The Talk: Die Crux mit den Beziehungstipps

16. Mai 2019 von in

Eine gute Freundin wurde einst von jemandem, den sie bis dato für einen guten Kumpel gehalten hatte, mit spontanen Zuneigungsbekundungen überrascht, gefolgt von einem Kussversuch und dem anschließend per Whatsapp formulierten Wunsch, von nun an exklusiv so weiterzumachen. Recht überfragt zog sie einige Vertraute zu Rate, um kurze Zeit später eine Auswahl an unterschiedlichsten Reaktionsvorschlägen vor sich zu haben: Von „ist doch süß, sei froh, dass jemand dich so super findet“ über „der checkt doch nicht, dass du nichts von ihm willst“ bis zu „ich würde das einfach ignorieren, bussi mama“ war so ziemlich alles dabei, und sie noch etwas unschlüssiger als davor.

So einige von uns ertappen sich immer wieder dabei, die Meinung anderer zu Rate zu ziehen, wenn es um Gefühle und Beziehungsproblematiken geht. Irgendwie hat das Ganze immer einen faden, wenig locker-flockigen Beigeschmack, aber da sitzen wir dann, und sprechen über Gefühle, statt über Hobbies. Schließlich ist selten etwas so komplex wie die eigenen Gefühle, die mit denen eines Anderen clashen, kurz gesagt: Die Liebe war noch nie unkompliziert und leicht zu verstehen. Wenn es uns dann auch noch schlecht geht und wir die Welt nicht mehr verstehen, zerpflücken wir Verhaltensweisen, Äußerungen und ganze Chatverläufe, um irgendwie schlauer aus allem zu werden – und das nicht nur alleine.

Gemeinsam und mit Hilfe eines Anderen Situationen zu beleuchten, kann natürlich sehr hilfreich bei der Reflexion sein. Eine zweite Person kann, ähnlich wie ein Therapeut, Fragen stellen, auf die wir selbst nicht gekommen wären und uns helfen, die Dinge hinter offensichtlichen Problemen zu erforschen: Wie fühle ich mich eigentlich dabei? Wie fühlt sich der Andere dabei? Was sind Beweggründe, sich zu verhalten, wie man es tut? Und gibt es vielleicht Bedürfnisse, die wir uns bisher nicht eingestehen, oder die wir noch gar nicht bemerkt haben?

Die andere Person kann aber auch, ganz anders als ein Therapeut, ihre eigene Meinung in die Situation streuen. Genau das wollen wir sogar häufig, denn ganz sicher über unsere eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche sind wir auch nicht immer. Und die simple Frage: „Was würdest du tun?“, kann uns Szenarien vor Augen führen, wie es sein könnte. Wie andere Personen mit anderen Voraussetzungen, mit klarem Kopf, der nicht in der Situation steckt und ohne Bedürfnisse, die uns beeinflussen, mit Situationen umgehen würden. Fremde Einschätzungen können uns vor Fehlern bewahren, vor dem Uns-selbst-vergessen und vor dem Einknicken, wenn die rosarote Brille alles Rationale verwabert. Eines müssen wir allerdings dabei beachten: Fremde Meinungen sind genau das, Sichtweisen von außen, die von unterschiedlichsten Einflüssen geprägt sind. Und nicht zwingend unsere eigenen sein müssen.

Gerade in schwierigen Situationen ziehen wir gerne gleich mehrere fremde Meinungen zu Rate, um dann am Ende auch genau so viele verschiedene Szenarien und Ratschläge vor uns liegen zu haben. Und dann wird es kompliziert: Je komplexer die Situation, desto weniger können Außenstehende objektiv darüber urteilen. Anregungen, Einschätzungen und Hinterfragungen sind wichtig und können helfen, unsere eigenen Schlüsse zu ziehen. Doch die Liebe ist am Ende eine Angelegenheit, die nur die zwei beteiligten Personen wirklich in all ihren Facetten wahrnehmen, und die nur sie selbst beurteilen können. Und genau das kann im Wust der vielen subjektiven Meinungen und Ratschläge auch mal untergehen.

Bis zu welchem Grad sind Beziehungstipps also sinnvoll? Ab wann ist es kontraproduktiv, Reaktionen zu analysieren, Verhaltensweisen gemeinsam auf die Goldwaage zu legen und irgendwann vielleicht sogar den Partner vor Freunden zu verteidigen, weil alles eben komplexer ist als ein paar Momentaufnahmen? Wann beziehen wir unsere Freunde zu sehr in unsere eigenen Angelegenheiten ein? Und sind gleichzeitig die, die mit gar niemandem über ihre Beziehungsthemen sprechen, die weniger Reflektierten und die, die weniger vorwärts kommen?

Austausch sorgt für Ehrlichkeit, zu uns selbst und zu unseren Gesprächspartnern. Über Fehler und Probleme zu sprechen, hilft, den Perfektionismusschleier von unseren Beziehungen zu nehmen, und sie als das wahrzunehmen, was sie eben sind: der manchmal auch unbeholfene und holprige Versuch zweier Menschen, miteinander glücklich zu sein. Wie so oft führt das richtige Maß an fremden und eigenen Meinungen, innerer Stimme und großen wie kleinen Gefühlen durch die Höhen und Tiefen unserer Liebesbeziehungen. Am Ende sollten wir lernen, unser eigenes Gefühl wahrzunehmen, losgelöst von allen Ratschlägen und Meinungen. Und gleichzeitig trotzdem all denen danken, die sich in uns hineinversetzen, die mitfühlen, uns verteidigen, sich für uns freuen und mit uns trauern, denn sie alle wollen dabei nur eins: das Beste für uns, und uns dabei an der Hand nehmen, herauszufinden, was das eigentlich ist.

Titelbild: Maja Hattvang

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