Geschmackssache: Das Klischee der 70er
Aus verschiedenen Richtungen wurde mir die Ausstellung „Geschmackssache: Mode der 1970er-Jahre“ im Münchner Stadtmuseum empfohlen. Zwar kennt man sich ja so langsam aus mit der Mode aus den verschiedenen Jahrzehnten – aber was ist das nur? Unsere sentimentale Jugend hängt an der Vergangenheit und ist fasziniert von ihr. Und ebenso bin auch ich das – was für mich der Grund war, die Ausstellung zu besuchen.
„Die Siebziger Jahre waren von einem bizarren Stil-Mix geprägt. Kleidung demonstrierte Individualität und Freiheit von Modediktaten, die in gesellschaftspolitischen Prozessen aufgebrochen wurden. Menschen kopierten, kombinierten und kreierten nach ihren eigenen Befindlichkeiten eine Fülle von Kleidungsstilen und verliehen ihrer Sichtweise von Gefühl, Lebenseinstellung und Gesellschaft Ausdruck.“
Wenn auch mich die Einleitung nicht gerade fesselte – schließlich bin ich der Meinung, dass sich der Sinn der Mode von damals zu heute nicht wirklich unterscheidet – freute ich mich nun auf das Kommende. Begrüßt wurde ich von drei netten Hot Pants- Hintern. Ich wollte es wissen: Die wilden 70er Jahre, die Musik, die Szene, die Magazine. Die ersten schwarz/weiß Modefotografien von Regina Relang hingen an den Wänden und deutsche Plakate, die für T-Shirts und Midiröcke warben. Accessoires wie Sonnenbrillen und Hüte, der All-White-Look und schwarz/weiß Streifen waren damals wie heute ein großes Thema und ebenso festgehalten.
Neben den bildlichen Darstellungen gab es echte 70er Jahre Mode zum (normalerweise, in diesem Fall nicht) Anfassen. Schaufensterpuppen präsentierten die Kleider, Röcke, Blazer und Hosen unterteilt in Hippie, Minimode, Eleganz im Alltag, Disco und Haute Couture. Ich fragte mich, ob es denn nun so einfach wäre, die Mode eines Jahrzehnts auf diese Rubriken runterzubrechen. Als ich mich also von den Hippie-Schaufensterpuppen, zu den spießigeren Varianten mit Midiröcken und Pumps, hin zu den knalligen neonfarbigen Flower-Power Kleidungsstücken, über die glitzernde Diskomode hangelte, verstärkte sich meine Vorahnung allerdings: Waren die 70er Jahre wirklich ein einziges Klischee?
Enttäuschung kroch mir in den Nacken. Nicht, weil die 70er nicht mein Stil zu sein scheinen (was sie definitiv nicht sind), sondern weil ich nicht das Gefühl hatte, etwas dazu zu lernen. Lag es eventuell daran, dass sich die Aussteller nicht intensiv genug mit Mode beschäftigten oder gibt es schlichtweg nicht mehr Modisches zu zeigen aus den revolutionären 70ern?
Als ich die ausgelegte französische Vogue durchblätterte kam endlich der gewünschte Aha-Effekt, den ich mir so sehr wünschte. Die an den Wänden hängende Fotografie, die Magazincover des ehemaligen Modeheftes Madame und eigentlich jede Seite der Vogue zeigten mir geballte Ästhetik und Schönheit. Interessant fand ich die Packagings der High-End Beautymarke Clinique, die sich von den heutigen Modellen nahezu nicht unterschieden.
Ich kann es jedem ans Herz legen, die Ausstellung für einen netten Sonntagnachmittag einzuplanen. Große Modefreunde sollten nicht zu viel erwarten, da man nicht mehr aufgeklärt wird, als man es eh schon ist. Die Originalkleider sind markentechnisch neben ein paar Stücken von Yves Saint Laurent und Lanvin uninteressant. Es ist eine Ausstellung, wie sie im Bilderbuch der 70er Jahre stehen könnte, aber vielleicht soll das auch genau so sein. Das Klischee der 70er eben, wie wir sie kennen und lieben.
Münchner Stadtmuseum
St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Di-So 10-18 Uhr
Eintritt 6 Euro / Ermäßigt 3 Euro
5 Antworten zu “Geschmackssache: Das Klischee der 70er”
Ich wüsst bei solchen Sachen wie „die Mode der 70er“ oder auch „die Mode der 90er“ immer gerne, wie ich mich damals angezogen hätte. Weil wenn ich mir so ansehe, was heute in der Werbung für Kleider gezeigt werden, dann trifft das ja auch nicht umbedingt auf meinen Kleiderstil zu?
Und wenn man dann in 40 Jahren eine „die Mode der 10er“-Ausstellung macht („10er“, das sieht komisch aus), was wird man dann wohl zeigen?
Ganz recht, genau das frage ich mich auch. Ich kann, oder vielleicht möchte ich auch nur, mir nicht vorstellen, dass es mit der Mode damals wie heute so einfach wäre. Man schiebt sämtliche Kleidungsstücke in drei unterschiedliche Schubladen und tadaa, das war die Mode von damals. Das ist doch alles viel komplexer.
Ich weiß nicht obs Milli mal erwähnt hat, aber ich mach grad den Dress&Textiles Histories Master in Glasgow. Unsere Kursleiterin ist die Kuratorin für Textilien und Kostüme der Glasgow Museums und die hat uns erzählt, dass sie jedes Jahr losziehen muss und bei High Street Läden der Stadt sozusagen ausgewählte „repräsentative“ Stücke für die Nachwelt kaufen muss für die Sammlung. Das ist genauso komisch. Irgendwie hängt ja alles von tausend verschiedenen Einzelstilen ab und die Entscheidung was man da dann kauft, ist echt alles andere als leicht. Ich weiß nicht obs in Deutschland auch irgendwo so gemacht wird wie hier in UK, aber soviel zur Frage was man dann wohl zeigen wird :)
Schön, Christina – genau das habe ich versucht in meinem Artikel zu erklären. (Und ja, die Milli hats mir erzählt :) ) Es wirkt so, als ob die Veranstalter keine Ahnung von Mode hatten, sondern einfach Teile genommen haben, die halt aus der Zeit waren. Das hat für mich leider herzlich wenig mit Mode zu tun. Und in der heutigen Zeit ist das ja noch gleich drei mal schwieriger, repräsentative Stücke rauszusuchen. Wie soll das denn bitte funktionieren?
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