The Talk: Zwischen Superdates und Bettpizza

18. Juli 2016 von in

Ich sitze mit einem guten Freund und theorieerprobten Liebesspezialisten beim Abendessen. So richtig klappt es bei ihm nie mit Beziehungen – kurz und heftig ja, aber was sich einfach nicht einstellen will, ist Intimität. Bevor es zu wirklicher Nähe kommen kann, sind seine Beziehungen meist auch schon wieder um und er wieder angekommen in seinem Alltag. Sonntags allein ins Kino, viele Frauen, dazwischen Tennis, Kurztrips, Termine und der Job. Er ist ein Mensch, der viel vom Leben will und seine Tage mit allem füllt, was so reinpasst. Seine Tage allein wie seine Tage zu zweit: Nach dem Aufwachen Frühstücken gehen, danach in eine Ausstellung, ein langer Spaziergang, ein Abend beim Italiener. Ob er nicht einfach auch mal im Bett bleiben will, zu zweit, den ganzen Tag, frage ich. Nichts erleben, sondern Nichtstun zu zweit.

Im ersten Moment sagt er, einen ganzen Tag im Bett könnte er sich nicht vorstellen, wirklich so gar nicht, allein nicht und schon gar nicht zu zweit, und ich komme mir dabei ganz plötzlich ein bisschen langweilig vor. Schließlich kann ich das nicht nur alleine super, sondern erst recht zu zweit. Ein Tag zusammen im Bett ist für mich der Inbegriff von Nähe und Intimität. Wenn das Bett zum einzigen Ort der Existenz wird, der Rest der Welt absolut egal ist und das Handy am anderen Ende der Wohnung liegt. Wenn der Weg zum Bad oder zum Pizzaboten an der Tür die einzigen Schritte sind, die man gehen will, bevor man schnell wieder unter die Decke kriecht. Und wenn nichts egaler ist, als wie man gerade aussieht, ob die Haare sitzen oder die Makeup-Reste im Gesicht kleben.

Natürlich möchte ich nicht jeden Tag so dahinvegetieren. Und natürlich ist Frühstücken gehen wunderbar, genau wie lange Spaziergänge oder Tretbootfahren auf dem Königssee – all diese Superdates. Aber keine noch so gut geplante Aktivität könnte ich genießen, wären da nicht diese Zeiten zwischendurch, in denen man alles ausblendet und auf einmal nur noch zu zweit ist. Ungeschminkt, unverstellt und nah. Ohne Action, ohne Plan, ohne Aktivitäten. Wieso er sich das nicht vorstellen könnte, frage ich meinen Freund.

Weil Aktivitäten vom Anderen ablenken, sagt er. Und plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so langweilig.

Intimität ist die privateste aller Angelegenheiten und deshalb auch frei von jeglichen Regeln. Als ich vor gut einem halben Jahr aus einem relativ langen Singledasein ganz unerwartet in eine Beziehung stolperte, wurden mir plötzlich aber so einige Dinge bewusst. Wie wenig Intimität der allgemeine Lifestyledruck zulässt, zum Beispiel. Während man alles versucht auszukosten, das Wochenende, den Sommer und all die Männerbekanntschaften, lässt man dabei kaum Raum für wirkliche Nähe. Die gute Snapchatstory, der super Wochenendtrip, die Tausend Termine in den nächsten Wochen, und dazwischen auch mal ein Mann. Für einen guten Abend hier, für einen Tag voller Aktivitäten da, die man eben so macht, zu zweit. Für eine gute Story im Lifestylebuch, in dem jede Seite spannend bleiben soll.

Und während man damit beschäftigt ist, sein Leben aufzumotzen, merkt man oft kaum mehr, wer das eigentlich ist, an seiner Seite. Und wundert sich, warum es eigentlich nie klappt mit den Beziehungen.

Vielleicht, weil Intimität aufzubauen nichts ist, was man aus Lifestylegründen tut. Und weil sich erst abseits von Snapchat, neuen erzählenswerten Stories oder dem neuesten Artikel über die Liebe das entwickeln kann, was wirkliche Nähe entstehen lässt. Ein Tag im Bett gibt tatsächlich keine gute Story her. Und doch ist die ganz banale Zeit zu zweit das, was plötzlich das Allerschönste werden kann.

Für weniger Druck nach Superdates. Und für mehr Bettpizza.

Foto: Unsplash.com/Viktoria Hall-Waldhauser

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11 Antworten zu “The Talk: Zwischen Superdates und Bettpizza”

  1. Ich liebe und genieße die Zeit die ich mit meinem Freund zusammen und allein verbringen kann – diese Momente sind sehr rar, da er beruflich und familiär sehr eingespannt ist – aber wir finden sie und lieben sie. Miteinander. Gemeinsam.

  2. Diesbezüglich empfehle ich das Buch, dass ich gerade verschlungen habe von Svenja Flaßpöhler, „Wir Genussarbeiter-über Freiheit und Zwang in der Leistungsgesellschaft“.
    Welchem Diktat folgen wir eigentlich ?

  3. Ich mag Bettpizza – im Sommer kann man Intimität aber auch mit schönen Aktivitäten verbinden, schon als mein Freund und ich uns kennengelernt haben, haben wir uns gerne zum Picknicken getroffen. Immer noch bauen wir das ganz oft ein – eine Decke, eine Flasche Wein, zwei gute Bücher, keinen Termindruck und außenrum ein bisschen Natur…

  4. Ein ganzer Tag im Bett? Ehrlich gesagt ist das für mich eine Horrorvorstellung, sowohl allein (mit oder ohne Buch/Fernseher/pizza/Makeup) als auch zu zweit….Ich muss nicht unbedingt in eine Ausstellung, aber gerade wenn ich frei habe bewege ich mich sehr gerne. Das muss nicht Sport sein, zu zweit bevorzuge ich längere Spaziergänge im Grünen, gerne in Kombination mit einem Cafebesuch oder einem längeren Stopp am Isarufer…. Ich finde daher so Tage, an denen es nur in Strömen regnet grauenhaft….Intimität schön und gut, aber die geht auch ohne einen Tag im Bett :-)

  5. Ich weiss gar nicht, ob das zwingend eine Garantie für Intimität ist, denn auch bei Bettpizza und im ungeschminkten Zustand kann man es schaffen, immer noch super „von sich“ abzulenken und ich denke Menschen, die generell mehr mit sich selbst beschäftigt sind als sich hin und wieder auf andere einzulassen, hilft weniger der Abstand von Aktivitäten (Fernsehen und Essen sind auch welche), sondern mehr der Abstand von sich selbst.
    Egal, ob man mit dem anderen draussen oder drinnen ist.

    Lieber Gruss
    Ava

    • Das hast du sehr schön und richtig gesagt. Man muss glaube ich vor allem einen Tag mit sich selbst im Bett verbringen können, um das auch mit jemand anderem zu können!

  6. Toller, reflektierter Artikel! Ich glaube, neben der Intimität spielt auch noch die Extra- bzw. Introversion hinein. Dein Kumpel klingt, wenn man ihn nach seinen Aktivitäten bewerten will, auch nach einer stark extravertierten Person. Ehrlich – ich bin hingegen froh, wenn ich am Samstag nur mit meinem Freund im Bett lümmle, weil ich nach einer stressigen Arbeitswoche kaum Energie für weitere soziale Interaktion habe. Beim Partner kann man, wenn man sich denn fallen lässt (Stichwort Intimität) so sehr man selbst sein, dass er einen selbst als Introvert nicht anstrengt, und das finde ich etwas ganz Kostbares an Beziehungen <3

  7. Ein super schöner Post. Ich kann mich da so super gut hineinversetzten. Die Zeit zu zweit ohne ALLES kann manchmal einfach nur gut tun und fühlt sich, für mich zumindest, immer wie vollkommender Frieden an :)

    Liebe Grüße,
    Melanie

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