Coffee Break: Keine Fragen mehr

3. April 2016 von in

Ich glaube, dass eine Beziehung erst dann wirklich vorbei ist, wenn es keine Fragen mehr gibt. Wenn es nichts mehr gibt, worüber die Gedanken in endlosen Bahnen ihre Kreise ziehen können. Und man sich selbst vielleicht schon gar nicht mehr beim Denken zuhören kann, weil man alles bereits hundert, tausend Mal durchdacht hat. Dazu dieses frustrierende Gefühl, dass man auf der Stelle tritt.

Dabei ist jeder Tag, der vergeht und jeder Gedanke, den man irgendwann auflösen kann, ein Fortschritt. Zugegebenermaßen sind es nur sehr kleine Schritte und es wäre manchmal so gut, wenn alles viel schneller gehen würde, aber das tut es nun einmal nicht. Uns fehlt ein bisschen die Geduld zum liebeskummern. Am liebsten wäre es uns, wenn eineinhalb Wochen später schon wieder alles in Ordnung wäre. Auch unsere Freunde haben irgendwann keine Lust mehr, sich immer wieder die selben Dinge anzuhören – verständlich. Mit Liebeskummer ist es mittlerweile wie mit einer Grippe – wenn es nach drei Wochen nicht vorbei ist, solltest du dringend einen Arzt aufsuchen.

Allerdings ist in den seltensten Trennungs-Fällen alles klar. So, dass es nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu fragen gibt. So, dass zwei Menschen in Frieden auseinandergehen ohne zurückzuschauen. Viel öfter kommt es dagegen vor, dass Trennungen einen überraschen – ob man nun der ist, der Schluss macht oder der, der verlassen wird. Dementsprechend ungeklärt und voller Fragen bleibt man zurück.

Manche dieser Fragen könnte der Andere einem vielleicht sogar beantworten. Wenn man ihn noch einmal sprechen würde. Vor allem aber, wenn er dabei ehrlich wäre. Bei anderen ist es sogar gut, wenn sie für immer unbeantwortet bleiben. Unwissenheit ist manchmal wirklich der größte Segen von allen. Auf die meisten dieser Fragen wird es allerdings nie eine Antwort geben. Und das zu akzeptieren und irgendwann einfach hinnehmen zu können, ist eines der schwierigsten Dinge.

Hier einmal ein paar Beispiele aus dem endlosen Fragenkatalog „Trennung“: Hast du mich jemals geliebt? Was war ich denn für dich? Hast du mich betrogen? Warum waren wir darin so gut, wenn wir doch gar nicht zusammenpassen? Warum waren wir dort so mies, obwohl wir uns doch solche Mühe gegeben haben? Weißt du noch dieses eine Mal, als wir dort waren, warum warst du da so? Was habe ich falsch gemacht? Denkst du noch an mich? Hast du jemand Neues? Wenn ja, ist es wie mit uns? Bist du glücklich? Und so weiter.

Darüber wälzt man also ein paar Monate, manchmal Jahre. Und kann dabei zusehen, wie es immer weniger Fragen werden. Bis man irgendwann da sitzt und sich denkt: Du bist eben so, wie du bist. Und ich bin, so wie ich bin. Das waren wir – nicht mehr und nicht weniger. Und warum das alles so lief, ist schlussendlich ganz egal. Dann gibt es endlich keine Fragen mehr.

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6 Antworten zu “Coffee Break: Keine Fragen mehr”

  1. Danke. Beim Fragenkatalog war ich gespannt – und dann „ja, genau!“. Das sind die Fragen in meinem Kopf, die ich noch nicht mal formulieren könnte. Ich liebe den letzten Absatz. Neutral geschrieben; ohne Hass, ohne Schmerz, ohne Verrücktheit. Öffnet mir gerade ein sonniges und positives Fenster aus meiner Sonntagstagträumerei.

  2. Liebe Anja,
    als eigentlich stille Mitleserin muss ich jetzt doch mal etwas loswerden – ich finde Deine Kolumne einfach nur fantastisch, nicht nur in dem WAS, sondern vorallem auch WIE du schreibst… bei jedem einzelnen deiner Posts erkenne ich mich ein Stück weit wieder, und ich kann mir vorstellen, dass das einem Großteil deiner Leserinnen so geht. Du hast das große Talent, die großen und kleinen Gefühle in so einfache Worte zu gießen, dass es niemals kitschig oder profan wird, sondern ganz im Gegenteil bei mir jedes Mal Gänsehaut auslöst. Damn, Du bist echt verdammt gut. Danke dir für den Lesegenuss. Solltest Du jemals ein Buch schreiben – hey, eine Käuferin hättest Du schonma sicher:-)

  3. Sehr schön! Meine Erfahrung ist, daß man oft die Antworten von anderen Menschen bekommt. Ich glaube alles was man wissen muß wir man erfahren und der Rest ist für das weiterleben nicht wichtig.

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