Endometriose: 4 Frauen über ihren Weg, mit der Krankheit zu leben
Endometriose ist eine Krankheit, bei der Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst: im Bauchraum, an den Eileitern, am Eierstock oder auch im Darm. Diese Endometriose-Herde wachsen im Laufe des Zyklus heran, werden wie die Gebärmutterschleimhaut bei der Menstruation abgestoßen, können aber nicht abfließen, sondern verbleiben meist im Körper, können sich entzünden oder zu Verwachsungen führen. Dadurch können sich Zysten bilden, außerdem ist Endometriose mit extremen Schmerzen verbunden. In Deutschland erkranken jährlich etwa 40.000 Frauen an Endometriose, man geht davon aus, dass die Krankheit 8 bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter betrifft.
Doch bis vor einigen Jahren war über die Endometriose noch so wenig bekannt, dass die Krankheit häufig nicht mal diagnostiziert wurde, man wurde mit seinen starken Menstruationsschmerzen eben wieder nach Hause geschickt. Mittlerweile gibt es mehr Wissen über die Krankheit, im nächsten Jahr wird die Endometriose-Forschung sogar mit expliziten Geldern gefördert. Trotzdem fühlen sich viele Frauen nach der Diagnose ziemlich allein gelassen. Denn es gibt häufig nur drei Ratschläge: eine Operation, Einnahme von Hormonen oder der Versuch, schwanger zu werden. Mit Endometriose kann es allerdings schwieriger sein, schwanger zu werden, und eine Linderung ist nur während der Schwangerschaft zu erwarten. Hormone möchten viele Frauen bewusst nicht nehmen, vertragen sie vielleicht auch nicht. Eine Operation kann Endometriose-Herde zwar beseitigen, sie können aber auch wiederkommen. Wenn eine Operation langfristig nicht hilft, kann die letzte Option sein, sich die Gebärmutter komplett zu entfernen, zu der Lena Dunham sich 2018 entschied und in diesem Interview darüber sprach.
Eine Endometriose-Diagnose macht also vor allem eines: Angst. Weil es so wenig Wissen zu dieser Krankheit und wenige Behandlungsansätze gibt, fühlt man sich leicht verunsichert und hoffnungslos. Doch gerade weil Endometriose so viele betrifft, kann der Austausch über den Umgang damit helfen, einen ganz eigenen Weg zu finden. Denn jeder Körper ist anders, und jedem helfen unterschiedliche Ansätze.
Wir haben in der amazed-Community nach euren Endometriose-Journeys gefragt. Hier sind vier Erfahrungsberichte unserer Leserinnen!
Maria, 33
Außerdem hätte ich zu viel Angst und er legte mir eine Behandlung mit Antidepressiva ans Herz. Mit 21 Jahren, einfach so – bei Darmblutungen.
Langsam fing ich an, den gesamten Verlauf zu reflektieren und hatte das Bauchgefühl: Das ist doch nicht normal.
Es wurden Endometrioseherde im gesamten Bauchraum, an den Harnleitern, den Eierstöcken und dem rektovaginalen Raum entdeckt und entfernt. Ebenfalls sind die Herde in den Darm gewachsen, was die Blutungen erklärt.
Ich gebe der Erkrankung heute nicht mehr soviel Raum in meinem Alltag und weiß, wann ich Pausen brauche.
Isabelle, 32
Seit ich denken kann, gehe ich zwei Mal im Jahr zum Frauenarzt, einfach um auf der sicheren Seite zu sein. Ich habe immer mal wieder die Pille genommen und abgesetzt. Rückblickend weiß ich noch: Als die Diskussion aufkam, ob die Pille gut sei, hatte ich einen großen Streit mit meiner Mutter, weil sie wollte, dass ich sie absetze. Am Ende habe ich es gemacht, denn naja, die Fakten sprachen für sich. Ich habe aber immer wieder betont, wie gut es mir mit Pille geht und wie viele Schmerzen ich ohne hatte. Daraufhin hat mir jeder versichert, dass sich das Einpendeln wird, was es aber nicht tat.
Ich glaube, ich kann von Glück reden, dass ich eine Frauenärztin habe, die sehr einfühlsam und aufmerksam ist. Sie hatte mich etwa ein Jahr nach Absetzen der Pille schon einmal daraufhin gewiesen, dass meine starken Unterleibsschmerzen nicht normal sind und ein Hinweis auf Endometriose sein könnten. Ich kannte die Krankheit nur von der traumatischen Leidensgeschichte von Lena Dunham, und aus irgendeinem Grund war ich mir ganz sicher: Nein, so etwas habe ich auf keinen Fall, denn so schlimm ist das ja nicht. Das, was ich habe, ist normal.
Mit etwas mehr Aufklärung in der Schulzeit hätte ich eventuell schon mit Mitte 20 gewusst, dass das nicht normal ist.
Ein weiteres Jahr später wurde bei mir im Februar 2019 bei einem meiner jährlichen Check-ups dann eine drei Zentimeter große Schokozyste festgestellt. Damit war auch ohne OP relativ klar, dass ich Endometriose habe. Im Behandlungsraum habe ich mich noch zusammengerissen und grob verstanden, was meine Optionen sind. Draußen bin ich sofort in Tränen zusammengebrochen, weil ich wusste, das kann jetzt enden wie bei Lena Dunham oder Anna Wilken. Oder ja, was war denn die andere Option? Ich kannte nur Horror-Geschichten und den geringen Wissensstand über eine chronische Krankheit.
Der Rat meiner Frauenärztin war erst einmal abzuwarten, ob die Zyste nicht vielleicht von allein platzt, bevor ich mich einer OP unterziehe. Da meine Mutter am PCO-Syndrom gelitten hat, wusste ich aber, mit Zysten am Eierstock bestand einfach auch die Chance, dass dieser weggemacht werden musste, und das löste pure Panik in mir aus.
29, Single und Endometriose: diese Kombi löste in mir große Trauer aus. Trauer um die Idee einer perfekten Familie, die ich, zumindest zu diesem Zeitpunkt, dachte haben zu wollen.
Also habe ich mir einen Spezialisten gesucht, mich dort durchchecken lassen und mich dann recht schnell für eine OP entschieden. Im Mai 2019 ließ ich die OP vornehmen, nahm vorher wieder die Pille und betete, dass mein Eierstock nicht kaputt ist. Nach der OP stand fest: Ich hatte neben der Zyste am Eierstock noch Endometriose-Herde an der Blase und am Darm, was auf jeden Fall meine Magen-Darm-Probleme erklärte. Doch das Einzige, was zu dem Zeitpunkt für mich zählte: der Eierstock war durchlässig und komplett intakt. Auch sonst sah es wohl gut aus und im Vergleich war es ein harmloser „Befall“. Meine Symptome beschränkten sich allerdings auch auf den ersten und zweiten Zyklustag, bis auf die Probleme mit dem Darm, die hatte ich eigentlich immer.
Rückblickend war die Zeit nach der OP kein Spaziergang. Ich hatte mir nach dem minimalinvasiven Eingriff vorgestellt, super schnell wieder in meinen Alltag zu starten und war etwas schockiert, wie lange es dauerte, bis das der Fall war. Mein Umfeld hatte mehr oder minder Verständnis für meine Situation. Doch auch hier merkte ich recht schnell: Wer etwas Ähnliches nicht erlebt hat, kann oder will mich nicht richtig verstehen. Am schönsten war eigentlich die Reaktion meines Vaters, der mir nach der OP folgendes sagte:
„Isabelle, auch wenn alle sagen, es ist minimalinvasiv: Dein kompletter Bauchraum wurde gelasert, und das ist eine sehr große Fläche. Gib dir und deinem Körper Zeit. Um den Rest machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist. Denk immer daran, deine Mutter hat drei Kinder mit einem Viertel Eierstock bekommen und du hast beide. Das wird, wenn es sein soll.“
Denn was mich am meisten beschäftigt hat, war tatsächlich die Frage: kann ich Kinder bekommen, und muss ich mich jetzt beeilen?
In den Monaten danach hatte ich immer wieder Panikattacken, Wutausbrüche oder bin weinend zusammengebrochen, weil ich solche Angst hatte, dass die Krankheit weiterwächst. Ich habe die Krankheit nicht mehr aus meinem Kopf bekommen. Ich habe mich hilflos gefühlt. Allein und oft missverstanden. Da ich ja Glück hatte, dachte ich oft, dass ich mich nicht beschweren dürfte. Anderen geht es ja viel schlimmer, und daher ist dein Leid nicht so viel Wert wie das der anderen Frauen. Reiß dich also einfach zusammen, dann wird das schon.
Erst habe ich in einem Selbsthilfe-Forum versucht Hilfe zu suchen, allerdings haben mich die anderen Geschichten zu dem Zeitpunkt nur verängstigt. Für mich gab es bei einer chronischen Krankheit wie Endometriose immer nur das „worst case scenario“.
Dann habe ich die Entscheidung gefasst, mir professionelle Hilfe zu suchen und bin in Therapie gegangen. Bis heute die beste Entscheidung meines Lebens.
Ich hatte einen Ort gefunden, an dem ich all meine Ängste, Zweifel und geplatzten Träume besprechen konnte und wurde ruhiger und ruhiger.
Dadurch habe ich mittlerweile meinen Frieden mit der Krankheit gefunden, was sicherlich auch daran liegt, dass für mich ein Langzeit-Einnahme-Zyklus der Pille völlig fine ist. Ich merke von der Krankheit dadurch nichts mehr. Wenn ich mal eine Pillen-Pause mache, dann werde ich zwar daran erinnert, dass es nicht normal bei mir ist. Aber komplett schmerzfrei zu leben und auch bisher keine Zysten mehr zu haben ist nach Aussagen der Spezialisten auf jeden Fall ein Zeichen, dass ich so damit ganz gut leben kann. Ich habe sicherlich immer noch Angst davor, wenn das Thema Kinder doch mal auf den Tisch kommen sollte, allerdings habe ich mit Hilfe meiner Therapeutin auch herausgefunden, dass es für mich nicht mehr essenziell wichtig ist, ein Kind zu haben.
Etwas später habe ich auch für mich entschieden, dass ich es nicht um jeden Preis möchte. Es gibt Frauen, die durch viele Strapazen gehen, um sich diesen Wunsch zu erfüllen und ich habe großen Respekt vor diesen Frauen. Dennoch möchte ich meinen Körper nicht unnötig belasten und mich OPs unterziehen, um ein Kind zu haben. Ich glaube, dass ich diese Entscheidung ohne meine Therapie nicht so hätte für mich treffen können.
Über zwei Jahre nach der OP lebe ich mit meinem aktuellen System schmerzfrei.
Ich gehe regelmäßig zu meiner Frauenärztin, und diese Termine lösen sicherlich immer eine gewissen Unruhe aus, aber im Grunde habe ich durch die Diagnose gelernt auf meinen Körper zu hören und habe ihn besser kennengelernt.
Rückblickend hätte man es kommen sehen können. Neben den Zyklusschmerzen hatte ich sehr niedrigen Blutdruck, habe oft einen Schal um meine Hüfte gebunden getragen – da wo die Zyste saß -, habe auf einer vierwöchigen Indienreise jeden Tag zehn Stunden geschlafen – damals dachte ich natürlich ich sei überarbeitet – und hatte öfter Schwindelanfälle. Am Ende waren die Zeichen schon da, dass etwas nicht stimmt, und ich habe sie einfach ignoriert. Auch wenn ich nicht unbedingt die typischen Symptome hatte, hätte ich besser hinhören müssen. Was das angeht, habe ich mir geschworen, das passiert mir nicht nochmal.
Neben dieser Erkenntnis habe ich von Anfang an sehr offen und viel über Endometriose geredet, aber auch über meine Therapie und dadurch gemerkt: du bist nicht allein.
So viele kennen den Leidensdruck und jeder hat seine eigene Geschichte. Man kann allerdings nur etwas verändern, wenn man drüber spricht. Und als kürzlich endlich die Fördergelder bewilligt wurden habe ich mich richtig gefreut, denn ganz vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung und eine Lösung für diese leider recht teuflische Krankheit.
Eine Antwort zu “Endometriose: 4 Frauen über ihren Weg, mit der Krankheit zu leben”
Vielen Dank für diesen extrem wichtigen Artikel.
Ich kenne das leider nur zu gut: 4 OPs, sehr viele (Schoko)Zysten (die größte 10cm), Endometriose überall, unsägliche Schmerzen und viel mentales Leid. Aber auch: tolle Chirurgen, viel Solidarität von anderen Frauen, die Teilnahme an (hoffentlich bahnbrechenden) Studien und so viel inneren Wachstum. Das macht es natürlich nicht besser, aber ich hoffe so sehr, dass die nächsten Generationen – und bald auch wir – nicht mehr so leiden müssen.
Ganz viel Liebe an meine Endosisters Maria, Isabelle, Lisa und Ela und alle anderen Betroffenen.