oscar Wilde Zitat eingestreut hast, kratzt an mir. Ich liebe Oscar Wilde und er hat fast immer recht. Also dann. Laptop aus und ab in die heia. Grüße an dich & gute Besserung – wir packen das! xx Ana http://www.disasterdiary.de

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