Diskussion: Wie viel privates Ich steckt in meinem Instagram-Account?

31. Januar 2022 von in

Seit über zwölf Jahren teile ich meine Gedanken und Ideen im Internet. Während ich es zu Beginn vermied, zu viele Informationen oder private Gedanken zu teilen, hat sich das über die Jahre verändert. Mittlerweile spreche ich offen über Erfahrungen aus meinem Leben, teile kleine Life-Hacks und natürlich auch immer wieder meine Gedanken in Kolumnen. Warum? Weil es verbindet. Es schafft Nähe, Authentizität und zeigt: Wir alle gehen doch durch ähnliche Lebensphasen, Krisen oder Momente.

Mir war immer wichtig, eine gesunde Balance zwischen meinem Offline- und Online-Leben zu haben. Sehr private Themen wie Liebe, Trauer oder auch andere Gefühle immer erst dann zu teilen, wenn ich mich sicher fühle. Eine Zeit vergangen ist. Ich selbst die Themen ver- und bearbeiten konnte, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gehe. Aber: Ich wollte eben auch immer authentisch sein, nichts verbergen oder gute Mine zum bösen Spiel machen.

Heute teile ich sehr selektiv privates – auf amazed und Social Media. Auch wenn es spontan, aus einer Laune heraus oder sehr offen wirkt, ich bin mir sehr bewusst, wie viel ich preisgebe. Das Wichtigste für mich: Meine Liebsten um mich herum zu schützen, wichtige Informationen immer erst mit meinem Inner Circle zu teilen, bevor ich damit rausgehe. Und trotzdem: Manchmal passiert es doch, dass mein Umfeld glaubt, mein ganzes Leben finde auf Instagram statt. Ich lächle milde und habe gleich zehn andere Influencer*innen im Kopf, die wahrlich keine Grenzen mehr wahren, aber gleichzeitig erschreckt es mich.

Und so traf mich Arinas Instagram-Story vor zwei Wochen direkt ins Herz. Auf ihrem Account @inlovewithseptember zeigt sie viel Interieur sowie Ausschnitte aus ihrem Leben. Doch damit ist jetzt Schluss! Warum? Darüber haben wir gesprochen und die Frage geklärt: „Wie viel privates Ich steckt in meinem Instagram-Account?“

Arina, deine Instagram-Story zum Thema “Wie viel privates Ich steckt in meinem Instagram-Account?“ hat mich total angesprochen. Du meintest, du möchtest ab sofort nicht mehr so viel „Privates“ auf Instagram zeigen. Warum?

„Was bei dir so los ist, sehe ich ja auf Instagram.“ Diesen Satz habe ich in letzter Zeit einfach zu oft gehört oder gelesen. Gerade, wenn der Satz von Familie oder Freund*innen kam, tat es weh. Mein Tag hat ganze 24 Stunden, eine Instagram-Sequenz maximal 15 Sekunden. Dass Menschen einen über diese kurze Sequenz definieren dauert noch weniger: In einer Sekunde bildet sich jeder seine Meinung. Und hier gehen Wahrnehmung und Realität leider oft auseinander.

Ja, das ist die Krux von Social Media. Ich kenne das. Mir haben auch schon Freund*innen oder Arbeitskolleg*innen gesagt: Ich weiß schon, was bei dir los ist, ich sehe es ja auf Instagram. Und da versuche ich immer direkt „Stopp“ zu rufen. Ja, ich teile Inhalte auf Instagram, ja, ich share vieles – auch Privates. Aber: Diese Inhalte sind alle kuratiert. Ich wähle ganz bewusst Einblicke aus meinem Leben. Aber nicht mein ganzes.

Absolut. Doch je größer ein Social-Media-Account wird, desto größer werden die Urteile, Vorurteile und auch Beurteilung. Jeder glaubt zu wissen, wer du bist, was du machst, was du brauchst und vor allem darfst. Oder auch nicht.

Das glaube ich sofort. Mir wurde schon mal nicht geglaubt, dass ich wirklich krank im Bett liege, weil ich auf Social Media aktiv war. Dass es Content-Planungen gibt und auch Kooperationen, die nicht zu verschieben sind, wird gerne vergessen. Unser amazed-Account ist vieles, nur keine Live-Berichterstattung.

Das kenne ich auch. „Ich habe gar nicht gewusst, dass es dir schlecht ging, das sah in deinen Stories nämlich ganz anders aus“ hat mir schon einmal eine Freundin entgegnet, als ich ihr erzählte, dass ich gerade ein emotionales Tief habe. Ich habe mich erklärt, ihr gesagt, dass ich nicht alle Details meines Lebens auf Instagram preisgeben möchte. Es geht doch nicht jeden an, wie es mir geht? Das teile ich dann doch gerne nur persönlich mit meinen Freund*innen. Aber ich glaube, so richtig verstanden hat sie es nicht.

Ohja, ich glaube, diesen Trugschluss trifft man schnell. Ich habe das Gefühl, manche Menschen melden sich dann weniger, weil sie denken, sie wissen ja sowieso, was gerade bei einem abgeht.

Auf jeden Fall. „Ach, ich sehe doch, was du so machst. Teilst ja alles fleißig bei Instagram.“
Das hörte ich von einem Familienmitglied, als ich fragte, warum es sich so lange nicht gemeldet hat.
Ich fand es schade, dass wir so wenig voneinander mitbekamen und habe mal nachgefragt. Als ich ihr dann von meinen letzten Wochen erzählte, und was ich alles – auch außerhalb von Social Media erlebt hatte – war es schnell still am anderen Ende der Leitung.
Das hatte sie nicht gewusst. Wie auch.

 

 

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Ein Beitrag geteilt von Arina Braun (@inlovewithseptember)

Wie schade. Das ärgert mich. Denn Social Media ist mein und unserer Job bei amazed, doch das Offline-Leben ist mir so viel wichtiger. Wenn sich Freund*innen dann nicht mehr melden, weil sie glauben, alles über mich zu wissen, macht mich das traurig. Ich erinnere mich auch, als ich einmal eine Kolumne über Liebeskummer schrieb, der schon lange überwunden war. Selbst bei dieser schrieben mir Bekannte: „Ist alles okay bei dir?“ Lieb gemeint, aber ich schreibe immer mit Abstand und niemals als Live-Ticker.
Spannend finde ich es übrigens auch, wie neugierig Menschen auf Social Media werden, sobald man etwas privater wird. Ich sage immer: Du kannst ganz bewusst, Teile des Privatlebens offenbaren, irgendwer will immer noch ein bisschen mehr wissen. Und wenn du es nicht sagst, wird sich selbst was ausgedacht oder schlicht geurteilt. Bei amazed haben wir hier zum Glück sehr respektvolle Leser*innen, aber ich mag gar nicht an die ganzen Blogger*innen denken, die bereits Kinder haben. Hier wird wahrscheinlich noch mehr ge- und verurteilt.

Auf jeden Fall. Selbst ich, die ihr Kind gar nicht groß zeigt, bekomme regelmäßig Nachrichten. „Wo ist denn dein Kind? Du bist ja ständig unterwegs“ Da dachte ich nur „Liebe Frauen oder auch Männer dieser Tage. Wir leben im 21. Jahrhundert. Mein Kind hat eine Mutter und einen Vater. Und Beide lieben das Kind sehr, aber sich selbst eben auch und deshalb folgen sie ab und zu der Me-Time-Bewegung, die als völlig selbstverständlich angesehen werden sollte. Ob mit oder ohne Kind. Mein Kind war übrigens zu dieser Zeit in den besten Händen – beim Papa.
Aber die Verurteilung fängt nicht nur bei Müttern an. Ich habe auch schon Sätze wie „So schlecht kann es dir ja finanziell nicht gehen, du gehst ja immerhin ständig Essen oder trinkst hier und da einen Kaffee“ gehört. Dass ich zum Beispiel Geburtstag hatte, einen Moment mit meinen Freund*innen verbrachte oder der besagte Kaffee mal die Rettung war, nach einer schlaflosen Nacht, in der das Kind nicht schlafen wollte, das wusste eben keiner. Aber ich glaube, dass passt dann auch schon lange nicht mehr in das Bild, was sich über einen gebildet wurde, anhand der besagten 15 Sekunden Story.

Eben, man teilt ja doch die schönen Momente, die glücklich machen. Oder eben Themen, die einem am Herz liegen.
Aber eben nicht jedes noch so kleine Lebens-Detail.

Ja, die Krönung waren anonymverfasste Nachrichten a la „Sorry, wir kennen uns nicht, aber kann es sein, dass dein Partner dich verlassen hat? Und wie machst du das jetzt finanziell und mit dem Kind?“ Ich war sprachlos und fing an darüber nachzudenken und wollte schon gar nichts mehr posten, weil es mich so schockiert hat.

Unglaublich übergriffig – und vor allem nicht nett. Denn selbst wenn, eine Trennung ist eine herausfordernde Zeit. Da braucht man Freund*innen, gute Worte und keine neugierigen Spürnasen. Denn niemand hat das Recht, Dinge zu erfahren, nur weil jemand Ausschnitte aus dem eigenen Leben postet.

Exakt. Ich sage immer gerne: „Jeder, den Sie kennen, kämpft in einer Schlacht, von der Sie nichts wissen. Sei immer nett.“
Ein Zitat von Robin Williams.
Ein Zitat, das es nicht besser auf den Punkt bringt, wie man sich auf Social Media verhalten sollte. Woran man denken sollte, wenn man jemanden verurteilen möchte, für das, was er dort postet. Wir bilden unser Urteil auf der Basis von Storysnippets, die – sind wir mal ehrlich – so rein gar nichts über unseren Gegenüber aussagen, lediglich das er sich auf Instagram mitteilen möchte. Hinter dem Account, der Story, dem Feedbeitrag, steckt ein Mensch. Mit Gefühlen wie du und ich. Und keinem Mensch der Welt ist es erlaubt, diese Gefühle zu verletzen, in dem man wertend wird.

Absolut. Zumal man ja auch Einfluss nehmen kann, was man wirklich postet. Welche Informationen man preisgibt – und welche man gerne für sich behält. Bei Maddie von @dariadaria war dieses Thema auch gerade hoch im Kurs. Sie teilt bewusst nicht, wo sie urlaubt oder wie ihr Freund aussieht und auf Social Media heißt. Trotzdem gibt es Menschen, die um jeden Preis alles erfahren wollen. Urlaubsort und Name des Partners in den Kommentaren posten. Ich verstehe die Neugierde, und doch sollte man den Wunsch des Content Creators respektieren. 
Wie kann also eine Lösung aussehen? Einfach nichts mehr Privates auf Instagram posten aus „Angst vor Verurteilung“? Komplett private Informationen raushalten – auch wenn man mit Schmetterlingen im Bauch ein Bild mit Partner teilen will?

Vielleicht. Mich haben all diese Nachrichten, Kommentare und Annahmen dazu getrieben, mein Privatleben weitestgehend aus Instagram rauszuhalten. Eigentlich schade, denn das „Private“ war immer das Herzstück meines Accounts. Neben Interieur. Mit jedem Herzschlag ist der Kanal gewachsen, Follower wurden zu Freund*innen und aus Likes und Kommentaren wurde echter Austausch. Es hat Spaß gemacht, inspiriert und ich habe mich wohl gefühlt. Mich hat das Interesse da mehr gefreut als erschreckt – bis es eben seltsam wurde.
Meine „privaten“ Stories und Eindrücke wurden zerrissen von Menschen, die es hätten besser wissen müssen. Menschen, die mir oft sogar näher standen als die Zuschauer meiner 15 Sekunden Storysnippets, die übrigens nicht meinen ganzen Tag, mein Leben und meine kompletten Gefühle abbilden.

 

 

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Ein Beitrag geteilt von Arina Braun (@inlovewithseptember)

Das ist so schade. Und ich frage mich, ist ob es die richtige Konsequenz ist, dass der Creator seine Inhalte überdenkt. Wäre es nicht viel wichtiger – und richtiger -, wenn man die Menschen spiegelt und ihnen klar macht, dass es eben nur Ausschnitte, kleine Snippets eines Lebens, eines Menschen sind?

Klar, doch für mich ist die Konsequenz klar: Ob ich Kaffee trinke auf dem Isemarkt, eine Bluse kaufe oder mit Freunden beim Italiener bin – bleibt ab sofort erstmal privat. Ob das für immer so bleibt oder nur temporär ist, darauf will ich mich momentan noch nicht festlegen. Irgendwo möchte ich auch optimistisch bleiben und hoffen, dass sich die Einstellung der Social Media Konsumenten nochmal ändert. Und vielleicht ändere ich dann auch meine Meinung wieder und lasse wieder mehr „private“ Momente zu. Ich wünsche mir, dass wir uns auf Social Media füreinander freuen und nicht einfach urteilen – ohne die Person wirklich zu kennen.

Da stimme ich dir zu. Ich teile weiterhin sehr selektiert und bewusst Privates. Weil ich es selbst liebe und in meinen Texten nahbar und authentisch sein will. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass Menschen erkennen, dass ich keine Live-Berichterstattung mache. Wenn ich über Liebeskummer schreibe, ist dieser höchstwahrscheinlich schon eine lange Zeit her. Ansonsten halte ich es nach dem Motto: „Don’t give them the privilege to know everything about you. Just because it’s not posted on social media doesn’t mean it’s not happening.“

Danke an Arina, die sich so spontan dazu entschieden hat, mit mir über das Thema zu diskutieren. Mehr von ihr und ihrer tollen Wohnung seht ihr auf @inlovewithseptember

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5 Antworten zu “Diskussion: Wie viel privates Ich steckt in meinem Instagram-Account?”

  1. Guter Input. Ich lese euren Blog schon seit Beginn und du hast Recht – manchmal muss ich mich daran erinnern, dass das hier Business ist, auch wenn viel Privates mit einfließt… und Texte von euch ja manchmal auch einfach Fiktion oder Stories über andere Menschen beinhalten. Und ist klar, dass ihr Grenzen zieht, nicht permanent teilt bzw. „Live“ seid & nicht auf jeden Kommentar antworten könnt… selbiges gilt für Insta.. sollte aber eigentlich auch den Konsumierenden klar sein… finde ich!

    • Liebe Ella,

      ich glaube, die gesunde Mischung machts :) Es ist ja auch schön, dass so viele Menschen einen über so lange Zeit schon begleiten :) Und wenn dann auch mal liebe Nachfragen kommen oder ähnliches, ist das ja auch per se total was tolles. Nur man muss sich eben bewusst sein, es ist eben immer selektiert. :) Mich wundert es dann persönlich beispielsweise eher, wenn mein Umfeld Texte von mir liest und stutzt, weil eigentlich müssten sie es ja besser wissen :)

      Auf jeden Fall freue ich mich riesig, dass du seit Beginn dabei bist <3

  2. Liebe Antonia,
    tolles Interview und mega interessantes Thema. Ich denke auch oft darüber nach, wo die Grenze für mich ist. Wie viel ich preisgeben kann, soll oder sogar muss, um die richtige Balance zwischen Authentizität und Privatsphäre zu finden. Ich denke auch trotzdem, dass man Dinge auf Sozialen Medien – egal wie intim – trotzdem irgendwie immer nochmal anders preisgibt als bei Freunden/Familie etc. Trotzdem macht man sich natürlich einfach unheimlich verletzlich, wenn man sein Inneres so nach Außen kehrt. Gleichzeitig macht es uns aber auch unheimlich stark, weil die Öffentlichkeit ja irgendwie auch eine Art der Reflektion und Verarbeitung ist. Ich merke, so richtig komm ich aus dem Gedankenstrudel nicht raus :D
    Liebe Grüße,
    Alex von uebermut

  3. Es ist einfach toll, so einen Beitrag zu lesen, vor allem wenn es darum geht was man in Instagram und co. veröffentlichen sollte oder nicht. Wenn man das als Business macht, muss man schon etwas von seinem Privaten veröffentlichen da man sich von den anderen abheben muss. Aber zu viel ist natürlich auch nicht so gut.
    Lg Emma

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