Next Level Voyeurismus: #Mjunik von RTL II

2. Juni 2016 von in

Der Mensch liebt es, andere Menschen zu beobachten. Zu sehen, wie sie ihr Leben leben, sich streiten, sich lieben, scheitern, aufstehen und lernen. Mit dem Blick auf den anderen kann man sich ablenken, hinweg träumen in die Welt eines anderen. Sein Interesse am Menschen stillen, sich motivieren lassen vom Lifestyle anderer genauso wie sich über jemanden lustig machen, eine Stufe höher stellen. „Oh Gott, sieh nur, da ist mein Leben ja doch noch ganz gut.“ Der Mensch ist Voyeurist – nicht im klassischen Sinne der Definition, aber schaulustig, gaffend, immer auf der Suche nach dem neusten Gossip, den neusten Geschichten und Tratsch.

Mit der Entwicklung der Medienwelt, ging es eine Stufe höher – Big Brother war der Anfang, heute sind es grauenhafte Sendungen wie Schwiegertochter gesucht oder Bauer sucht Frau. Klassismus. Auch Blogs stillen im weitesten Sinne Voyeurismus – das Leben eines anderen verfolgen macht eben Spaß. Umso wichtiger ist es, sich bewusst zu machen, wie viel man preiszugeben bereit ist. Soviel sei verraten: Wir geben nur sehr wenig preis. Andere hingegen alles. Ein Grund, warum Snapchat so erfolgreich ist. Zwar nutzen auch wir Snapchat, fragen uns allerdings nach wie vor: Warum?

Während wir noch nach dem Sinn fragen, hat ein Fernsehsender den Geschäftssinn ausgepackt. Next Level Voyeurismus: die #Mjunik WG von RTL II. Fünf Social Media Influencer aus den Bereichen Mode, Beauty und Fitness leben in einer fertig eingerichteten WG zusammen in München, jedes Zimmer der Protagonistinnen hat eine eigene Farbe. Sie machen das, was sie eh schon die ganze Zeit tun: sich selbst filmen. Jetzt aber halt nicht mehr nur für Snapchat und Youtube, sondern für RTL II You. Bis zur letzten Sekunde gab es nur drei Hauptdarstellerinnen; eigentlich wollte der Medienriese noch ein paar braunhaarige Mädchen in seinem neuen Format sehen. Jetzt sind’s halt doch fünf Blondinen. Jeden Tag finden wir absofort ein Video von den Influencern über ihr Leben, das sie komplett selbst filmen und dokumentieren: Dabei nimmt ihnen die Produktionsfirma einen Teil der Arbeit ab. Sie schneiden, vertonen und setzen das Ganze online auf einen digitalen Fernsehsender. Jeden Tag. Ein genialer Einfall von RTL II – vermutlich war Fernsehen noch nie so billig und gleichzeitig so eine Goldgrube.

Im ersten Moment ändert sich für die Mädels nicht allzu viel. Sie bloggen, leben ihren Lifestyle und filmen sich. Und doch geben sie ihr Leben aus der Hand. Denn komplett irrelevant kann der Inhalt nicht mehr sein, wenn Geld dahinter steckt. Bisher liefen nur zwei Folgen – und doch sieht man, dass geschnitten wird, um Spannung zu erzeugen. Wie real ist dieses Leben dann noch? Kann man dem Charakter, der man gerne wäre (sympathisch, unkompliziert, süß und nett) Stand halten oder wird man am Ende die Zicke oder das Mauerblümchen der Nation? Ein paar Schnitte hier und da und du hast absolut keine Kontrolle mehr darüber, wer du im öffentlichen Fernsehen sein willst. Und das ist der erhebliche Unterschied zwischen Snapchat und RTL II.

Sein Leben für Geld aus der Hand geben? Mutig. Zumindest versprechen die Zuschauerzahlen, dass das Ganze nicht sofort wieder abgesetzt wird. Allein auf Snapchat und Youtube kommen manche mit ihren Follow-Me-Arounds auf „Einschaltquoten“, von denen die öffentlich-rechtlichen Sender träumen. Voyeurismus zieht – und das immer mehr und zwar in allen Medienbereichen.

Wer weiß: Vielleicht läuft alles anders. Vielleicht ist es nicht die Intention von RTL II, durch Drama und Spannung Zahlen zu schreiben und Geld zu machen. Vielleicht wollen sie einer Handvoll Influencern eine Plattform bieten, sich selbst zu vermarkten und ihnen im Rahmen dafür eine große Wohnung in München zur Verfügung stellen. Vielleicht wird sich keiner an Tränen der Mädchen aufgeilen und vielleicht werden wir keine absurd intimen Einblicke in die Leben der Mädchen bekommen. Vielleicht werden sie sich nicht streiten und vielleicht wird es nicht ganz Deutschland amüsant finden.

Aber ihr wisst selbst, wie naiv das klingt.

Screenshot: RTL II YOU

Sharing is caring

6 Antworten zu “Next Level Voyeurismus: #Mjunik von RTL II”

  1. Ihr seid bestimmt nicht naiv. Die Mädels aber sicher auch nicht und gegen Geschäftssinn lässt sich doch nichts sagen. Den hat hier nicht nur RTL II You. Hier wird ein neues Modell ausprobiert, von dem beide Seiten hoffen zu profitieren. Ist legitim, auch wenn man die Mädels zu süß und zu nett findet. Schließlich findet man euch auf Snapchat, obwohl ihr euch noch nicht mal ganz wohl dabei fühlt. Aber wo die Zielgruppe mal ist…

    • Liebe Thea,
      gegen Geschäftssinn lässt sich erstmal überhaupt nichts sagen, der ist wichtig und ohne funktioniert es nicht. Genauso wie wir nicht glauben, dass die Mädels naiv sind. Aber man darf Dinge trotzdem kritisch beobachten und Entwicklungen wie Tendenzen sehen, und sie für sich persönlich einordnen.
      Dass diese Projekt völlig legitim ist, steht außer Frage – und jeder, der sich dafür begeistert, darf das auch tun.

      Natürlich sind wir auf Snapchat. In erster Linie aber nicht, um unsere Zielgruppe zu bedienen (weil ich beispielsweise glaube, dass unsere Leser gar nicht so Snapchat-affin sind), sondern weil wir alle Medienschaffende sind und neue Medien oder Social Media Kanäle spannend und interessant finden. Das Ausprobieren dieser Medien ist wichtig für uns. Gleichzeitig – und das merkt man sicherlich auch bei uns auf Snapchat – nutzen wir das Ganze eher als nettes Gimmick, aber eben nicht als private Reality-Show. Aber auch das hat seine Berechtigung.

      Liebe Grüße!

  2. Auf den Punkt! Kontrolle aus der Hand finde ich auch schwierig bei solchen Dingen. Snapchat liebe ich, aber solchen Formaten kann ich nix abgewinnen.

    Tolle, smarte Gedanken.

  3. puuuh ich denke da spricht vielleicht auch einfach der pure Neid. Die Serie läuft nun schon eine weile und mir gefällts. Die Mädels stellen sich überhaupt nicht bloss und von Big Brother ist da echt keine Spur.
    Aber zum Glück sind ja Geschmäcker verschieden!

    • Liebe Maren,
      da spricht/sprach keinesfalls der Neid. Geschmäcker und Lebensweisen sind nun mal verschieden. Für uns persönlich ist es einfach unvorstellbar, sein Privatleben so zur Schau zu stellen, uns sind Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatleben einfach sehr wichtig, aber das muss jeder für sich entscheiden. Insofern ist das, was die Mädels bei Mjunik (die wir ja auch kennen und schätzen) machen völlig in Ordnung. Gleichzeitig gibt es eine große Zielgruppe, die diese Sendung mag. Verschiedene Blogs und Formate können ja nebeneinander existieren.
      Wenn dir die Sendung gefällt, ist das doch toll.

      Liebe Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner