Beziehungs-Fragebogen: Frida, 30 und Nico, 29

18. Januar 2024 von in

Der Artikel ist zuerst im Juni 2023 erschienen.

Wie kann Gleichberechtigung in einer Beziehung aussehen? Wie können Alltagsaufgaben so aufgeteilt werden, dass sich alle damit wohlfühlen? Wie kann mit dem Mental Load des gemeinsamen Lebens umgegangen werden, egal ob man gemeinsame Kinder hat oder noch gar nicht zusammenwohnt?

Für diese Fragen gibt es kein Patentrezept, vielmehr ist jede Beziehung und Familienkonstellation individuell. Ein Austausch darüber, wie verschiedene Paare das Thema Gleichberechtigung in ihrer Beziehung leben, ist daher umso spannender. Deshalb haben wir eine neue Serie gestartet: Den Beziehungs-Fragebogen, der sich um die Themen Gleichberechtigung und Mental Load dreht. Themen, bei denen es kein Richtig oder Falsch gibt, sondern nur ganz viel Austarieren, in sich hineinfühlen und Ausprobieren. Und darüber sprechen, um zu sehen, was sich bei anderen bewährt hat – Vorhang auf für unsere fünfte Folge des Beziehungs-Fragebogens!

Wie heißt ihr, wie alt seid ihr, wie ist der Hintergrund eurer Lebensumstände?

Ich heiße Frida, bin 30 Jahre alt, mein Freund heißt Nico und ist 29 Jahre alt. Wir sind etwas über ein Jahr zusammen, haben keine Kinder, keine Haustiere, dafür aber zwei Haushalte, weil wir eine Fernbeziehung zwischen Ulm und Stuttgart führen. Wir haben uns durch unseren gemeinsamen Arbeitgeber kennen und lieben gelernt. Theoretisch könnte man auch sagen, wir arbeiten zusammen. Da wir aber in unterschiedlichen Abteilungen sind, sind die Berührpunkte überschaubar. Und das ist auch von uns so gewollt, wir sind mit den wenigen Überschneidungen beide fine. Wenn wir wollten, könnten wir wahrscheinlich durchaus mehr Projekte zusammenlegen, sodass wir tatsächlich zusammen arbeiten würden.

Was in der Arbeit aber besonders gut läuft: Wir werden – trotz „Paar-Status“ in der Firma – als Individuen wahrgenommen. Anfangs hatten wir Bedenken, dass unsere Integrität nicht mehr gewahrt wird. Das ist zum Glück nicht so. Wenn wir doch mal mit Kolleg:innen in gemeinsamen Meetings sitzen und unsere jeweilige Meinung gefragt ist, dann äußern wir sie. Auch, wenn sie eventuell gegensätzlich zu der des Anderen ist.

Eine erste Einschätzung: Fühlt ihr euch beide gleichberechtigt in der Beziehung?

Ich habe das Gefühl, wir sind gleichberechtigt in unserer Partnerschaft. Wir ergänzen uns ganz gut in vielen Bereichen. Ein Beispiel: Er kocht unglaublich gerne und übernimmt diesen Part deshalb auch deutlich öfter als ich. Dafür habe ich gerne eine aufgeräumte Küche und kümmere mich deshalb öfter um die Beseitigung des Kochchaos als er.

Was bedeutet für euch Gleichberechtigung?

Bei uns hält es sich die Waage und geht aktuell schon in Richtung 50:50-Verteilung der Aufgaben. Vor allem aus dem Grund, weil unser gemeinsames Verständnis von Gleichberechtigung nicht an gewissen Geschlechterrollen gebunden ist. Ich übernehme genauso vermeintliche „Männeraufgaben“ wie Termine in der Werkstatt für unsere Autos auszumachen, so wie er auch alle möglichen Dinge macht, die oft erstmal der weiblichen Rolle zugeschrieben werden, wie das Putzen oder Einkaufen.

Durch welche konkrete Situation wurde dir Thema Mental Load zum ersten Mal bewusst?

Tatsächlich hatten wir das Thema mit ungleichem Mental Load noch nicht wirklich, da wir zwei Haushalte führen. Wir verbringen zwar jeweils beim Anderen eine gewisse Zeit in dessen Haushalt, aber auch hier würde ich sagen, sind wir nahezu ausgeglichen. Wenn ich zum Beispiel bei Nico bin und vom Home Office aus arbeite, er aber extern Termine wahrnimmt, dann kümmere ich mich um „seinen“ Haushalt: Schnappe mir mal den Staubsauger in der Mittagspause, gehe einkaufen und bereite schon mal alles für’s Kochen vor. Oder auch andersrum, wenn wir bei mir zu Hause sind: ich hänge noch in einem späten Call fest? Er startet schon mal mit dem Ausräumen der Spülmaschine oder wischt Staub.

Was sind jeweils eure Stärken und Schwächen?

Die Stärken von Nico sind meine Schwächen und umgekehrt. Wo er die Ruhe in Person ist, muss ich meinen Puls schleunigst reduzieren. Wo ich mit starkem Rückgrat und Selbstbewusstsein für mich einstehe, hält er sich – fast schon schüchtern – zurück. Hat er die nötige Zuversicht und gesunden Optimismus, scheue ich mich doch hin und wieder vor positiven Gedanken. Wenn er vor lauter Tatendrang mal wieder völlig vergessen hat, sich ein bisschen Pause zu blocken, stehe ich schon mit der imaginären Schaufel zum „Schippen“ bereit.

Wer von euch fühlt sich tendenziell für welche Bereiche mehr verantwortlich?

Unsere Finanzen und Versicherungen sind aufgrund der geteilten Haushalte getrennt, da ist also jede:r für sich selbst verantwortlich. Kochen und Einkaufen sind eher die Vorlieben von Nico, wohingegen ich lieber dann das Aufräumen präferiere. Er kann super gut beim Kochen abschalten und rumexperimentieren – ich esse zwar gerne, die Zubereitung sehe ich aber eher als „notwendiges Übel an“. Kinder haben wir keine.

Wenn es um das Ausmachen von Treffen mit gemeinsamen Freunden und der jeweiligen Familie geht, also das Organisatorische, dann halten wir uns da die Waage – und weil das manchmal recht tricky ist mit dem Planen, in welcher der beiden Städte man wann denn sich befindet, haben wir auch mittlerweile einen gemeinsamen Handykalender, wo wir alles eintragen können.

Wie handhabt ihr eure Finanzen?

Wir haben jeder ein eigenes Konto, ein Gemeinschaftskonto haben wir nicht. Wir laufen sehr gut mit dem „es-hält-sich-die-Waage“-Prinzip. Damit meine ich: wir rechnen nicht jeden Einkauf 50:50 direkt ab, wenn wir etwas bestellen, übernehme mal ich, mal er. Bei größeren Ausgaben, wie etwa im Urlaub selbst, nutzen wir Apps wie Splitwise, um die Kosten für Mietwagen,Tankfüllungen oder Hotels besser überblicken zu können.

Wenn wir mal zusammen wohnen, kann ich mir sehr gut das 3-Konten-Modell vorstellen. Damit habe ich auch in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht und es sichert die eigene finanzielle Privatsphäre.

Am 3-Konten-Modell finde ich besonders praktisch, dass es einem weiterhin ein gewisses Maß an Individualität bietet. Wenn Gehalt, Autorate, Bafög-Abzahlung und solche Dinge alle auf mein Konto laufen, und lediglich eine fest definierte Summe auf das Gemeinschaftskonto fließt, hat man auch deutlich weniger Rumgerechne auf dem gemeinamen Konto. Weil Monat für Monat klar ist, wie viel Geld fix weggeht, wie viel Geld man on top für Ernährung, Essengehen und Sparen überweist. Somit lässt sich transparenter wirtschaften und haushalten. Und man kann auch mal ein Geschenk bezahlen, ohne dass es der andere auf dem gemeinsamen Konto sieht, wenn man es mit dem eignen Geld bezahlt!

Wie sind die Haushaltsaufgaben bei euch aufgeteilt? Gibt es Aufgaben, die immer einer von beiden übernimmt und wenn ja, warum?

Er kocht eher und räumt auf, ich gehe eher einkaufen und putze. Dann gibt es noch besondere Aufgaben, die zum Beispiel er immer übernimmt: Haare aus dem Abfluss entfernen. Ich kann das nicht, da wird mir bockschlecht! Oder wenn man eine Tupperdose im Kühlschrank vergessen hat und den Inhalt im Klo versenken muss…

Beim gemeinsamen Haushalt sind wir uns schon einig, wie alles aufgeteilt werden würde, wenn wir mal zusammen wohnen. Da wir momentan zwei Haushalte parallel führen, wäre es sogar eine Erleichterung, wenn man sich nur noch um einen gemeinsamen hauptverantwortlich kümmern müsste.
Bisher hatte ich nicht das Gefühl, dass jemand von uns innere Unruhe verspürte wegen Haushaltaufgaben. Ich glaube es gibt keine Aufgaben, die wir beide gleich doof finden. Mir ist spontan eingefallen, dass ich zum Beispiel Betten frisch überziehen nicht mag – dafür aber das Abziehen, in die Waschmaschine Stopfen und Aufhängen. Da mein Freund fast zwei Meter groß ist, ist es für ihn ein Kinderspiel, die großen Decken zu überziehen und er macht es deshalb auch gerne, statt dass ich mich abmühen muss. Er mag es nicht so zu staubsaugen und wischt dafür lieber. Da ergänzen wir uns auch wieder sehr gut. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir Schnick-Schnack-Schnuck spielen, falls es mal darum geht, wer denn als nächstes den Müll runterbringt oder das Altpapier wegschmeißen soll.
Über die Aufteilung hinsichtlich Kinder haben wir noch nicht konkret gesprochen. Wir sind uns einig, dass wir mal welche haben möchten und wir sind beide für eine „gerechte“ Elternzeitverteilung. Soll heißen: er möchte nicht der ausschließlich arbeitende Teil sein, und somit viel von seiner Zeit mit Kind verpassen. Und andersrum möchte ich auch nicht ausschließlich Mutter sein, sondern zeitnah wieder in das Berufsleben zurückkehren. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Freund beispielsweise mal vier Wochen am Stück in der Anfangszeit seine Elternzeit nimmt, und dann später nochmal drei Monate. Ich würde mir zumindest wünschen, dass es genauso laufen würde.

Wie laufen soziale Planungen bei euch ab, übernimmt hier einer mehr?

Sehr ausgeglichen. Wir haben beide gefestigte Freundeskreise, die nicht in unseren Wohnorten selbst wohnen. Das heißt, wir gehen eher auf Qualität der Treffen als auf Quantität. Entscheidungen treffen wir nach Absprache, ob es für ein gemeinsames Treffen passt. Manchmal kann es sein, dass etwas kurzfristig dazwischen kommt oder sich bei Freunden etwas ändert – dann geht nur eine:r von uns beiden hin. Das ist aber immer im Einverständnis und auch völlig in Ordnung.

Wie läuft bei euch die Planung von Unternehmungen und Reisen ab? Wer recherchiert, wer plant, wer trifft Entscheidungen?

Da ist Nico definitiv motivierter. Zumindest was kurzfristige oder kurzweiligere Unternehmungen angeht. Größere Reisen, die mehr Planungsaufwand bedürfen, liegen mehr bei mir. Die Entscheidung, wo wir unsere Zeit verbringen wollen, treffen wir gemeinsam. Nehmen wir als Beispiel unseren Jahresurlaub 2022. Ich hatte keine konkrete Vorstellung, wo ich hin möchte, für Nico war klar: Thailand soll es nicht nochmal werden. Wir sprachen über ein grobes Reisebudget für Flüge und Unterkünfte und haben dann gemeinsam recherchiert, was es denn für Dezember für Angebote gibt. Letztendlich ist es doch Mittelamerika geworden und wir hatten einen traumhaften Urlaub.

In welchen Bereichen gab oder gibt es Reibungspunkte?

Reibungspunkte gab es bisher nur dann, wenn wir nicht offen miteinander kommuniziert haben. Wegen Mental Load oder Verantwortungsaufteilung haben wir bisher aber noch nicht gestritten. Wir sind beide sehr feinfühlig und merken schnell, wenn den Anderen etwas beschäftigt. Gleichzeitig verunsicherte das uns jeweils in der Anfangszeit unseres Kennenlernens, es führte zum bekannten Gedankenkarussell und man sponn sich selbst irgendwelche Schlussfolgerungen zusammen.

Wir haben jedoch schnell eine Art Kommunikationskultur entwickelt – communication is key. Und damit laufen wir sehr gut, sodass Reibungspunkte gar nicht erst zu einem handfesten Streit hochkochen können.

Was wir aus vorherigen Beziehungen oder auch aus dem Umfeld erlebt haben: Einige kommunzieren gar nicht miteinander oder reden nur das Nötigste. Andere reden zwar miteinander, aber völlig aneinenander vorbei. Da sind Missverständnisse und Streit eigentlich schon vorprogrammiert. Am Anfang war es auch für uns herausfordernd, bei vermeintlich unangenehmen Themen die eigene Stimme zu finden und die Gedanken so zu äußern, dass sie richtig gemeint, aber auch richtig verstanden werden konnten.

Ein Beispiel: Der Arbeitstag war ultra stressig, den aufgestauten Frust bringt man mit nach Hause, man ist gereizt. Doch anstatt meinen Freund anzupflaumen, der ja nun wirklich nichts dafür kann, haben wir gelernt darüber zu reden. „Wie war dein Tag?“ – eine eigentlich sehr einfache Frage, die aber oft untergeht, weil sie eben fast schon banal erscheint. Dadurch entsteht ein Gespräch, ich kann über das sprechen, was mich beschäftigt, auf neutrale Weise Dampf ablassen, mein Partner weiß, warum ich so genervt war und kann mich unterstützen. Aber selbst, wenn ich keine Muße habe, gerade zu sprechen, kann ich meinem Freund dennoch genau das mitteilen. À la „sorry, mir ist gerade noch nicht nach Reden, ich bin zu gereizt. Können wir nachher sprechen?“. Er weiß, was los ist, ich habe kurz Ruhe und man spricht später darüber.

Ein anderes Beispiel: Wir versuchen unser Bestes, nicht vorwurfsvoll miteinander zu sprechen. Nicht mit dem Finger auf den Anderen zu zeigen im Sinne von „Du hast dieses oder jenes gemacht oder gesagt…“ Besser funktioniert, zu sagen: „Ich habe mich falsch verstanden gefühlt, als du…“ oder „Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, als…“ Somit kommt keiner in die Bredouille, sich rechtfertigen oder verteidigen zu müssen und Diskussionen bekommen gar nicht erst den Auftrieb, um zu eskalieren.

Was würdest du gerne noch verändern, habt ihr Wünsche aneinander oder an euch selbst?

Ich habe den Wunsch, dass wir beide weiterhin keine innere Unruhe oder gar ein stressendes Verantwortungsgefühl entwickeln, was die doppelte Haushaltsführung anbelangt. Und dass wir weiterhin auf Augenhöhe und offen unsere Bedürfnisse kommunizeren!

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