Unterschiedliche Bedürfnisse in der Beziehung: 3 Frauen erzählen

19. Oktober 2022 von in

Dass beide in einer Partnerschaft immer dasselbe wollen, ist ziemlich utopisch. Denn auch in einer Beziehung bleiben wir Individuen mit eigenen Bedürfnissen und unserem Charakter, der auch schon davor da war. Gegensätze ziehen sich oft an, und dass beide Parteien völlig gleich sind, ist sicherlich nicht der Inbegriff einer guten Beziehung. Doch je mehr diese ganz eigenen Bedürfnisse von denen des Anderen abweichen, desto mehr Konflikte können entstehen, mit denen man umgehen muss. Unterschiedliche Bedürfnisse können schließlich auch Herausforderungen sein, an denen man gemeinsam wachsen kann, wenn man richtig damit umgeht und viel kommuniziert. Den Anderen verändern und ihm oder ihr die eigenen Wünsche aufzwängen, nur um Konflikten aus dem Weg zu gehen, sollte nie das Ziel sein. Vielmehr ist es wichtig, sich mit den Bedürfnissen der anderen Person ernsthaft auseinanderzusetzen und sie zu verstehen, um gemeinsam damit umgehen zu können.
Mal braucht der oder die Andere mehr Freiraum, mehr Sozialleben, mehr Me Time oder mehr lange Nächte. Mal braucht die eine andere Menschen, um zu entspannen, der andere ruhige Abende zu Hause, ohne ein Wort mit jemandem sprechen zu müssen. Mal wünscht sich einer mehr Sex oder hat bestimmte Vorlieben, die der andere nicht fühlt. Mal hat einer andere Bedürfnisse nach Nähe, wünscht sich mehr gemeinsame Zeit, während der Andere ganz viel Zeit für sich alleine oder mit den eigenen FreundInnen möchte. Oder einer von beiden hat ein Interesse, das der oder die Partnerin einfach nicht fühlt – das kann ein bestimmter Sport sein, die Lust auf Fernreisen, das Stöbern auf Flohmärkten am Wochenende oder das Wandern in den Bergen.. Wie geht man also damit um, wenn sich Bedürfnisse sehr unterscheiden? Und welche Dinge können helfen, besser mit den Unterschieden klar zu kommen?

Wir haben euch nach den unterschiedlichen Bedürfnissen in euren Beziehungen gefragt – 3 Frauen erzählen ihre Geschichte.

Larissa, 36

Die Frage nach unseren unterschiedlichen Bedürfnissen ist bei uns ehrlich gesagt ein Dauerthema, aber wir werden besser und besser in der Auseinandersetzung damit. Das „gemeinste“ bei so unterschiedlichen Bedürfnissen ist meiner Meinung nach, dass oftmals alleine die Äußerung des Bedürfnisses durch einen wie „ich bin Freitagabend verabredet, vor Samstagnachmittag brauchst du nicht mit mir rechnen, das wird länger“ zu Enttäuschung führt und in dem Fall mein Bedürfnis einfach wegwischt. Klar kann ich mir alleine eine so gute Zeit wie möglich machen, aber es ist halt nur die zweite Wahl. Und offen gesagt fühlt es sich manchmal auch erbärmlich an, oder wie vor den Kopf gestoßen, weil man sich damit automatisch als der oder die Abgewiesene fühlt. Gerade am Anfang kam es vor, dass ich meine Enttäuschung nicht gut verbergen konnte. Ich ging davon aus, dass wir, wenn wir uns unter der Woche nicht sehen konnten, logischerweise den ersten Tag mit der Option auf Zeit zu zweit nutzen. Wenn er dann meine Enttäuschung hin anbot, auf den Abend zu verzichten, ist das aber auch ein total giftiges Geschenk.

Einerseits will man nicht, dass der Andere auf etwas verzichten muss. Andererseits hat man aber auch keine Lust, zwar die Zeit zu zweit zu bekommen, die man sich gewünscht hat, gleichzeitig aber zu wissen, dass der andere seinen Abend lieber anderweitig verbracht hätte.

Uns hilft es gerade, bessere Abgrenzung zu lernen. Er muss meinen manchmal überraschten oder traurigen Gesichtsausdruck aushalten, wenn ich sage „klar, mach“. Ich muss über meinen Schatten springen und klar kommunizieren, ich würde dann aber gern am Tag drauf mit dir Zeit verbringen. Ich finde dieses Bedürfnis zu finden und zu verbalisieren echt schwer. Zumindest mir geht es so, dass ich oft gar nicht weiß, was ich genau gerade bräuchte – Aufmerksamkeit, Sicherheit, Geborgenheit, Austausch… Es ist ein Prozess und ich hoffe, wir werden da weiterhin immer besser.

Wir sind seit zwei Jahren zusammen, ich bin schon seit sechs Jahren Mama. Er ist ein „ewiger Junggeselle“ mit der Gewöhnung an eben dieses Zeitbudget, und im November bekommen wir ein gemeinsames Baby. Also stehen große Umbrüche ins Haus, vor allem für ihn, und da machen dann solche Themen nochmal mehr Angst. Er empfindet es jetzt schon als „zu wenig“ Zeit für sich, wenn er sich nur drei- statt sechsmal die Woche total selbstbestimmt durch die Nächte treiben lassen kann. Ich weiß meinen einen Abend alle sechs bis acht Wochen mit Babysitter und Zeit für Freunde oder Konzerte außerhalb der Wohnung als totalen Luxus zu schätzen.

Ich habe extrem damit gehadert, ob unter diesen Vorzeichen ein gemeinsames Baby eine gute Idee ist.

Auf der anderen Seite verstehe ich auch seinen Ansatz, „machen, so lange es noch geht“ rational total. Und finde selbst meinen Wunsch, dass er jetzt schon so lebt, als wäre das Kind bereits da – quasi als Beweis, dass er auch in diesem Setting überhaupt glücklich sein kann – als total unfaire „Bedingung“ für die „Qualifikation“ als Papa. Vertrauen ist also mal wieder das große Zauberwort.

Er geht davon aus, dass dieses kleine Bündel sämtliche Bedürfnisse seinerseits substituieren wird. Ich habe da offen gesagt große Zweifel. Klar, manches relativiert sich, aber man bleibt ja im besten Fall, wer man eben ist. Mir persönlich sind diese 100-prozentigen Mutter- oder Vatertiere, die ab der Geburt glückselig in der absoluten Selbstaufgabe versinken, sogar eher suspekt. Aber vielleicht spricht da auch nur der Neid aus mir, weil ich mir manchmal wünschen würde, weniger eigene Bedürfnisse zu verspüren, um mich mit der Situation besser arrangieren zu können.

Christina, 37

Mein Mann und ich sind seit acht Jahren zusammen, seit zwei Jahren verheiratet und seit eineinhalb Jahren Eltern. Schon immer war Sport sein Leben – und meins überhaupt nicht. Ich gehe mal zum Spinning, mache mal Schwangerschaftsyoga – weil man das ja so macht-, habe mal Boxen ausprobiert, bin aber nie so richtig hängen geblieben. Für mich ist Sport eine Überwindung, die selten bis nie Spaß macht.
Für meinen Mann hingegen ist Sport sein Lebenselixier. Er hat einen Tag pro Woche Restday, sonst geht er zum Hockeytraining, joggt oder geht für Stabis und Co. ins Studio.
Andauernd gibt es bei uns deswegen Diskussionen – aus zwei Gründen:

1. „Beweg dich doch auch ein bisschen“

Oft will er mich zum Sport machen überreden und versteht nicht, warum ich keine Lust habe. „Dafür habe ich das Spinningrad aber nicht gekauft“ – naja, er hat es ja für UNS gekauft und nicht nur für mich. Und es steht eben häufig ungenutzt rum. Mich nervt es enorm, dass er mich immer überreden oder mir ein schlechtes Gewissen machen will – so bringt man mich auch nicht zum Sport. Ich muss es schon selber wollen, und das ist eben seltener der Fall. Ich ignoriere es meistens und er lässt es gut sein.

2. Die Kinderbetreuung

Jeden Morgen verlässt er zwischen 7 und 7:30 Uhr das Haus und geht erst zum Sport, dann zur Arbeit, während ich das Kind übernehme, fertig mache und zur Kita bringe, bevor ich selber an den Schreibtisch gehe. Meistens hat er von 6, 6:30 Uhr an übernommen. Trotzdem bleibt mir der größere Part des Morgens.
Hinzu kommt das Hockeyspielen am Wochenende. Für die Spiele gehen immer drei und mehr Stunden drauf, sodass ich dann meistens den Sonntag alleine auf dem Spielplatz verbringe.

Bin ich davon genervt? Absolut.

Könnte ich am Wochenende auch mal sagen: So, ich bin jetzt den halben Tag weg? Ja – aber ich will das nicht aus Prinzip machen und ärgere mich am Ende trotzdem über diese unfaire Aufteilung.
Was soll ich also sagen. Wir sind eben auf vielen Ebenen absolut unterschiedlich – vor allem aber auf der sportlichen. Im Laufe der Jahre hat sich mein Mann schon unserem gemeinsamen Leben angepasst, vorher war er auch noch als Trainer tätig und das ganze Wochenende unterwegs. Aber es wäre für uns als Team und Paar einfacher, wenn wir eine noch ausgewogenere Variante für uns finden würden.
Trotzdem leben wir seit Jahren so und am Ende sind wir, trotz der Unterschiede, glücklich zusammen. Und ich drücke beide Augen zu, wenn er mal wieder los zum Sport muss und gleichzeitig berücksichtigt, dass ich mehr Schlaf brauche und die Frühschicht mit unserem Kind übernimmt. Es klappt – aber in einer idealen Welt könnte es noch besser klappen.

Charlotte, 39

Ich bin 39, vom Vater meiner Kinder geschieden und war vier Jahre (meist) glückliche Single-Mom. Vor einem Jahr habe ich unverhofft und ohne richtig auf der Suche zu sein meinen Freund kennengelernt. Er hat keine eigenen Kinder. Und ist der erste Mann, den meine Kinder kennengelernt haben, weil ich mir mit ihm wirklich sicher war und bin. Wir haben sehr ähnliche Interessen und sind uns sehr ähnlich, was die Werte angeht. Er liebt die Jungs, beteiligt sich auch am Alltag wenn er da ist – wir wohnen getrennt und wollen das auch nicht ändern – und ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen. Ich kam und komme gut klar als Alleinerziehende. Habe ein gutes Umfeld, arbeite vollzeitnah und der Vater der Kinder nimmt sie relativ häufig am Wochenende und in den Ferien. Was sehr schön ist, weil mein Partner und ich dadurch genug Zeit für uns allein haben. Wir sind dadurch sehr privilegiert, das ist mir bewusst.

Ich habe aber irgendwann gemerkt, dass mir, seitdem ich in der festen und sehr glücklichen Beziehung bin, die Me Time abhanden kam.

Die kinderfreien Tage habe ich meist mit ihm verbracht, was auch schön war. Aber um meinen Alltag wieder stemmen zu können, brauche ich auch ausreichend Zeit ganz für mich allein. Das war insbesondere nach der „Verliebtheitsphase“ ein Thema, aber wir haben viel darüber gesprochen und ich glaube, wir haben inzwischen einen guten Weg gefunden.

Wenn ich Zeit für mich allein brauche, ist das eine Entscheidung für mich und meinen „Energietank“. Das kommt am Ende allen zugute.

Ich bin sehr dankbar, dass wir das gut hinbekommen haben, ich und er unsere Wünsche äußern können und wir gute Lösungen finden. Patchwork hält Herausforderungen bereit, aber die sind lösbar, wenn man miteinander redet. Und übrigens: Auf Tinder kann man auch Beziehungspartner finden. Wir sind das beste Beispiel!

Noch mehr Erfahrungsberichte findet ihr hier

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2 Antworten zu “Unterschiedliche Bedürfnisse in der Beziehung: 3 Frauen erzählen”

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