Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Warum der September ein besonderer Monat für mich ist
Dieser Artikel ist zuerst im September 2022 erschienen.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, jenes Zitat von Herman Hesse schrieb ich mit 18 Jahren in unser Abi-Jahrgangs-Buch. Ich fand es passend, schließlich neigte sich die Schulzeit zu Ende, und ein Neuanfang stand uns allen bevor. Im Nachhinein muss ich fast über mein naives Ich lachen, denn die wahren Neuanfänge, sie sind nicht meine Stärke. Ich bin ein Gewohnheitstierchen, brauche immer eine Weile, bis ich mich an Veränderungen wage oder diese genießen kann. Starke Brüche im Leben, nochmal alles auf Anfang, auch das habe ich natürlich gemacht. Nur den Zauber spürte ich erst im Nachhinein. Mittendrin waren sie vor allem immer eines: anstrengend.
Gemacht habe ich sie natürlich trotzdem, denn so anstrengend Neuanfänge sind, manchmal sind sie nötig, manchmal selbst gewählt, manchmal eine Erleichterung, hin und wieder auch eine Qual. Vor allem aber immer eines: aufregend, ungewiss, voller neuer Chancen. Und manchmal vielleicht sogar auch zauberhaft. Nicht immer sofort, manchmal vielleicht auch mit der Zeit.
Trotzdem gibt es eine Zeit im Jahr, in der ich diesen Zauber des Neubeginns fast immer spüre. Ja, fast schon mit Vorfreude erwarte. Pläne schmiede, alles auf Anfang, jetzt. Hallo September!
Womöglich liegt es daran, dass gerade in unseren ersten Lebensjahren das Jahr im September (zumindest für alle in Bayern) immer wieder neu beginnt. Kindergarten und Schule starten und für mindestens elf, zwölf Jahre, beginnt in den ersten September-Tagen ein neues Jahr. Und so ist der September für mich seit jeher der Monat des Neuanfangs. Der Moment, in dem ich Lust bekomme, neu zu starten, Kleinigkeiten oder Großes zu ändern, mich neu zu sortieren und das wilde Leben des Sommers hinter mir zu lassen.
Im September lasse ich das wilde Leben des Sommers hinter mir
Es war 2008, als ich im September das erste Mal vor der Universität stand. Die Luft war frisch, die Sonne trotzdem warm. Ich saß vor dem imposanten Universitätsgebäude, meine Einschreibungsunterlagen in der Hand. Ungläubig saß ich ganz alleine, beobachtete das Treiben auf der Ludwigstraße und konnte es kaum glauben: Ich würde in wenigen Wochen hier studieren, einen Neuanfang in einer neuen Stadt wagen und mich voll und ganz den Themen Theater und Film widmen. Neue Leute kennenlernen, eine Wohnung suchen und München eine Chance geben. 15 Jahre sind seitdem vergangen, und trotzdem spüre ich noch heute dieses Kribbeln, diese Vorfreude auf alles, was kommen möge, als ich damals in der ersten Herbstsonne saß, ungewiss, was mich erwarten würde.
Und es war wieder September, als ich mein Leben neu in die Hand nahm. Eine Trennung hatte mein Herz in tausend kleine Teile zerbrochen, der Glaube an Loyalität und Liebe war irgendwo zwischen Umzugskisten und Vergangenem verloren gegangen. Der Sommer war vor allem eines gewesen: schmerzhaft, traurig und wahnsinnig einsam. Wie oft ich an heißen Tagen mit meinen Freundinnen im Restaurant saß, alle bemüht, mein gebrochenes Herz zu heilen, und ich mich doch nur nach Hause wünschte, in das verdunkelte Schlafzimmer. Mit den ersten kühleren Tagen fand ich mich ein, in einer Wohnung, die jetzt meine war, mit Abenden für mich, die ich sonst eigentlich immer genossen hatte. Ich kaufte eine neue Couch, stellte das Schlafzimmer um und mistete aus. Und mit jedem Teil, das ging, mit jeder Ecke, die sich veränderte, mit jedem Tag, der im September verstrich, fand ich zu mir. Der September half mir, mich neu zu sortieren, mein altes Leben loszulassen und anzukommen, in einem Leben, das mir so viel geben würde. Spätestens, als ich eines Abends in der Küche saß, Freunde mir schrieben, ob ich noch in einen Club kommen wolle, und ich mich ganz spontan dazu entschied, bemerkte ich ihn, den Zauber des Neubeginns. Und so ging ich los – und schaute nicht mehr zurück.
Der September half mir, mich neu zu sortieren, mein altes Leben loszulassen und anzukommen, in einem Leben, das mir so viel geben würde.
Und vielleicht ist es auch kein Zufall, dass die Liebe irgendwann vor meiner Tür stand, und ich sie im September reinbat. Nach einem Sommer voller Treffen, der Magie des Ungewissen, und vielen, vielen Gesprächen, war es der September, der besiegelte: Ja, das mit uns, das ist das, was wir beide wollen. Der Sommer war vorbeigezogen, der Herbst klopfte an, und ich war plötzlich ganz unverhofft nicht mehr allein, sondern Hals über Kopf verliebt in diesen einen Mann. Und auch ein kleines bisschen in diesen spannenden, aufregenden und so wunderschönen Neuanfang. Im September nahm ich all meinen Mut zusammen und sprang hinein ins Abenteuer Liebe, voller Hoffnung, dass es der richtige Weg war. Und just in diesem Moment spürte ich ihn wieder, diesen Zauber, den Herman Hesse so gerne beschreibt.
Der September und ich, das ist was besonders. Kein Wunder, nach einem Sommer voller Abenteuer kehrt im September ganz langsam, fast schon subtil, die Ruhe ein. Das Leben, es wird wieder langsamer, weniger turbulent, sondern bewusster. Ich hetze nicht mehr von A nach B, um möglichst jeden Tag auszukosten, sondern lasse mich wieder mehr treiben. Genieße die ruhigen Momente, wusele durch meine Wohnung und nehme mir bewusst Zeit, auszumisten, auszusortieren, aufzuräumen. Auf materieller wie geistiger Ebene. Nehme mir Zeit für mich, meine Umgebung und meine Bedürfnisse. Gehe in mich und überlege: Wie soll der Rest des Jahres sein? Wie war das Jahr bisher? Was habe ich in den vergangenen Monaten vermisst? Und was hat mich der Sommer gelehrt?
Neuanfänge müssen nicht immer groß sein, sie können auch im Kleinen viel bewirken
Die Antworten können große Momente im Leben auslösen. Einen wahren Neuanfang bewirken. Fast wie eine Zäsur, nach einem heißen Sommer. Oder es sind die kleinen Neustarts, die das Leben noch einmal ein bisschen drehen. Fast als wäre der September der Monat, in dem wir nochmal ein neues Jahr feiern. Das Ende des Sommers zelebrieren und mit frischem Kopf in den Herbst starten. Voller Motivation, mit neuen Ideen und Vorsätzen.
Und während mich in manchen Jahren das Leben im September mit voller Wucht mitzog und ich dem Neuanfang mit staunenden Augen entgegenblickte, gibt es die Jahre, in denen ich wieder zum Sport finde, meine Ernährung wieder gesünder halte und wieder mehr Zeit für Freunde finde. Mich plötzlich wieder mit kreativen Dingen beschäftige, die im Sommer liegen geblieben sind, meinen Kleiderschrank einmal komplett auf den Kopf stelle oder die Wohnung umstelle. Vielleicht auch eine Reise wage, einen Tapetenwechsel brauche, für mehr Inspiration und neue Ideen. Neuanfänge müssen nicht immer groß sein, sie können auch im Kleinen viel bewirken. Dann, wenn wir uns auf uns besinnen, durchatmen, uns wieder spüren und neu aufstellen.
Ob es den September braucht, als Neuanfangs-Monat? Nein. Aber es kann eine erfrischende Perspektive sein, vor allem für jene, deren Jahr bis dato vielleicht nicht ganz so wundervoll war. Für mich ist der September immer der Monat, in dem ich mich mutig der Veränderung hingebe. Sie reinlasse, in mein Leben. Aber ob Winter, Sommer oder eben Herbst, die gute Nachricht ist: Neustarten kann man immer. Und mit etwas Glück spürt man diesen ganz besonderen Zauber.
7 Antworten zu “Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Warum der September ein besonderer Monat für mich ist”
So schön geschrieben! Auf den September und Neuanfänge :)!
Wie schön! Bei mir ist es tatsächlich ähnlich. Und seit dem 1.9.22 bin ich mit 28 Jahren endlich, endlich selbstständig – nach 12 Jahren als Angestellte. Ich freue mich so für mich und natürlich für dich gleich mit.
Aww, wie toll. Ganz viel Erfolg :)
Ein so schöner Text.
Danke <3
Danke für diesen schönen Text :)
Danke <3