Der weiße Liberalfeminismus und Sophie Passmann

19. Juli 2022 von in

Fotocredit: @koabeck

Sophie Passmann hat ein Interview gegeben. Die Person, die mit humorvollen Tweets und politischer wie feministischer Instagram-Präsenz bekannt und groß geworden ist, ist nun auch Schauspielerin und Influencerin. Doch wie feministisch kann und will man als erfolgreiche Person des öffentlichen Lebens sein? Wenn es nach Sophie Passmann geht, dann scheinbar nicht (mehr) besonders. Das offenbart Sophie Passmann unverblümt im Interview – und erntet dafür ordentlich Gegenwind, der seit dem Wochenende in den sozialen Medien tobt.

Die Kritik: Passmann, die sich selbst Feministin nennt, steht mittlerweile nur mehr für eine bestimmte, nicht-inklusive Form des Feminismus. Vielmehr für den weißen, liberalen Feminismus, der an sich für mehr Chancengleichheit ist, aber eine Figur in den Mittelpunkt stellt: sich selbst. Die weiße Karrierefrau, die sich gegen Benachteiligung im Job ausspricht, für bessere Karrierechancen plädiert, sich gegen sexuelle Belästigung einsetzt, für „Empowerment“ und mehr ebenso privilegierten Frauen in Machtpositionen. Die Kritik daran: Die Machtpositionen selbst werden wenig hinterfragt, die Verantwortung wird auf das Individuum geschoben, der Kampf ist unsolidarisch und wird alleine oder unter ähnlich privilegierten Gleichgesinnten bestritten – statt die Systeme dahinter zu hinterfragen.

Denn das ist das, was der Liberalfeminismus ist: eine fehlende Auseinandersetzung mit allen Lebensrealitäten abseits der weißen hetero cis und nicht-behinderten Karrierefrau. Intersektionalität bedeutet, jegliche Formen von Diskriminierung wie Klassismus, Rassismus oder Ableismus mitzudenken. Und die Systeme dahinter und die völlig unterschiedlichen Voraussetzungen zu hinterfragen, anstatt nur das Individuum zu sehen, das sich eben alleine durchboxen soll. Oder sich nur auf Karrierefrauen zu beschränken und an den Themen zu arbeiten, die nur ihnen zu Gute kommen.

Das Interview, zeigt eine weiße Autorin, die nicht fassen kann, dass sie Kritik erntet. Sie sieht diese Kritik als persönlichen Angriff an, von dem sie sich unmöglich befreien kann. Ganz so, als würde es nicht reichen, dass sie irgendwann mal nicht-weiße Frauen in Schutz genommen hätte oder einst mit ihnen befreundet war. Und da ist doch schon das Problem, das alle Personen haben, die Teil einer Dominanzgesellschaft (in dem Fall: weiß, hetero, nicht-behindert, cis) sind und einfach nicht wahrhaben können, dass sie etwas falsch machen, da sie womöglich nicht inklusiv genug handeln.

Und ehrlich gesagt weiß ich nicht mal genau, ob Passmann in dem Interview etwas falsch gemacht hat – oder ob sie sich von nun an ehrlich als die liberale Person framen möchte, für die sie so lange kritisiert wurde. Eine erfolgreiche weiße cis Frau, die Identitätspolitik abtut als eine Entscheidung von Journalist*innen, „die an irgendeinem Punkt entschieden haben, dass Erfahrungen gleichwertig sind mit Fakten.“ Eine, die mit dem „Politik-Scheiss“ nichts mehr zu tun haben möchte, da sie die einzige ist, die von dem politischen Kampf profitiert. Und das stimmt ja sogar, schließlich profitiert am Ende eines erfolgreichen Buches oder einer erfolgreichen Show eben sie und nicht die zu wenig repräsentierten Personen, um die es eigentlich gehen sollte.

Doch das Wort „Politik-Scheiss“ steht repräsentativ für eine Person, die keine Lust mehr hat, sich mit ihrem Privileg auseinander zu setzen. Denn auch, wenn es stimmt, dass Passmanns Erfolg in erster Linie der Marke Passmann etwas gebracht hat, so könnte sie ja auch etwas daran ändern und aus ihren Fehlern lernen. Stattdessen hat sie irgendwie aufgegeben. Das finde ich schade, da Aufgeben auch keinen Raum mehr lässt für den Versuch, sich zu bessern. Stattdessen erzählt Passmann im Interview von MyTheresa, Farfetch und Instagram-Explore als persönliche Wohlfühlorte sowie von YouTube-Kanälen, in denen „alte Männer Wein trinken“. Erst einmal habe ich nichts gegen alte weintrinkende Männer. Doch klingen all ihre Antworten in dem Interview so kindlich trotzig, dass sie mich eigentlich nicht mehr wütend, sondern traurig machen.

Trotzige Antworten und keine Lust mehr

Ich kenne Sophie Passmann nicht persönlich, doch all ihre Antworten wirken so abgeklärt, als hätte sie aufgegeben. Als hätte sie es ja so lange versucht, doch keine Lust mehr, sich der Kritik der Linken zu stellen. Als hätte sie das Handtuch geworfen und gesagt: „Na gut, dann bin ich jetzt genau die Person, für die ihr mich haltet“. Denn, um es in ihren Worten zu sagen, sie kann sagen was sie will: „es wird die vorgefertigte Meinung dieser Bubble nicht ändern.“. Dabei erwartet doch gar keiner, dass sie gegen die Stimmen von Schwarzen Frauen, nichtbinären Personen und Women of color und die allgemeine Kritik der linken Bubble ankämpft. Sondern, dass sie ihr zuhört und aus der Kritik lernt. Stattdessen framed sie sich als Opfer einer aktivistischen Bewegung, ohne dabei zu reflektieren, dass etwas an der Kritik dran sein muss. Das finde ich schade, denn gerade als Person in der Öffentlichkeit kriegt man verdammt viel unpassenden Hate ab, doch hat auch gleichzeitig die Chance, über sich hinaus zu wachsen und der konstruktiven Kritik am weißen und ignoranten Girl-Boss-Feminismus zu lernen. 

Keiner erntet gerne Kritik und Hate aus den eigenen Reihen. Es ist einfacher, von Personen geoutcalled zu werden, die einen nicht interessieren. Demnach scheint Passmann als Reaktion darauf die berechtigte Kritik abzulehnen. Und das, obwohl gerade sie durch ihre aktivistische Einstellung eine etablierte Person der Öffentlichkeit wurde. Feminismus hat ihr den Ruhm verschafft, von dem sie heute erntet. Diese Früchte zeigen sich in Form von frustrierten Aussagen über die „linke Bubble, der man sowieso nichts recht machen kann“. Es wirkt, als wäre Passmann heute berühmt genug, um sich dem „Politik-Scheiss“ abzuwenden. Und das ist tragisch. Denn hätte sie ordentlich zugehört, Kritik zugelassen und sich reflektiert, hätte sie eine wichtige Stimme für die Linken sein können. Stattdessen war’s ein Satz mit X. 

Mich stimmen Passmanns Worte ehrlich betrübt. Weil ich verstehen kann, wieso viele Menschen of Color keinen Bock auf den Begriff „Feminismus“ haben. Er ist aufgeladen mit den Einstellungen von weißen hetero cis Frauen, die ebenso wie Passmann einen persönlichen Angriff darin sehen, dass sie weißen Liberalfeminismus betreiben, der nur ihnen selbst zu Gute kommt. Passmanns Worte triggern deshalb so viele Menschen, weil sie eben genau für die strukturelle Bewegung White feminism steht, der nur ihr in die Karten spielt. Und im Grunde hat sie mit ihren kühlen Worten genau das zugegeben. Ihre Reaktion darauf ist, dass sie die ernste und wichtige Kritik an ihrem Karriereweg als wahllosen Hate gegen sich selbst betrachtet und alles andere simpel als „Politik-Scheiss“ abtut, der sowieso nichts verändert.

Die sind nicht neidisch, die sind wütend

Die Kritiken als puren Neid zu bezeichnen, erinnert mich nicht nur an die 7. Klasse („Die ist ja nur neidisch“), sie ist schlichtweg falsch. Die sind nicht neidisch, die sind wütend. Denn nicht alle Menschen planen einen Passman’schen Karriereweg hinzulegen. Tatsächlich gibt es viele Personen, denen dieser „Politik-Scheiss“ wirklich wichtig ist und die davon überzeugt sind, dass Identitätspolitik Dinge verändert. Dafür muss man bereit sein, sich selbst und die eigenen Entscheidungen zu hinterfragen. Wenn es daran scheitert, dann ist das ein Trauerspiel. Gerade für eine Person wie Sophie Passmann, die ein Sprachrohr hätte sein können.

Gerade eine Person wie sie, die sich selbst ein bisschen zu oft als „intellektuell“ bezeichnet, könnte es doch so viel besser wissen. Mir geht es hier nicht um Sophie als Privatperson. Ich kenne sie nicht und bin mir sicher, dass sie eine liebe, lustige und nette Person ist. Mir geht es um das Bild, das sie in der Öffentlichkeit von sich framed. Und das ist für mich ein Bild, das sie – so glaube oder hoffe ich – eigentlich nie sein wollte. Eine reine Trotzreaktion sind ihre Worte. Doch in Trotz zu verfallen hilft niemandem – und diesmal nicht mal Passmann selbst. 

Quellen und danke an die Arbeit von:

@quattromilf
@frau_malonda
@ms_thunderrough
@lowerclassjane
@asaldardan
@lowerclassmagazine

Sharing is caring

4 Antworten zu “Der weiße Liberalfeminismus und Sophie Passmann”

  1. Diese ganz Diskussion um white feminism geht mir tierisch auf die nerven. Wie genau bringt diese ganze Disksussion die Gleichberechtigung von Frauen weiter? Auf der einen Seite wird einem als weiße Frau vorgeworfen nicht für Women of Color zu sprechen und dann wird einem vorgeworfen nicht alle Positionen mitzudenken? Stattdessen werden Aussagen von Simone de Beauvoir (die tatsächlich bedenklich sind) aus den 1940ern aufgewärmt, statt sich um heutige Probleme zu kümmern,
    Ich würde es begrüßen, wenn ich hier mal was von Mirna Funk lesen könnte, die mit ihrem Buch „Who cares“ mehr für Frauen gemacht hat, als es diese ganze Diskussion um white feminism je schaffen wird!

    • Die Debatte um White Feminism bringt glaube ich sehr wohl was, und zwar für nicht-weiße Frauen! Ich bin eine weiße Frau und die Debatte führt zB dazu, dass ich meine Verhaltensmuster hinterfrage und noch mehr für die Probleme Schwarzer Frauen einstehen kann, weil ich eben dazu lerne!

  2. Und bitte die Kommentare und dem hier verlinkten Post von malcolmohanwe lesen. Der Post ist bezüglich mehrerer Punkte selbst kritisch, fragwürdig geschrieben und bedient sich misogyner Begriffe…

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner