„Galeria Arschgeweih“: Warum alle diesen Instagram-Account so lieben

10. Dezember 2019 von in

Innerhalb von gerade einem Jahr erreicht der Instagram-Account „Galeria Arschgeweih“ 200.000 Follower – mit Memes, in denen deutsche Pop- und TV-Stars der 00er-Jahre die Hauptrolle spielen. Auch viele deutsche Kreative folgen „Galeria Arschgeweih“. Wir haben mit ihren Gründern darüber gesprochen, was die Nullerjahre und ihre deutschen Stars so faszinierend macht.
Dieser Artikel von Hella Schneider erschien zuerst auf Vogue.de 

Die 00er-Jahre werden derzeit rauf und runter zitiert – allen voran von Modedesignern, nach dem allgegenwärtigen Nineties-Trend ist das eben der nächste logische Schritt. Doch während (vor allem US-amerikanische) Ikonen der Zeit wie Britney Spears und Paris Hilton gefeiert werden, ist das bei Pop- und TV-Stars aus Deutschland nur bedingt der Fall. Ihre Ästhetik wird all zu häufig als „Trash“ abgetan. Hierzulande tut man sich eben traditionell schwer mit der Verbindung von Kunst und Kommerz.

Die Macher des Instagram-Accounts „Galeria Arschgeweih“ wollen das ändern. Für sie sind „Stars und Sternchen“ (wie es im Boulevard so gerne heißt) der 00er-Jahre wie Jasmin Wagner, Sarah Connor, die No Angels oder auch Kader Loth „pures Gold“. Mit ihren Memes verwandelt „Galeria Arschgeweih“ das „guilty pleasure“ vieler Menschen in eine liebe-, humor- aber auch respektvolle Nostalgie der 00er-Jahre. Und das spricht eben Generation Y und Generation Z gleichermaßen an. Über 200.000 FollowerInnen folgen dem Account mittlerweile.

Im Gespräch mit Vogue erzählen die zwei Macher von „Galeria Arschgeweih“ von ihren liebsten Ikonen der 00er-Jahre, wie für sie TV-Entertainment eine Flucht aus der Dorf-Jugend war, wie sie innerhalb von einem Jahr so viele FollowerInnen bekommen konnten – und dass ihnen bisher nicht bewusst war, dass so viele deutsche Kreative, von Stylisten bis Journalisten, ihnen folgen.

 

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Galeria Arschgeweih ist eine Art Kollektiv, richtig? Woher kennen Sie sich, die den Instagram-Account befüllen?

Wir sind zu zweit, kennengelernt haben wir uns über Instagram – genau genommen sogar über diesen Account. Galeria Arschgeweih: Connecting People. Wir sind quasi das deutsche Nokia!

Wann und aus welcher Laune heraus haben Sie denn Galeria Arschgeweih ins Leben gerufen?

Richtig gestartet haben wir Galeria Arschgeweih im Sommer 2018. Wir sind damals immer wieder über diese klassischen 2000er-Throwback-Accounts gestolpert, beispielsweise @shesvague, @popculturediedin2009, @rememberthishappened. Die setzen sich aber alle nur mit amerikanischer Popkultur auseinander. Wir wollten das deutsche Pendant dazu bieten – und daran erinnern, dass Sarah Connors Frisurenkarussell mindestens genauso legendär ist wie Britney Spears in Juicy Couture.

Mittlerweile erreichen Sie damit über 200.000 FollowerInnen.

Das große Wachstum kam mit den Memes. Wir haben von Anfang an immer mal wieder dieses klassische Twitter-Meme-Format in unseren Feed eingestreut – zuerst nur Fotos, später dann Videos. Irgendwann haben wir gemerkt, dass die am meisten Spaß machen.

 

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Ich nehme an, Sie waren beide in den frühen 00er-Jahren Teenager? Wer waren damals Ihre Idole?

Unsere Liebe für die Nullerjahre kommt daher, dass wir in dieser Zeit groß geworden sind. Unsere Teenager-Jahre bestanden vor allem aus dem typischen Dorfleben, weit ab vom Schuss. Und damit meinen wir nicht die „Gülcan und Collien ziehen aufs Land“-Idylle, sondern harten Tobak: Neben Mopeds frisieren, sinnlosen Jacky-O-Saufgelagen an der Bushalte und Abhängen im Sportverein, weil das nächste Jugendzentrum 30 Kilometer entfernt war, ging für die Jugend halt nicht viel. Und vor allem nicht für uns. Mit Juliette Schoppmann, Kader Loth oder Desiree Nick im TV mitzufiebern, war für uns das ultimative Glücksgefühl. Gleichzeitig haben uns diese drei Frauen beigebracht, worauf es im Leben ankommt: Glamour, Contenance und eine spitze Zunge.

Wie würden Sie die Ästhetik deutscher Pop- und TV-Stars in den 00er-Jahren beschreiben?

Extrem. Sandys blaue Blocksträhnen, messerscharfe Gülcan-Augenbrauen, das LaFee-Schläfentattoo, Hüftjeans von Miss Sixty, Schmetterlings-Tops, der Fransenpony von Bahar, Bebe-Shirts mit dem Strass-Logo, Christina Stürmers Augenbrauenpiercing, generell Ballonmützen, getönte Sonnenbrillen und Arschgeweihe – es war ‘ne geile Zeit, um es mit Juli zu sagen.

Welche von Ihnen finden Sie denn stilistisch am prägendsten?

Die No Angels hatten so viele denkwürdige Looks – damit könnte man glatt ein ganzes Museum füllen. Die „Daylight“-Kleider, die Kampfpilotinnen-Anzüge aus „There Must Be An Angel“, die Blusen-Schlitzhosen-Kombi vom „Now…Us!“-Albumcover, die neonfarbene „Feelgood Lies“-Montur oder das Video zu „No Angel (It’s All In Your Mind)“, das ja eine einzige Andy-Warhol-Hommage war. Generell hatten die No Angels schon eine sehr starke visuelle Identität für eine deutsche Popband. Unvergessen bleiben auch die „No War“-Shirts der Echo-Verleihung 2003.

 

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Das zu feiern, gilt aber irgendwie auch als „guilty pleasure“, nicht? Bei internationalen Stars ist das nicht zwangsläufig so.

Tun wir das? Sehen wir nicht so. Wir glauben jedenfalls nicht, dass es da einen großen Unterschied gibt – eine Kader Loth wird von der Öffentlichkeit ja genauso in die „Trash“-Schublade gesteckt wie zum Beispiel eine Paris Hilton, um jetzt mal ein internationales Gegenstück für Kader zu nennen. In beiden Fällen ist es mehr als schade. Diese allgemeine – und vielleicht auch sehr deutsche – Haltung, alles, was irgendwie Pop ist oder war, direkt mit „Trash“ gleichzusetzen, lehnen wir grundsätzlich ab – ob das jetzt eine empowernde Aussage von Kader oder eine No-Angels-Hymne ist. Wir fragen uns eh immer, warum die guten Songs auf der Party immer auf dem „Trash-Floor“ gespielt werden. Nur, weil etwas Spaß macht, muss es ja nicht gleich niederträchtig sein. Für uns sind die Popstars in unserem Insta-Feed kein „Trash“, sondern pures Gold.

Deutsches Entertainment wird häufig dennoch – sagen wir – anders wahrgenommen… Sie hingegen betrachten es sehr liebenswert.

Wie gesagt, für uns ist deutsches Entertainment nicht per se „trashig“. Die Rahmenbedingungen, in denen sich die Stars damals bewegten, wurden vielleicht oft als künstlich und gescripted wahrgenommen, die AkteurInnen aber waren es nicht – und das wussten sie zu ihrem Vorteil auszunutzen. Das Problem bei „Trash“ ist eher, dass dieser Begriff ja kein Genre beschreibt, sondern eher eine Wertung, und die ist nun mal subjektiv. Wir belächeln die Promis in unserem Feed ja nicht, wir verehren die wirklich.

Wofür stehen für Sie die 00er-Jahre? Und wieso lieben die Generation Y und Generation Z sie gerade wieder so?

Nostalgie funktioniert wahrscheinlich in jeder Generation, weil sie uns diese Heimeligkeit vorgaukelt, diese Sorglosigkeit, die man als Kind gespürt hat, weil man noch keine Erwachsenen-Probleme hatte. Jetzt ist vielleicht gerade ein Zeitpunkt, an dem immer mehr Millennials und Gen Zs diese Probleme zu spüren bekommen – umso lieber flüchten wir uns für ein paar Minuten in diese Vergangenheit zurück. Damals haben wir uns auch keine Gedanken darüber gemacht, wie das wohl auf andere wirken könnte, wenn man etwas gut findet – etwas nur ironisch feiern oder vorsichtshalber als „guilty pleasure“ zu bezeichnen, als müsste man sich für seinen eigenen Geschmack entschuldigen, damit haben wir schon längst wieder aufgehört.

Den ganzen Artikel lest ihr auf Vogue.de!

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