The Talk: Meine Bisexualität ist keine experimentelle Phase

29. Mai 2018 von in
Dieser Text erschien zuerst auf Refinery29 – von Nadine Kroll
 

Seit ich etwa 15 Jahre alt bin, weiß ich, dass ich bisexuell bin. Also gleichermaßen auf Männer wie auf Frauen stehe. Für mich war das nie eine sonderlich große Sache. Ich verliebe mich eben in Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Mir ist egal, ob jemand jetzt einen Penis oder eine Vagina zwischen den Beinen hat. Meinem Umfeld allerdings nicht. Das muss meine Sexualität immer kommentieren. Ungefragt, versteht sich.

Für meine Umgebung scheint meine Bisexualität ein größeres Thema zu sein als für mich. Fast täglich werde ich mit den immer gleichen Fragen und Vorurteilen konfrontiert. Die meiste Zeit verdrehe ich nur genervt die Augen und lasse die Leute reden. Es gibt jedoch eine Sache, von der ich mich persönlich angegriffen fühle – und zwar von der Annahme, meine Bisexualität sei „nur so eine Phase“.

„IMMER WIEDER WIRD BISEXUELLEN FRAUEN UNTERSTELLT, DASS IHRE SEXUALITÄT ETWAS IST, DAS SIE LEDIGLICH ANPROBIEREN.“

Immer wieder wird mir – und damit auch allen anderen bisexuellen Frauen – unterstellt, dass meine Sexualität etwas ist, das von mir lediglich anprobiert wird. So als handle es sich bei meiner Neigung um ein Paar Schuhe von Nike. Um zu gucken, ob es wirklich cool ist. Oder um zu schockieren, zu provozieren, zu rebellieren, wie man das in jungen Jahren eben so macht. Und dass sich das gerade bei Frauen wieder legt, wenn sie älter werden.

Prominente Beispiele für bisexuelle Frauen gibt es viele, darunter Cara Delevingne, Lady Gaga und Cynthia Nixon, die vergangenen Monat ihre Kandidatur als Gouverneurin von New York bekanntgegeben hat. Ihnen allen ist eines gemein: Sie müssen sich immer wieder gegen den Vorwurf verteidigen, ihre Bisexualität sei nur gespielt, um von sich reden zu machen. Die nächste große Schlagzeile zu ergattern.

Wenn es das nicht ist, dann wertet man sie ab, macht sie zu nichts weiter als einer Wichsvorlage für Männer. Megan Fox ist nur eine Frau, die von der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Bisexualität gerne auf die Rolle des immer willigen Sexobjekts reduziert wird. Getreu dem Motto: „Schaut her, wie cool und offen ich bin, ich treibe es mit allem und jedem!“ Nur, dass sie das nie so gesagt hat, sondern ihr Worte wie diese in den Mund gelegt werden. Um Klicks zu generieren oder mehr Leute ins Kino zu locken.

Bisexuelle Männer hingegen müssen sich Dinge vorwerfen lassen wie „Da will jemand nur nicht zugeben, dass er stockschwul ist!“. Für die meisten Menschen scheint es zwischen Homo- und Heterosexualität nichts zu geben. In aller Regelmäßigkeit werden sexuelle Identitäten wegradiert, so als wären sie überhaupt nicht existent.

„ICH WERDE IMMER BISEXUELL SEIN. AUCH DANN NOCH, WENN MAN MICH VIELLEICHT IN EINER HETEROSEXUELL GELESENEN BEZIEHUNG SIEHT.“

Bisexualitätsgegner sehen sich vor allem dann in ihren Thesen bestätigt, wenn man sich für einen Partner oder eine Partnerin entschieden hat. „Ich wusste immer, dass du mehr lesbisch bist!“, musste ich mir erst kürzlich wieder anhören, als ich meine aktuelle Freundin einem Bekannten vorstellte, den wir durch Zufall auf der Straße trafen.

Dabei bin ich überhaupt nicht „mehr lesbisch“, nur weil ich momentan mit einer Frau zusammen bin. Genauso, wie ich nicht plötzlich wieder „mehr hetero“ bin, wenn ich mit einem Mann ins Bett gehe.

Ich bin bisexuell. Das ist nichts, das sich in Prozent wiedergeben ließe, nur damit andere Leute eine zufriedenstellende Antwort darauf bekommen, ob sie einen in den Schubladen ihrer Köpfe jetzt unter „homo“ oder „nicht-homo“ einzuordnen haben. Egal, wen ich gerade date, ich werde immer bisexuell sein. Auch dann noch, wenn man mich vielleicht in einer heterosexuell gelesenen Beziehung sieht.
Meine Bisexualität ist ein Teil von mir, den einige als Provokation oder Rebellion empfinden und mir immer wieder absprechen wollen, weil sie nie selbst erlebt haben, wie es ist, sich zu Männern und Frauen gleichermaßen hingezogen fühlen. Eigentlich ist es auch keine große Sache. Wäre da nicht dieses Umfeld, das meine Sexualität immer wieder thematisieren und mich damit in eine Position drängen muss, in der ich in Erklärungszwang gerate.

Meine Bisexualität ist nicht nur eine Phase. Und ich möchte, dass man aufhört, das zu hinterfragen.

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