Berlin Diary: Hilfe, ich muss zu Urban Sports Club

15. Juni 2018 von in ,

Berlin ist polarisierend, alteingesessen, jung, alt, grün, urban, nervig, schön, laut und leise. Die Hauptstadt kann alles sein, was man sich wünscht und ich bin demnach nicht die Einzige, die sich von dem vielfältigen Angebot locken lässt. Was Berlin noch gut kann? Klischees bedienen und Trends wie ein Lauffeuer verbreiten. Aus soziologischer Sicht sehr spannend, aus persönlichem Spaß auch. Denn hier passiert viel und das sehr schnell, das kann einen lahmen Fisch wie mich ganz schön überrumpeln, der versucht, in jedem Gewässer mit zu schwimmen, in dem man gerade halt so schwimmt. Was macht mein ganz persönliches Berlin, meine Bubble, mein gewisser Kreis gerade so? Was mag es? Wen mag es? Und wieso überhaupt?

Thema heute: Mein Berlin geht zum Urban Sports Club.

Ich bin neuerdings recht viel von Pärchen umgeben und das mag sicherlich daran liegen, dass ich in Berlin in den Genuss einer echten, erwachsenen Beziehung gekommen bin und gemeinsam mit meinem Freund in einer richtigen Wohnung lebe, mit einem Zimmer, das wir als Wohnzimmer bezeichnen, zum Beispiel. Mit einem Kleiderschrank, in dem er eine Abteilung sein Eigen nennen kann und naja, Wäsche, die ich nicht mehr nur für mich wasche (und umgekehrt). Das ist aber ein anderes Thema. Viel wichtiger ist eigentlich, dass ich hier in Berlin von Paaren umgeben bin, denn Gleiches gesinnt sich gerne und ein bisschen hat auch der Zufall seine Finger im Spiel, der mich immer und immer wieder über Menschen mit Beziehungen stolpern lässt.

Ob das Eine mit dem Anderen in unmittelbarem Zusammenhang steht, gilt es noch zu recherchieren, doch so langsam scheint es kein Zufall mehr zu sein, dass der Hobbysport Klettern, oder vielmehr Bouldern, ein beliebter Pärchensport ist. Na klar, das machen selbstverständlich auch Singles, und vor allem aber auch die Mitglieder des Urban Sports Clubs, in den gefühlt jeder in Berlin bereits beigetreten ist.

Kein Scherz: Ungefähr eine Stunde, nachdem ich in Berlin angekommen war und zwischen gepackten Kartons den ersten Besuch eines alten Freundes empfang, fiel schon der Begriff, der sich über die kommenden Monate noch viel häufiger einen Platz in gemütlichem Small Talk suchen würde: Urban Sports Club. „Also da musst du dich unbedingt anmelden“, empfahl mir mein Besuch und schon da fühlte es sich an, als hätte ich keine andere Wahl. Schon gleich erklärte er mir das ganze Konzept der sportlichen Elite Berlins, die 60 Euro im Monat für ein Medium-Paket hinblättert und dabei ungefähr jede einzelne Sporteinheit die es gibt auf der Welt, ausübt: „Ah, das klingt ja toll. Ich weiß nur gar nicht, ob ich so viel Sport mache, dass sich das für mich lohnt“, antworte ich aber auch da hat mein Kumpel einen Rat auf Lager: „Aber Amelie“, sagt er kopfschüttelnd und lächelnd, er wirkt irgendwie weise und allwissend in diesem Moment „… du kannst neben dem Besuch unzähliger Yogastudios auch KLETTERN gehen.“. Ach so. Na dann.

Ich war schon mal mit 18 bouldern, als ich ganze zwei Wochen Sozialstunden leisten musste und nach getanem Abwasch ein paar Kletterschuhe in die Hand gedrückt bekam. Ich mochte es. Klettern macht ohne Zweifel Spaß. Aber Inline Skaten macht auch Spaß, und ich habe noch nie gehört, wie jemand in meinem Umfeld mit ähnlicher Begeisterung von seinem letzten Urlaub in Hinterhuglhapfing sprach, in dem man so toll inlinern könnte und dass er sich jetzt neue Inliner kaufe, die noch toller sind und überhaut. Von Inline-Skaten hört man herzlich wenig. Vom Klettern hingegen ziemlich viel, da kann man sich ja kaum retten.

„Seit meine Freundin und ich gemeinsam klettern gehen, ist unsere Beziehung wieder viel besser!“, diesen Satz habe ich seit meinem Berlin-Aufenthalt schon von zwei unterschiedlichen Personen gehört und es überrascht mich nicht, dass ein gemeinsames Hobby auf eine Beziehung heilend wirken kann. Ein Hobby kann übrigens auch ohne Beziehung heilend wirken. Hobbys sind einfach toll und gemeinsam sind sie ebenfalls toll und deshalb geht jetzt also jeder klettern dank Urban Sports Club.

In der Arbeit meines Freundes klettern irgendwie auch alle, und ich wurde von bereits vier unterschiedlichen Personen gefragt, ob ich nicht bald mal mit ihnen bouldern möchte. Ein Freund von mir hat sich neulich von seiner Freundin getrennt und der geht in letzter Zeit deshalb besonders viel klettern. „Einfach, um fit zu bleiben und um abzuschalten. Komm mal mit, das macht echt Spaß. Bist du eigentlich schon bei Urban Sports Club?“, fragt er mich, als wir uns auf einen Kaffee treffen. Ist ja gut jetzt, ich habe es verstanden, denke ich mir und überschlage gleichzeitig meine Termine im Kopf. Wo bringt man da jetzt noch Klettern unter? Ich persönlich gehe nämlich eigentlich auch noch ganz gerne zum Yoga. Das Thema scheint hier mittlerweile keine sonderlich hohe Priorität mehr zu haben.

Vor einer Woche stand ich dann auf einem Event herum und meine neuen Berlin-Bekanntschaften unterhielten sich wieder mal übers Klettern. Ich stand etwas abseits und sprach über etwas anderes, vielleicht waren es die steigenden Mietpreise (auch aktuell), und ein anderer Freund stieg in unserer hitzigen Mietpreis-Rage ein. Am Ende seufzte er dankbar: „Toll, hier in dem Nicht-Kletterer-Kreis fühle ich mich gleich viel wohler. Davon gibt es ja nicht mehr viele.“, und mein Freund und ich sahen uns schief an, denn, naja. Eigentlich hatten wir vor, das nächste Woche einfach auch mal auszuprobieren.

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8 Antworten zu “Berlin Diary: Hilfe, ich muss zu Urban Sports Club”

  1. Sehr, sehr witzig! ;D Das Boulder-Thema gibt es hier in Frankfurt auch. Mein Freund und ich habens auch schon überlegt, aber eher weil wir in Spanien dann richtig klettern wollen – bald gibt es wahrscheinlich Pärchenurlaube, wo man Klettern geht.

  2. Hätte ich mir ja denken können, dass das Konzept aus Berlin kommt, als es bei meinem Arbeitgeber (jung und hip natürlich, so wie ich auch ;) ) in das Corporate Benefit Programm aufgenommen und präsentiert wurde.

  3. Ich bin wahrscheinlich die letzte Berlinerin, die davon noch nie gehört hat. Wahrscheinlich hänge ich mit zu uncoolen Leuten ab, von denen niemand detoxt und bouldert und ironisch Sternzeichen-Tattoos trägt. Danke für den Tipp, ich finde das Konzept super, auch wenn Klettern das letzte ist, was mich aus deren Angebot interessiert.

  4. Sehr sehr schöner Artikel! Komme aus einem „anderen Kulturkreis“ und finde es immer wieder lustig, wie gerne sich die Deutschen den Sport zur Religion machen ;)

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