Der Aziz Ansari Fall: Wann ist Vergewaltigung eine Vergewaltigung?

16. Januar 2018 von in

Aziz Ansari wird der sexuellen Belästigung, oder vielmehr der Vergewaltigung, bezichtigt. Genau, Aziz Ansari. Der Mann, der sich seit Jahren für Feminismus einsetzt, der Messias der Frauen, der Männern seit Jahren erklärt, wie sie sich zu verhalten haben.

Ein detailreicher Artikel auf babe.net beschreibt einen Abend, an dem sich Aziz Ansari an einer jungen Frau vergeht. Die zwei haben ihr erstes Date, nach dem Abendessen geht sie mit zu ihm, sie küssen sich und trotz mehrmaligen Andeutungen, dass sie das eigentlich nicht möchte, haben sie Sex. Im Nachhinein schreibt sie Aziz eine Nachricht, in der sie erklärt, dass der Abend für sie nicht so angenehm verlief, wie ganz offensichtlich für ihn. Aziz Ansari entschuldigt sich bei ihr und erklärt ihr, die Signale falsch gelesen zu haben.

Über Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung im klassischen Sinne zu sprechen, ist einfach. Es gibt eine/n Böse/n und ein Opfer. Doch sexuelle Belästigung spielt sich sehr häufig komplexer ab – wie zum Beispiel in diesem Fall, den vielleicht schon viele Frauen und Männer ähnlich erlebt haben. So auch ich. Ich habe eine ähnliche Situation erlebt, in der auch ich erst im Nachhinein in einer Nachricht erklärt habe, dass der Abend für mich nicht angenehm verlief. Auch er hat sich daraufhin bei mir entschuldigt.

Vielleicht ist es an der Zeit, das Problem von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten und zu erklären:

Das Problem der Frau

Die Frau wurde in ihrer Geschichte sexuell belästigt. Sie hatte dennoch Sex mit ihm und „mitgemacht“. Man kann ihr nun die Schuld in die Schuhe schieben und sagen: Wenn du kein klares „NEIN!“ von dir gibst, hast du das eben davon. Man kann aber auch tiefer gehen und sich die Frage stellen: „Wieso hat sich die Frau nicht getraut, zu sagen, dass sie keinen Sex möchte?“, die Antwort liegt zum einen darin, dass Frauen seit Jahrhunderten unterdrückt werden, dem Mann immer körperlich unterlegen sind und eine klare Äußerung zu dem Thema nicht einfach ist. Außerdem hat sie sich womöglich mit ihrem Gegenüber eigentlich gut verstanden. Sie mag ihn, empfindet seine Küsse / Berührungen aber nicht als angenehm. Was genau hat das zu bedeuten? In solchen Momenten ist es nicht einfach, innerhalb so kurzer Zeit und während des Geschehens herauszufiltern, wo der Hund begraben liegt und was man jetzt eigentlich genau als unangenehm empfindet. Also kommt es vor, dass Frauen nur vorsichtig zu spüren geben, dass sie das alles nicht wollen – so wie auch die Protagonistin in dem Ansari-Fall. Sie hat mehrmals versucht, Signale zu senden und ist dabei gescheitert.

Das Problem des Mannes

Vielen Männern wird von klein auf beigebracht, was es bedeutet, ein Mann zu sein. So müssen Männer die dominanten Anführer sein, die wissen, was sie wollen, keine Schwächen haben und sich ihrem Sextrieb kaum widersetzen können. Das ist natürlich Quatsch, so etwas kann man nicht verallgemeinern. Und doch sitzt das dominante Anführer-Syndrom bei sehr viele Männern tief verankert. Selbst bei denen, die das gesamte Gender-Konstrukt im Großen und Ganzen meinen, verstanden zu haben. Es kann also sein, dass ein Mann in seine Klischee-Muster fällt und eine Frau von sich überzeugen möchte, ein kleines Spiel spielen möchte vielleicht, und der Frau zeigen will „wo es lang geht“. Obwohl, wie in dem Aziz Ansari Fall, die Frau mehrmals ihre Abneigung ihm gegenüber deutlich gemacht hat. Außerdem darf man natürlich nicht vergessen: Es gibt sicherlich viele Frauen, die genau so ein Spiel befürworten.

Empathie und Kommunikation

Da kommen wir zum dritten Punkt: Empathie und Kommunikation. Sexuelle Vorlieben gibt es wie Sand am Meer und man kann weder sagen, dass Frauen grundsätzlich auf ehrlichen Vertrauenssex stehen, noch, dass Männer nur harten Sex wollen. Gerade weil Sex andauernd an der Tagesordnung steht, muss genauer darauf geachtet werden, was mein Gegenüber möchte und WELCHEN Sex er sich erhofft. Da hilft Feingefühl und Empathie.

Das bedeutet, nicht direkt nach dem ersten Date die neu kennengelernte Person „auf gut Glück“ mit womöglich ungewöhnlicheren Sexvorlieben zu überraschen und zu hoffen, dass das Date genauso darauf steht wie man selbst. Sexvorlieben sind schön und gut, jeder darf sie haben, aber es muss innerhalb eines Raumes klar sein, dass alle Beteiligten damit d’accord sind.

Sobald ich auch nur ansatzweise unsicher bin, ob mein Gegenüber das gerade gut findet, was ich veranstalte, gibt es nur eine Regel: AUFHÖREN.

Die ganz besonders offenen unter uns sollten am Allerbesten einfach darüber sprechen, was sie gerne hätten. Das würde alles vereinfachen, aber in der Praxis haben wir – die ja ach so sexuell befreite Gesellschaft – extreme Hemmungen, über Sex zu sprechen. Deshalb müssen die Sinne für Signale geschärft werden.

Als Aufhänger im Aziz Ansari Fall: Wenn die Geschichte so stimmt, wie sie niedergeschrieben wurde, hat der berühmte Comedian nicht aus böser Absicht gehandelt. Er ist seinen Bedürfnissen nachgegangen, hat ein Spiel gespielt und die Signale falsch gelesen. Das ist eine Erklärung, aber keine Rechtfertigung für das, was in diesem Szenario passiert ist, und was tagtäglich – neben ganz offensichtlichen Vergewaltigungs- und sexuelle Belästigung-Szenarien – überall auf der Welt passiert. Er IST schuldig. Auch wenn es sich hier womöglich um keine böse Absicht handelte, müssen strengere Regeln her, die sexuelle Belästigung und Vergewaltigung klar definieren. Sie müssen geahndet werdet.

Und gleichzeitig muss aber dort angesetzt werden, wo das Problem eigentlich verankert liegt. Tiefenpsychologisch und dort, wo alles beginnt: bei der Erziehung.

 

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14 Antworten zu “Der Aziz Ansari Fall: Wann ist Vergewaltigung eine Vergewaltigung?”

  1. Ein tendenziöser Artikel, der sich hinter einer pluralen Fassade verschanzt. Es wird über den Beschuldigten gerichtet, so als sei die Autorin mit dem Fall näher bekannt, als hätte sie ermittelt. Misskomunikation ist keine Straftat und gehört nicht geahndet, ebenso wenig wie Arschlochsein oder unemphatische Äußerungen – das ist Teil der Freiheit, die man „den Anderen” zugestehen muss, sei es auch unangenehm. Somit ist der Artikel eine Stimme für eine restriktive und rigide Gesellschaft, das brauchen wir – egal aus welcher Richtung – keinesfalls.

  2. Guter Beitrag! Ich war persönlich ganz schön geschockt als ich von der Sache gehört hatte. Mir ist auch schon etwas Ähnliches passiert und auch in dem Fall dachte der Mann, ich würde ein Spielchen spielen. Ich habe auch mit vielen männlichen Freunden darüber gesprochen, und die alle haben gesagt, dass es für sie wirklich nicht so einfach ist Signale zu lesen. Ich denke offene Kommunikation hilft da sehr und ich habe für mich gelernt, dass das mein gutes Recht ist und ich mich nicht überrennen lassen muss. Trotz allem ist es sehr erschreckend, dass ausgerechnet einem Aziz Ansari passiert, jemand von dem ich gedacht hätte, er hätte genug Empathie und Verständnis, um zu wissen wann er zu weit geht.

    • „Trotz allem ist es sehr erschreckend, dass ausgerechnet einem Aziz Ansari passiert, jemand von dem ich gedacht hätte, er hätte genug Empathie und Verständnis, um zu wissen wann er zu weit geht.“

      Warum nehmen sich Autorin und Kommentatorin heraus, über besagte Person zu richten und die Situation überhaupt einschätzen zu können? Ich halte es für erschreckend, wie leichtfertig hier eine Situation aus zweiter, dritter, vierter Hand beurteilt und wie eine persönlich unbekannte Person an den Pranger gestellt wird: „Er IST schuldig.“ Dieser Blogpost kann mit noch so guter Absicht entstanden sein, die Ausführungen sind unmenschlich und ich sehe kaum einen Unterschied zu anderer Onlinehetze. Gleichfalls ist die selbst so benannte Beleuchtung von unterschiedlichen Seiten alles andere als das. Erster Satz der Frau: „Die Frau wurde in ihrer Geschichte sexuell belästigt.“
      Im Gegensatz zum Mann: „dominante Anführer-Syndrom“.
      Wo sind die unterschiedlichen Seiten? Das Ergebnis steht doch schon mit dem albernen BeitragsGIF fest. Wo ist die Emphatie, von der ihr sprecht? Ich sehe keine, der Blogpost ist anmaßend, der thematik unwürdig und für die involvierten Personen eine Farce. Selten in der Öffentlichkeit einen so entstellten, moralischen Zeigefinger gesehen. Aber wahrscheinlich erwarte ich auch zu viel von einem Weblog.

      • Hallo Hubsi, bitte nicht übersehen: „Als Aufhänger im Aziz Ansari Fall: Wenn die Geschichte so stimmt, wie sie niedergeschrieben wurde,…“! Ich halte mich an die Infos, die ich habe und das sage ich auch im Artikel. Selbst wenn es nicht stimmt und Ansari etwas unterstellt wird, ändert es nichts daran, dass Ähnliches tagtäglich passiert und KEINER darüber spricht. Hier ist kein moralischer Zeigefinger. Ich finde es extrem schade, dass selbst bei diesem versöhnlichen Beitrag „bestürzte“ und aggressive Kommentare wie die von dir kommen. Sehr unnötig.

        Viele Grüße!

  3. Danke dir, Amelie, für deine Antwort,
    Ich habe den Satz nicht übersehen, aber der Beitrag ist nicht so vorsichtig geschrieben, wie es der Satz nahelegen würde und der eine Satz selbst rettet das nicht. Die Bilder, die Rhetorik (zwei Beispiele habe ich zuvor genannt, weitere im Beitrag), die Wortwahl; versöhnlich ist darin rein gar nichts. „Er IST schuldig“ ist ein Urteil, eine Verurteilung, und kein zartes „falls die Geschichte stimmt“. Von einer Unschuldsvermutung keine Spur. In deiner Antwort nennst du es: „solche Fälle“. Was sind denn solche Fälle? Sexuelle Belästigung? Ist der Fall Anzari sexuelle Belästigung? Aus der Perspektive des Beitrags und deiner Antwort ist klar heraus zu lesen, dass du das so siehst, das ist deine Meinung. Der Artikel ist aber auch Meinungsmache, der Tatbestand ist keinesfalls geklärt, in dem Artikel hingegen wird er als Präzedenzfall wie bereits abgeschlossen seziert; und er ist einseitig: siehe mein Kommentar zuvor, Seite des Mannes, Seite der Frau; Empathie beginnt dort, wo es unangenehm wird. Empathie bedeutet, da fotzt jemand sein Kind täglich durch die Wohnung und ich kann aufrichtig zu ihm gehen und ihn fragen: „Ist alles in Ordnung mit dir? Ich habe Verständnis dafür, dass du dein Kind fotzt, lass uns aber eine bessere Lösung finden“; hat man diesen sehr mühseligen Standpunkt erreicht, dann darf man vorsichtig versuchen, die Gegenstimmen aus der eigenen Perspektive zu formulieren, was kommt stattdessen? Die weibliche Seite wird umgehend gerechtfertigt, die männliche denunziert – da hilft auch kein „Das ist Quatsch“. „Solche Fälle“ der vorschnellen Beschuldigung und der Empathielosigkeit machen die Bewegung kaputt.
    Natürlich sehe ich auch die Absicht des Artikels, aber dem Artikel fehlt vollkommen das Feingefühl für das, was zwischen den Sätzen und durch die Bedeutungsfelder der Wortwahl stattfindet; die Absicht verschwindet hinter: armes Opfer, schuldiger Anzari, Männer müssen Zeichen lesen lernen, sie sind schlecht erzogen.
    Nimm mir meine harschen Worte bitte nicht persönlich, mir ist an einer aufrichtigen Kritik gelegen, ich möchte niemanden beleidigen. Nach all den Worten möchte ich aber noch eines los werden: Wir finden hier nicht zusammen, das ist vollkommen klar. Mich versetzt der Artikel aber ehrlich in Rage. Wenn ich also kein kompletter Idiot bin, dann gibt es dafür Gründe – und ich finde, du solltest dir über diese Gründe anhand deines Artikels klar werden: „Was könnte ihn so verärgern an meinem meiner Ansicht nach versöhnlichen Artikel?“ Das würde ich mir als Leser wünschen.

    • Hallo Hubsi, umgekehrt genau das gleiche (Empathie auf meiner Seite). Wir vertreten völlig unterschiedliche Standpunkte und werden ganz sicher nicht zusammen kommen – das finde ich sehr schade. Unnötig außerdem, dass du auf Basis meines Artikels unseren Blog beleidigst und sagst, es sei zu viel von einem Blog erwartet, einen in deinen Augen guten Artikel zu formulieren. Du bist anderer Meinung, daran kann ich wohl nichts ändern. Im Aziz Ansari Fall sage ich, dass Ansari schuldig ist, wenn die Situation so passiert ist, wie in dem Artikel beschrieben. Wenn es genau so passiert ist, wie es dort beschrieben wurde, dann hat Ansari schuld, auch wenn er sich im Nachhinein für seine Tat entschuldigt. Wenn es sich völlig anders zugetragen hat, natürlich nicht.

      Es ist wichtig über solche Dinge zu sprechen, da sich sonst nichts verändert. Es werden sehr viele Frauen tagtäglich sexuell missbraucht – unabhängig von Ansari (den ich übrigens eigentlich sehr schätze und alle seine Werke gelesen / gesehen habe) und man muss anfangen, das zu thematisieren.

      Viele Grüße,
      Amelie

  4. Hm, also ich glaube nicht, dass wir sonderlich verschiedene Standpunkte vertreten, aber ich habe mich an diesem „Er IST schuldig.“ auch gestört.
    Dass sein Verhalten, wenn so abgelaufen wie geschildert, komplett daneben ist steht außer Frage, aber ob so ein mit dem Finger zeigen und dieses ständige Beharren auf wer ist Opfer und wer Täter, diese elendige Schuldfrage, irgendwen weiterbringt wage ich zu bezweifeln.
    Mir geht der Artikel auch nicht tief genug. Ja, das Problem wird adressiert und am Ende in einem Satz auf die Ursachen eingegangen – aber die meiner Meinung nach wirklich spannende Seite – Lösungsansätze – wird komplett außen vorgelassen.
    Deshalb langweilien und nerven mich so viele Feminismus/Sexismus bezogene Artikel. Da wird sich seitenlang empört und aufgeregt und ein Schuldiger gesucht (der Mann, die Erziehung, Konventionen whatsoever) und am Ende denkt man sich „aha ok, und jetzt?“. So ging es mir am Ende dieses Artikels auch ein wenig.
    Ich denke ungern in Dimensionen von Schuld aber ich bin einer großer Fan von Verantwortung, von Eigenverantwortung um genau zu sein. Es geht mir hierbei in keinster Weise um victim blaming oder shaming oder wie auch immer diese Begriffe heißen sondern um self-empowerement. Die Frage: Wie lerne ich so in Kontakt mit mir selbst zu sein, dass ich in so eine Situation gar nicht erst gerate? Wie kann ich mich mit meiner Intuition verbinden und mutig und offen mein Unbehagen / meine Grenzen äußern? Wie bekomme ich diese Glaubenssätze aus meinem Unterbewusstsein dass ich irgendeinem Typen irgendetwas schuldig bin und ihm sein Scheißverhalten nicht einfach DIREKT vor den Latz knalle und die Situation verlasse?
    Das finde ich, ist die viel interessantere und wichtigere? Thematik.

    Egal wie beschissen sich dieser Typ verhalten hat – sie hat die Möglichkeit zu einer bewussten Entscheidung, die Situation zu verlassen, gehabt. Dass sie diese Entscheidung nicht treffen konnte, weil da unterbewusste Programme und Ängste abgelaufen sind, ist fatal. Genau da muss meiner Meinung nach angesetzt werden.

    Wir können uns noch so viel empören und Schuldige suchen – wenn wir nicht anfangen Bewusstsein für unsere unterbewussten Verhaltensmuster und Prägungen zu entwickeln und Verantwortung für uns selbst und unser Handeln übernehmen, werden wir uns immer wieder im Kreis drehen.

    Ich würde dir an’s Herz legen dir immer mal wieder deine eigentliche Intension hervorzurufen. Willst du Frauen stark machen und Verständnis fördern / Verbindungen schaffen oder Dampf ablassen und jemandem an’s Bein pissen? (Nicht, dass ich dir unterstelle Letzteres sei hier deine Intension gewesen.)

    Ich fange jetzt übrigens an Frauenkreise zu geben, in denen man sich über solche Dinge austauschen kann und praktische Methoden und Übungen an die Hand bekommt, wie man all das oben aufgeführte umsetzen kann.
    Sollte man eigentlich in der Schule im Sexualkunde unterricht lernen.

    Ich hoffe du beziehst meinen allgemeinen Unmut nich auf dich und verstehst, was ich sagen will ohne dich angegriffen zu fühlen. Mir fällt das manchmal ein wenig schwer bei Themen die mir am Herzen liegen bei einer sachlichen, gewaltfreien Sprache zu bleiben 8-)

    Es kommt jedenfalls von Herzen, ich weiß deine Leidenschaft und deinen Einsatz sehr zu schätzen und ich bin auf deiner Seite.

    xooxxo

    • Liebe Janina, danke für deine Worte. Ich sehe das theoretisch wie du. Dass der Artikel das Problem nur anreißt ist irgendwie klar, da man in einem Artikel nicht das jahrhundertelange Problem der Unterdrückung der Frau aufschlüsseln kann. Aber mein Ziel ist eigentlich in diesem Fall gerade das: Ein Verständnis für die Problematik zu schaffen und ein paar Leser zu der Frage „Und jetzt?“ zu bringen. Denn die Welt verändern werde ich nicht mit meinen Worten, aber bei ein paar Menschen Anstöße liefern. Das ist doch schon mal was.

      Dass bei dem „Selfempowerment“ der Frau, wie du es nennst, angesetzt werden muss, ist genauso richtig, wie dass bei der Geschlechterprägung des Mannes angesetzt werden muss. Beide Geschlechterrollen haben eine stringente Vergangenheit, die aufgebrochen und verändert werden muss, um langfristig Veränderung zu schaffen – in vielen Bereichen. Sex, Job, usw.

      Dennoch muss bis dahin (und das ist nun mal ein Prozess, der über Jahrzehnte dauert) sexuelle Belästigung und Vergewaltigung strenger geahndet werden. Und da sind wir uns ja einig, schätze ich. Im Fall Ansari IST er schuldig, WENN sich die Situation so abgespielt hat, wie beschrieben. Auch wenn er es nicht böse gemeint hat.

      Ansari ist in diesem Fall nur ein Beispiel für viele Männer und Frauen und viele Vergewaltigungs- und sexuelle Belästigungs-Szenarien auf dieser Welt. Es ist wichtig und gut, wenn Frauen an ihrem Selbstbewusstsein und „Selfempowerment“ arbeiten, aber damit ist alleine das Problem nicht aus der Welt geschafft. Man muss an sehr vielen Ecken und Enden anfangen. Ein Schritt davon ist, dass Frauen sagen, was eigentlich hinter verschlossenen Türen passiert. Wann und wie sie sexuell belästigt werden. Wenn es keiner erfährt, wird keiner etwas tun.

      Meine Intention ist deshalb relativ simpel: Ich will ein paar Menschen zum Nachdenken anregen. Ich will, dass ein paar Frauen und Männer da draußen meine Texte lesen und verstehen, dass die Unterdrückung der Frau existiert und dass Feminismus wichtig ist – und das, auch wenn man selbst in seinem unmittelbarem Kosmos nicht unbedingt etwas davon mitbekommt. Viele Frauen verstehen gar nicht, dass sie in ihrem Leben schon mehrmals belästigt wurden – wie sollen sie auch, wenn ihnen beigebracht wird, dass das ihre Schuld wäre, wenn sie es zulässt, und dass sie übertreibt, usw.? Man muss darüber sprechen. Über Ungerechtigkeit und natürlich auch über Lösungsansätze. Ich will über beides schreiben: Über Ungerechtigkeit, Lösungsansätze und auch stärkende, positive Artikel. NUR positive Vibes und Selfempowerment zu schaffen, ohne der Wahrheit und der manchmal auch schmutzigen Realität ins Gesicht zu sehen, ist in meinen Augen nur süßer Instagram-Feminismus. Man braucht die Kombination aus allem. Deine Frauenkreise klingen (unabhängig davon) toll.

      Ich verstehe jedenfalls, was du sagen willst und stimme dir zum Teil zu. Eben, dass du meiner Meinung nach nur einen Punkt, der „angepackt“ werden muss, beleuchtest!

      Schicke dir ganz viel Liebe aus München und sehe dich hoffentlich bald. Freue mich sehr auf dich!

      Liebst,
      Amelie

  5. Tatsächlich bin auch ich etwas ratlos nach diesem Artikel und frage mich ob die Intention deiner Schlussgedanken rein provokativ zur Anregung einer Diskussion sein sollte, was nicht verwerflich ist. Denn nach den leider sehr oberflächlichen, dennoch nicht falschen Anrissen sozialer Konstrukte und deren Konsequenzen, hervorgebracht durch männliche Vorherrschaft, die bis heute nicht aufgebrochen worden sind und defizitärer Empathie und Kommunikation auf beiden Seiten dieses speziellen Falles, möchtest du, wie du geschrieben hast zum nachdenken anregen – zu der Frage: und was jetzt? Und lieferst doch selbst im Artikel deine Antwort: du verhängst ein Schuldurteil und forderst juristische Definitionen und Rechtsprechung, die diesen Fall unumstritten als sexuelle Nötigung einordnen. Bist du wirklich der Ansicht Aziz Ansari sollte vor einem Gericht schuldig gesprochen werden und eine Strafe bis hin zum Freiheitsentzug erhalten? Die Rechtsordnung vor der vor über einem Jahr beschlossenen Reform und der jetzigen Gesetze, Definitionen und Rechtsprechungen betrachtend, wie sähe die für dich optimale Gestaltung aus? Gleichzeitig setzt du ein Bild des weiblichen Wesens in diesem Fall, als juristisch besonders schutzwürdige, nicht-autonome, entmündigende Person gleich, wie etwa Kinder oder Menschen mit kognitiver Behinderung, bei denen Selfempowerment nicht für die Realität, sondern nur für Instagram taugt. Ich weiß nicht, ob es so von dir gemeint ist, der Artikel liest sich so, da die einzige Differenzierung die du triffst offensichtliche und nicht offensichtliche sexuelle Belästigung und sexuelle Nötigung ist. Und implizierst, dass eine genaue Betrachtung des einzelnen Falles bei „nicht offensichtlichen“ nicht notwendig scheint, um ein schuldurteil sprechen zu können, weil verstanden werden soll, dass die Unterdrückung der Frau existiert. Bleibt die rechtsstaatlichkeit da nicht auf der Strecke?

  6. Mhm, was mich etwas stört ist folgendes: Frauen sagen in solchen Situationen nicht nein, da sie durch gesellschaftliche Konditionierung und Werteerziehung sich nicht in der Lage sehen, sich zu wehren. Männer erkennen in solchen Situationen die missliche Lage der Frauen nicht, da sie durch gesellschaftliche Konditionieren und Werteerziehung nicht in der Lage sind das Unwohlsein und unterschwellige Nein zu erkennen. Und darauf dann das Fazit: Frau ist Opfer, Mann ist schuld?

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