Kolumne: Trinkst du nichts?

7. Juni 2018 von in

„Wie du trinkst nichts?“ Ich nicke, alle Blicke sind auf mir. „Nicht mal ein Glas. Ach komm schon.“ „Nö.“ Ungläubigkeit macht sich breit. Stille. Dann ein „Also, ich könnte das ja nicht, lasst uns anstoßen.“ Das Thema ist glücklicherweise beendet. Ich hebe mein Glas Wasser.

Alkohol hat noch nie eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Auf dem Land war ich immer der Fahrer, später trank ich nur hin und wieder und gehörte ich eher zu der Sorte Menschen, die nach zwei Gläsern Weißwein am Tag darauf einen Schädel hatten. Auch vermute ich immer noch, dass meine Migräne öfter mal mit Wein in Zusammenhang stand. Aber klar: Abends im Sommer mit Freunden schmeckt ein Radler dann eben doch.

Seit meiner Grippe Anfang März trinke ich gar nichts mehr. Erst war es vor allem der Krankheit und den Medikamenten geschuldet, mittlerweile ist es auch ein Experiment. Mein Herz und mein Immunsystem danken es mir. Tatsächlich fällt mir der Verzicht gar nicht schwer. Es ist im Grunde keiner. Ich trinke gerne Wasser, auch mal eine Limonade oder eine Cola. Einzig beim Essen wäre rein aus Geschmacks- und Genussgründen manchmal ein Glas Weißwein wunderbar. Aber auch hier gilt: Es ist kein Muss.

Wie sehr Alkohol jedoch in unserer Gesellschaft verankert ist, merkt man erst, wenn man so gar keinen mehr trinkt.

Ungläubige Blicke erreichen mich, wann immer ich sage, ich trinke nichts. Auf meine Frage im Restaurant, ob sie auch alkoholfreie Aperitifs hätten, stammelte der Kellner: „Also, ja Schorlen.“ Selbst auf Events wird einem ständig zuerst der Alkohol angeboten, das Wasser steht wie der ungeliebte Gast in der Ecke. „Achso, ja klar, ich hole ihnen eines“, während die anderen bereits das zweite Glas Champagner nachgeschenkt bekommen. Die einfache Erklärung „Ich trinke nichts“ wird kaum akzeptiert, das Warum folgt immer hinterher. „Sind Sie schwanger?“ „Ehm nein.“ „Aber warum wollen sie dann keinen Champagner?“ – ich habe es aufgegeben, die Wahrheit zu sagen. Dass ich einfach keinen Alkohol trinken möchte. Ihn schlecht vertrage. Zuviel Diskussionen zieht das nach sich. Stattdessen sage ich oft „aus sportlichen Gründen“ oder „Antibiotika“. Das wird gerade noch so akzeptiert.

Dass Menschen aus verschiedensten Gründen keinen Alkohol trinken, sollte mindestens genauso akzeptiert sein, wie dass man nicht raucht. Mache ich auch nicht, Exotenlevel 100. Allein aus gesundheitlichen Gründen müssen viele Menschen auf Alkohol verzichten, auch Geschmack und Unverträglichkeit können mit reinspielen.

Es gibt noch viel zu tun, an der alkoholfreien Front. Das merke ich momentan, vor allem bei diesem traumhaften Wetter. Der Aperol Spritz gehört irgendwie dazu. Nicht nur, dass das Angebot gerade im Sommer an alkoholfreien und gleichzeitig spannenden Alternativen noch mau ist, auch die Akzeptanz braucht noch ein paar Steps mehr. Viel zu schnell verfällt man in eine Rechtfertigung, warum wieso weshalb. Auch die Fragen können schnell übergriffig sein – denn mal ehrlich: Selbst wenn ich schwanger wäre, möchte ich es vielleicht nicht jedem sagen. Gleichzeitig bringt man sich mit diesem einen Satz „Ich trinke nichts“ aus einer Gemeinschaft heraus – zumindest dann, wenn es zum Thema wird.

Über Gesprächsstoff kann ich mich zumindest in den letzten Wochen nicht beschweren, der Smalltalk läuft, sobald man zum Glas greift – oder eben auch nicht.

Ich bin gefestigt genug, dass ich hier rein nach meinem Wohlbefinden handle, mein jüngeres Ich wäre aber vielleicht weniger sicher – und würde dann trotzdem mal zu einem Glas greifen. Wie schön wäre es also, wenn kein Alkohol genauso toleriert werden würde wie kein Gluten oder kein Fleisch. Macht schließlich keinen Unterschied.

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11 Antworten zu “Kolumne: Trinkst du nichts?”

  1. Ja kenn ich, bei mir macht es der Umstand das ich früher sehr wohl getrunken habe nicht leichter. :D Bei meiner Familie ist es leicht, da bin ich nie über Nacht und muss also heimfahren. Sind die Schwiegereltern meiner Schwester dabei wird regelmäßig die Gerüchteküche danach angeheizt, ich bin schwanger. Auf Partys gibt es immer eine Einheit die dann gerne darüber diskutieren wollen und mir zeigen, dass das Bier doch wunderbar mild und lecker ist, meistens fühlen sie sich dann wie vor den Kopf gestoßen weil ich mich weder dafür rechtfertige noch einsteige in die Gesprächsrunde. Die andere Einheit ist von vornherein vor den Kopf gestoßen weil sie es als Kritik an sich selber sehen und denken ich denke ich bin was besseres und könnte auch ohne Alkohol Spaß haben :D :D. Im Grunde ist es viel einfacher und gleichgültiger: Mir schmeckt es nicht, ich vertrag es nicht, lieg am nächsten Tag flach. Fertisch.
    Auch bin ich bei besonders nervigen Exemplaren (Schwiegereltern meiner Schwester und gleichzeitig die Tratschvögel der Stadt) dazu übergegangen ganz ernst zu sagen: „Ich bevorzuge …(hier setze ich Drogen ein die mir gerade einfallen)“ dann gehe ich einfach mit einem lächeln, natürlich nachdem ich die komplett entfahrenen geschockten Gesichter betrachtet habe.

    • Liebe Katja,
      ich habe schon auch zeitweise getrunken :) aber mir ging es eben wie dir: Egal, wie viel ich trinke, ich vertrage es gar nicht und liege am nächsten Tag komplett flach. Darauf habe ich eigentlich keine Lust – und deswegen lasse ich es jetzt wieder komplett.
      Das mit dem „Ich bevorzuge…“ ist richtig gut, das probiere ich demnächst mal aus – haha!

  2. Liebe Antonia, leider hast Du damit vollkommen recht. Ich war schon seit Teenagerzeiten diejenige die fast nie getrunken hat. Das ist so bis heute. Als ich endlich den Führerschein hatte war es eine Erleichterung, weil man ja eben zumindest sagen konnte „Nein, ich fahre ja noch“. Dein Vergleich zum Nichtrauchen finde ich, ist sehr passend. Alkohol ist ja im Endeffekt genauso gesundheitsschädlich, doch hier ist es ja fast wie eine gesellschaftliche Pflicht mitzumachen. Jedenfalls lass Dich nicht entmutigen! Du bist nicht die Einzige und früher oder später kommt der Wandel in den Köpfen noch ;) LG, Kasia

  3. Stimme ebenfalls komplett zu, und ärgere mich da echt immer wieder. Mal ganz davon abgesehen, dass es neben einfach keinen Alkohol trinken wollen und Schwangerschaft, genügend andere Gründe dafür gibt, die man vielleicht nicht jedem erzählen möchte…. Ich bin übrigens früher auf dem Land auch immer die Fahrerin gewesen :)

  4. Danke für diesen Artikel, du sprichst mir aus der Seele.
    Ich habe vor Kurzem einen alkoholfreien Monat gemacht und die Reaktionen, die mich daraufhin erreichten, haben mich schockiert. Besonders schwer zu akzeptieren, dass ich nach der Arbeit nicht für „nur noch ein Bier“ im Laden bleibe, fiel es meinen Kollegen in der Bar, in der ich arbeite. Mir ging es ungemein auf die Nerven, dass ich mich jedes Mal rechtfertigen musste und anfangs habe ich mich auch noch zur Rechtfertigung verleiten lassen.
    Nach dem alkoholfreien Monat habe ich noch mal zwei, drei sehr alkoholisierte Nächte hinter mich gebracht, die mich nun dazu gebracht haben, für ein ganzes Jahr darauf zu verzichten. Ich habe nun zirka 3 Wochen hinter mir und es fällt mir keineswegs schwer, im Gegenteil – es gefällt mir sogar sehr. Außerdem habe ich beschlossen, entschiedener hinter meiner Überzeugung zu stehen und mich nicht auf sinnlose Diskussionen einzulassen. Die Frage einfach mal umzudrehen und zu fragen, wieso ich denn einen Grund zum Verzicht auf Alkohol bräuchte, hat viele diskutier- und alkoholenthusiastische Gesprächspartner für ein paar Sekunden schweigsam und scheinbar nachdenklich gemacht, schlussendlich führte sie dann zu Akzeptanz.
    Alkohol ist ein fester Bestandteil unserer Kultur geworden, zumindest in Deutschland, und ich sehe es genau wie du, dass wir alle daran arbeiten sollten, dass der Konsum von Alkohol nicht darüber entscheidet, ob jemand als lustig, abenteuerfreudig oder gute Gesellschaft eingestuft wird.

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