Coffee Break: Das Körpergefühl

7. Juni 2015 von in

Der Sommer ist endlich in der Stadt und mit ihm die Zeit der kurzen Kleider, noch kürzeren Shorts, ärmellosen Shirts und bauchfreien Tops. Das Thema Zufriedenheit mit dem eigenen Körper spielt plötzlich wieder eine ganz große Rolle, wie Antonia vor ein paar Tagen auch schon in ihrer Sportkolumne festgestellt hat.

Ich hatte diese Woche viel Zeit, in sämtlichen Freibädern Münchens herumzuliegen, zu lesen und Menschen zu beobachten: Dieser Moment, in dem man so unauffällig wie möglich sein T-Shirt über den Kopf streift und der blasse Oberkörper das erste Mal im Jahr die Sonne erblickt. Der unsichere Gang Richtung Kiosk – nur im Bikini – und die ständigen Blicke nach unten Richtung Brüste, Bauch, Beine. Eigentlich verbringt man die Hälfte des Freibadtages damit, seinen Körper zu begutachten.

Als ich so darüber nachdachte, fiel mir niemand in meinem Freundeskreis ein, der mit sich so richtig zufrieden ist. Jungs genauso wie Mädchen, auch wenn die vielleicht weniger darüber sprechen. Da ist niemand, der sich seine Beine/Arme/Bauch nicht noch dünner/flacher/muskulöser wünscht – und das ist echt gar keine gute Quote. Ich frage mich, ob das schon immer so war oder ob diese Nicht-Zufriedenheit mit seinem Körper in unserer Generation besonders ausgeprägt ist.

Das Internet macht das Sich-in-seinem-Körper-Wohlfühlen ja auch nicht gerade einfacher: Überall sehen wir hübsch zurechtgemachte Menschen mit perfekten Figuren. Wahrscheinlich merken wir schon gar nicht mehr, wie viele halbnackte Körper wir uns täglich auf Instagram, Facebook und Tumblr ansehen und bei jedem dünnen Oberschenkel, flachen Bauch und muskulösen Oberarm unser „Ach, eigentlich ist alles gut an mir“-Gefühl ein bisschen kleiner wird.

Im Idealfall hat man heute eine Thigh Gap, trotzdem noch einen voluminösen Twerk-Po und mittelgroße, perfekt stehende Brüste. Das Internet gibt uns das Gefühl, dass alle so aussehen. Ganz einfach, weil fast alle, die sich im Internet zeigen, so aussehen. Was wir dabei gerne vergessen: Hans und Sabine, die seelenruhig neben uns im Freibad liegen und noch nie etwas von Hot Yoga und Detox gehört haben.

Das Schlimmste ist allerdings, dass uns das Internet vorlebt: Du kannst das auch! Und wenn du es nicht schaffst, bist du faul und undiszipliniert. Schau mal, geht doch ganz leicht. Du musst nur joggen gehen und dich wochenlang von Säften ernähren. Du musst nur durchhalten und nicht aufgeben. Und schon siehst du aus wie eine Fitnesstrainerin – trotz 40-Stunden-Woche und erfülltem Sozialleben. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das funktioniert und ich kenne auch niemanden, der ein derartiges Doppelleben führt. Um auszusehen wie eine Fitnesstrainerin, hätte man wahrscheinlich einfach Fitnesstrainerin werden müssen.

Das Gefühl, das aber bleibt: Es könnte alles noch ein bisschen besser sein. Mit unseren Körpern ist es wie mit unseren Lebensläufen – man könnte noch mehr aus ihnen herausholen. Es gibt immer Luft nach oben und garantiert jemanden, der noch besser ist. Und das glaube ich, war bei unseren Eltern und Großeltern anders. Nicht, dass die immer zufrieden waren mit sich, aber sie haben sich nicht in diesem Ausmaß verglichen wie wir – nämlich mit der ganzen Welt – und der eigene Körper wurde neben Karriere und Kind nicht zum weiteren Projekt gemacht, in dem man perfekt sein muss.

Und weil dieses blöde Gefühl eigentlich so gar nicht gut zum leichten Sommer passt, hier ein Gedanke: So gut wie jetzt werden wir wahrscheinlich nie wieder aussehen (alle zukünftigen Fitnesstrainer natürlich ausgeschlossen.) Es wäre also irgendwie sinnvoller und schöner, diese Zeit einfach zu genießen anstatt den halben Tag darüber nachzudenken, was wir an unserem Körper noch optimieren können. Wir sollten den Sommer genießen und uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen – ganz egal, wie dieser aussieht.

Alles von Anjas Serie Coffeebreak 

Facebook // Bloglovin // Instagram // Twitter // Store

Sharing is caring

5 Antworten zu “Coffee Break: Das Körpergefühl”

  1. Dazu habe ich einen tollen Buchtipp:

    „Ich bleib so scheiße, wie ich bin: Lockerlassen und mehr vom Leben haben“

    Danach ist alles nur noch halb so schlimm, obwohl es mich schon vorher nicht übermäßig interessiert hat; ich schau mir die Bilder einfach nicht an.
    Das Meiste ist doch sowieso totaler Fake.

    Origineller ist das Original sag ich mir immer.

    Liebe Grüsse :)

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner