ER so SIE so: Nils, Bock auf Sex?

8. Dezember 2016 von in

Foto: Martina Borsche / Flashed News

Sex nervt. Ich möchte „Sex Sucks“ auf ein T-Shirt besticken, es in den Voo Store hängen und von Menschen kaufen lassen, die es nicht ganz verstehen, aber irgendwie ironisch und lustig finden. Sex nervt. In seiner Dauerverfügbarkeit* und seiner Allgegenwärtigkeit. Entweder hat man zu wenig davon oder zu viel, er ist zu langweilig oder zu gut, er dauert zu lange oder ist zu kurz und manchmal denke ich mir, wir alle versuchen ein vorgegebenes Bild von Sex zu erfüllen – wer von der Norm abweicht, hat ihn falsch gemacht. So gesehen war ich erleichtert, als ein Bekannter von mir verkündete, er habe momentan keinen Sex. Was mich weniger erleichtert hat, war die Tatsache, dass er mich zweimal davor versetzen musste, bis er mit mir diese Information mitteilte. Denn, versteh mich nicht falsch, Nils, ich mag Sex immer noch, aber nicht, wenn er mir zwei Kinoabende hintereinander versaut. Das ist mir und dem Film gegenüber respektlos, und seit wann bedeutet überhaupt ein Kinobesuch Sex? Ich dachte, dafür haben wir jetzt Netflix.

Er hat keinen Sex, weil schlimme Trennung, Betrug und so weiter. Ich nicke verständnisvoll, und nachdem Sex vom Tisch ist, können wir endlich ins Kino gehen. In diesem Moment wird mir klar, dass wir gerade klassische Rollen getauscht haben. Er ist davon ausgegangen, dass ich von Sex ausgehe, obwohl er überhaupt nicht will und hatte Angst davor, seine Zweifel mit mir zu teilen. „Sex fühlt sich an wie ein Examen“, erklärt er mir und das war, glaube ich, das erste Mal, dass mir ein Mann erzählt hat, dass Sex manchmal eine Überwindung, eine Hürde oder ein Druck sein kann. Uns wird die ganze Zeit erklärt, dass Männer Sex toll finden, dass sie dauergeil sind, immer können und auch immer wollen. Mit eigentlich jedem. Wichtig ist der Punkt, dass das nicht nur Frauen beigebracht wird, sondern auch Männern. Das führt dazu, dass jener Bekannter von mir früher aufgerissen, betrogen und gevögelt hat wie ein Weltmeister. Und gerade ein „Aufreißer“ wie dieser, vergleicht Sex mit einer Prüfung, die es zu absolvieren gilt. Der Druck kommt dabei nicht von den Frauen, die er herumkriegen will, sondern von ihm selbst, der wiederum aus dem Druck der Gesellschaft entstanden ist. Ein Teufelskreis und ich gebe ehrlich zu, dass ich niemals darüber nachgedacht habe, dass Sex auch gelegentlich Männer nerven könnte (vielleicht würde sich das T-Shirt am Ende tatsächlich verkaufen).

Die Frage ist, wie er sie nervt. Mich nervt er wegen seiner Dauerverfügbarkeit. Egal, wo ich hingehe, egal, was ich mache, ich habe immer das Gefühl, es geht um Sex (wenn auch nur im entferntesten Sinne). In Clubs oder auf Social Media Kanälen und wenn es mal wirklich dringend wäre, müsste man einfach nur Tinder anschmeißen. Meinem Kumpel geht es nicht um die Verfügbarkeit, die zwar da ist, die ihn aber nicht stört. Sondern um den Prüfungsdruck, den er beim Sex mit einer nicht vertrauten Person verspürt. Sie erwartet von ihm, dass er gut ist. Dass der Penis eine gewisse Größe hat, dass er weiß, was er mit seinen Fingern anstellt (It’s a clitoris – not the sphinx!), dass er oral tätig ist, nicht zu früh kommt, aber auch nicht zu spät und dass er sie im besten Fall zum Kommen bringt. Letzteres erwarten viele Frauen nicht mehr, der Ansporn ist aber in so gut wie jedem Mann verankert, der mit einer Frau schläft. Erfüllt er die Kritierien nicht, war der Sex schlecht. Und schuld? Ist der Mann.

Da haben es Frauen beim Sex einfacher. Wir haben keine Penisgröße, die man vergleichen könnte, wir kommen meistens sowieso nicht, an „zu früh“ kommen ist gar nicht zu denken und wenn doch ist das eine positive Überraschung für alle Beteiligten – da ist die Erwartungshaltung eine ganz andere. Wir können in wenigen Punkten beim Sex „versagen“ und uns wurde nicht immer und immer wieder erklärt, dass wir die Beste beim Sex sein müssen. In diesem Punkt ist die nicht vorhandene Erwartungshaltung an die Frau eigentlich recht entspannend. Die Angst der Frau vor Sex ist also tendenziell passiv und die Angst der Männer tendenziell aktiv. Oder? Ist mein Kumpel die Ausnahme? Nils, verspüren mehrere Männer einen Prüfungsdruck beim Sex und wie zum Teufel kriegen wir es hin, dass Sex aufhört, so eine riesige Sache zu sein?

* An alle „Läuft bei dir“-Leser*innen: Schmeiß Tinder an und habe keinen Anspruch. Fertig.

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7 Antworten zu “ER so SIE so: Nils, Bock auf Sex?”

  1. Ich find das T-Shirt eine grandiose Idee und würd´s kaufen! :)
    Und merke gerade beim Tippen, dass es getragen über meinem Baby-Bauch noch eine ganz andere Dimension von Ironie annehmen würde :D Aber ich würde es tragen, weil ich deine Aussage zustimme, mich nervt auch schon länger diese Überpräsenz und konnte sie auch irgendwie nie so ganz nachvollziehen….

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