The Talk: Lost zu sein ist gar nicht so romantisch

6. Mai 2019 von in

Ich befinde mich gerade irgendwo dazwischen. Zwischen dem Traum, auf ewig Peter Pan zu bleiben und der Realität, die meinen Platz irgendwo zwischen 9-5 mit Filterkaffee am Büroschreibtisch und Steuererklärungen vorsieht. In meinem Kopf gibt es nur diese beiden Optionen, die sich beide nicht richtig anfühlen.

Im Kindergarten wollte ich Bäuerin werden, mich in blauen Latzhosen gekleidet um möglichst viele Pferde und Hunde kümmern; in der Grundschule dann Lehrerin, natürlich eine von den Guten; in der Mittelstufe schwankte ich zwischen der Hotellerie, freier Kunst und Philosophie. Ich wollte ganz dringend erwachsen sein, unabhängig und ständig auf Achse.

Als ich dann ständig auf Achse war, immer zu neuen Abenteuern aufbrach, fühlten eben jene sich nicht mehr nach Freiheit, sondern nach Rastlosigkeit und Unruhe an.

Irgendwo dazwischen bin ich auf der Strecke geblieben, zusammen mit den Fragezeichen und Widersprüchen in meinem Kopf.

Als ich in einem Hotel arbeitete, am Anfang natürlich, um „Menschen ein Zuhause zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen“, war ich schnell schockiert davon, wie Menschen je nach Größe ihres Bankkontos in verschiedene Klassen gesteckt werden. Von diesem System will ich kein Teil sein, aber dieses System ist überall.

Mit jedem weiteren Gedanken, jedem angefangenen und abgebrochenem Studium, jedem schlecht bezahlten Praktikum, jeder Frage von Verwandten „Na, hast du schon was neues?“, falle ich weiter zurück. Möglichkeiten gibt es viele, vielleicht zu viele, aber niemals genug Zeit, um alles auszuloten.

Ich fühle mich fehl am Platz, weiß nicht wohin ich will.

Wie soll ich etwas folgen, das ich lange nicht mehr meinen Traum nennen kann, von dem ich nicht weiß, wie es aussieht, was es ist und wo es ist? Das fühlt sich beschissen an. Ich will so viel und doch irgendwie nichts so richtig. Das ist nicht „Young, wild and free“, das ist deprimierend, scheiße und betäubend. Weil man mit der Freiheit, der Jugend und der Kraft nicht weit kommt, wenn man nicht weiß, wohin man überhaupt will.

Klar weiß ich, dass das Ziel und die Orientierung nicht auf mich treffen werden wie ein Blitzschlag; aber ich habe auch nur vergeblich auf ein kleines Gewitter gewartet. Ich bin lost und das ist nicht mehr cool oder aufregend, auch wenn es so viele Möglichkeiten offen hält. Mit jedem weiteren Gedanken fühlt es sich so an, als würde eine Chance nach der anderen verschwinden. Denn man hat nicht ewig Zeit, auch ich nicht. Identitätskrise hin oder her. Was machen wir jetzt? Jetzt, wo wir noch jung sind und doch so viele Möglichkeiten haben?

Ich befinde mich seit meinem Abiball irgendwo dazwischen, zwischen der Weltreise und dem bequemen Bett meiner besten Freundin, zwischen Kunst und Magie und dem Wissen, dass beides nicht reichen wird, um meine Miete zu zahlen.

Das, was ich weiß, ist: Ich will für meine Großeltern da sein solange sie noch da sind, eine Ausbildung machen, vermutlich erstmal nicht wieder studieren, ich möchte irgendwann Geld verdienen und mich später nicht dafür hassen, heute so leichtsinnig und naiv gewesen zu sein.

Ich will Ziele haben und dafür kämpfen, auch wenn ich jetzt noch keinen blassen Schimmer habe, was das sein könnte. Ich will nach Hause kommen, zuallererst in mir und bei mir und mich mit meinen Entscheidungen wohlfühlen, egal wie „richtig“ oder „falsch“ sie den Menschen um mich herum erscheinen. Am allermeisten aber will ich mir meinen kindlichen Idealismus bewahren, dass es irgendwo in dieser spießigen, kaputten und wunderschönen Welt einen Platz nur für mich gibt.

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