Wir sollten uns nicht von außen beeinflussen lassen
In den Kabinen sind sich die Paare sicher. Sie wollen diesen Mann oder diese Frau heiraten. Innerhalb kürzester Zeit haben sie eine Vertrauensebene geschaffen, eine Basis, von der sie sicher sind, dass sie auch in Zukunft halten wird. Doch dann geht es in die Realität. Die Paare treffen das erste Mal aufeinander, sehen sich – und beurteilen den Menschen nicht mehr nur über seine Worte, sondern über die Optik. Zweifel werden laut. Was denkt meine Familie? Passt dieser Mensch in mein Leben? Ich arbeite bereits, er studiert – wie soll das funktionieren? Und: Was werden nur die anderen sagen? Der Kopf schaltet sich ein, das Herz rückt in den Hintergrund.
Die Sicherheit, vielleicht das kuschlige Traumgefühl der Kabinen entfällt. Jetzt heißt es, nur noch auf das Herz hören und das Gefühl, das man in der Kabine hatte, diese absolute Sicherheit der eigenen Emotionen auch ins reale Leben übertragen. Kleiner Spoiler: Das schafft nicht jeder. Aber Love is blind zeigt: Es sollte uns egal sein, was andere Menschen über uns und den Menschen denken, den wir lieben. (Okay, ausgenommen sind wie immer toxische Beziehungen oder Gewalt etc.). Sagt uns unser Gefühl, dass es der richtige ist, sollten äußere Umstände wie Job, Meinungen oder Geld erstmal egal sein. Denn ist die Basis, eine emotionale Stabilität da, klappt auch der Rest.
Ihr sagt jetzt vielleicht: „Na gut, Antonia, du hoffnungslose Romantikerin, wie soll ich denn mit jemanden zusammen sein, der nur Schulden macht, während ich ein Sparfuchs bin?“ Ich sag’s mal so: Ich hoffe, auch das hättet ihr bereits in der Kabine (oder eben im realen Leben) geklärt und ausgiebig besprochen – und im besten Fall schon vorher für euch entschieden. Mir geht es um die äußeren Umstände, mit denen wir als Verliebte uns schnell nach der ersten Endorphin-Europhie beirren lassen. „Er ist so anders als alle meine Exfreunde.“ „Sie wird meinen Eltern nicht gefallen, da sie nur eine Ausbildung hat“, „Er kommt aus einer anderen Kultur“ oder auch „Sie ist schon zweimal geschieden, was werden nur alle sagen?“. Gedanken, die uns an unseren Gefühlen zweifeln lassen, weil nicht jeder aus dem äußeren Umfeld sofort zur Liebe applaudiert. Liebe ist nicht rational, sie entscheidet nicht nach kulturellem Hintergrund, nach Job oder nach Herkunft – und das beweist Love is blind so wundervoll klar.
4 Antworten zu “Hilfe, ich liebe „Love is blind“ und die Message der Show”
Hi Antonia, hab die Serie auch begeistert durchgeguckt. Ist wirklich gut gemacht und die Grundidee des Kennenlernen ohne Optik ist klasse. Allerdings – und das entkräftete die Grundidee zu einem guten Teil – sind absolut alle Teilnehmer*innen normattraktiv. Und noch eine Anmerkung zu Carlton: seine Aggression fand ich auch schwer zu ertragen. Allerdings hat sich als (schwarzer) Mann mit seinem Outing als bi/genderfluid Liebender in der Sendung sehr verletzlich gemacht und seine Partnerin hat mit ihrer Reaktion genau die Vorurteile bedient (bi = unentschlossen, untreu…), mit denen er vermutlich zu kämpfen hat. Deshalb, das sagte er ja auch hinterher selbst, die extreme Reaktion seinerseits, für die er sich dann entschuldigt hat. Kenny mochte ich auch, aber er trägt als weißer privilegierter Heteromann auch keine solche Last mit sich herum. Sowas sollte man auch bedenken beim Daten und Lieben, finde ich.
Liebe Grüße, Katharina
Liebe Katharina,
da stimme dir bei beidem zu. Das Casting war schon sehr auf normattraktive Menschen ausgelegt, und ja, Carlton hat – gerade bei der Reunion-Folge – auch gezeigt, dass er sehr unter seinem Verhalten und der daraus folgenden Konsequenzen sehr zu leiden hat. Vermutlich war auch die große Unsicherheit sich selbst gegenüber die Folge, dass er so massiv reagiert hat. Aber ja – wie ich unten schreibe – die Zurückweisung war auch keinesfalls fair. Danke für deine Ergänzungen! Liebe Grüße!
Ich habe das auch völlig fasziniert durchgesuchtet, obwohl ich derartige deutsche Formate aufgrund ihrer Unerträglichkeit seit Jahren ignoriere. Der faszinierendste Teil für mich war der, wie viele der (für mich) basalen Lebensthemen/-einstellungen aber offensichtlich eben nicht in den Pods angesprochen wurden. Von Ambers finanzieller Situation bis hin zu Carltons Vergangenheit, bei der meiner Meinung nach nicht sie selbst das Problem war, sondern eher, dass er erst zu diesem „späten“ Zeitpunkt davon gesprochen hat. Ich fand es jedenfalls extrem spannend, habe unzählige philosophische wie psychologische Fragen gewälzt und selten bei einer Sendung so aufrichtig mitgefiebert/den Kopf geschüttelt wie hier :)
Ja, das fand ich auch sehr faszinierend. Dass es eben doch Themen gab, die mancher gescheut hat, trotz aller Vertrautheit anzusprechen. :) Ein sehr spannendes Experiment – und doch darf man natürlich nicht vergessen, eben auch eine Show! Wer weiß, wie viel davon gescripted war? <3