Kolumne: Schaltet Instagram ruhig ab! Wir brauchen eine Pause!

10. Februar 2022 von in

Eigentlich bin ich ja kein Freund von „Was wäre, wenn…“-Vorstellungen. Diese Woche musste ich dann aber doch meine Grundsätze über den Haufen werfen. Der Grund der Aufregung: Meta – auch bekannt als das Unternehmen, das früher Facebook hieß und Instagram ebenfalls sein Eigen nennt – drohte der EU, Facebook sowie Instagram abzuschalten. Zu hart seien die Datenschutzgesetze, zu wenig flexibel das europäische Festland. Da wolle man nicht mitspielen und im schlimmsten Falle würde man die Apps einfach abschalten. Aus die Maus.

Mal ganz abgesehen davon, dass es mich kaum verwundert, dass sich Meta wieder einmal über jegliche Datenschutzgesetze hinwegsetzen will, und auch noch gleich noch eine Drohung mitschickt, war der Gedanke aber doch kurz da. Was wäre, wenn Facebook und Instagram wirklich von unseren Smartphones und Laptops verschwinden würden? Was würde das für mich bedeuten? Aber auch für die vielen Influencer*innen und Unternehmen, die mittlerweile auf Instagram angewiesen sind?

Es ist 2013, Amelie, Milena und ich sitzen in einem kleinen Restaurant, wir besuchen eine Konferenz von Rewardstyle. Es geht um Affiliate Marketing, um das boomende Geschäft im Social-Media-Business, es geht aber auch darum, wie man Blogs weiterhin Relevanz verschafft. Gründerin Amber Venz ist dafür extra aus den USA gekommen. Sie brennt für dieses Thema. Ein Satz bleibt bei mir hängen: „So wichtig Instagram für uns als Unternehmen und für euch als Content Creators ist, vergesst nicht: Es ist eine App. Sie kann jederzeit geschlossen werden, ihren Hype verlieren oder technisch nicht mehr mithalten. Was ihr als Blogger besitzt, ist Gold wert. Eine Website, die nur euch gehört, die auf eurem Server liegt und keinem Algorithmus unterliegt. Die ihr mit Content befüllen könnt und die euch niemand wegnehmen kann. Setzt den Fokus darauf, spielt Instagram nebenbei als verlängerte Content-Strategie.“

Ein Grund, warum wir unsere Kraft immer in amazed gesteckt haben, Instagram lieben und mitdenken, aber die wichtigsten Inhalte erstmal hier auf unserer Seite erscheinen. Weil amazed uns gehört.

Instagram ist dennoch toll – und wichtig, auch für uns. Instagram ist die Plattform, die es vielen kleinen Labels, Brands, Selbständigen und Unternehmen ermöglicht, eine Existenz aufzubauen, Bekanntheit zu erreichen und am Ende davon leben zu können. Ohne Instagram wäre unsere Welt sehr viel weniger inspirierend. Instagram ist aber auch der Ort, an dem wir – sofern wir immer wieder bewusst unseren Abonniert-Feed gestalten – eine neue, diverse Welt kennenlernen. In denen Menschen Stimmen bekommen, die viel zu selten gehört werden. Eine Welt, in der wir lernen können, von Menschen mit anderen Lebensrealitäten und Privilegien. Instagram ist der Ort, der so oberflächlich erscheint und dennoch vielen Menschen die Möglichkeit zur Selbstentfaltung gibt. Die dank Instagram freier leben können, ihre Leidenschaft zum Beruf machen können und damit ihre Familie ernähren können.

Instagram ist eine App, die uns Mut macht, uns stärken kann, inspiriert und bildet. Das sind die großartigen Seiten dieser App.
Wenn man die schlechten ausblendet.

Denn die App fesselt uns alle viel zu sehr ans Handy. Der Erwartungsdruck ist massiv, die Regeln des Algorithmus hart. Menschen vergleichen sich – und werden eigenen Worten zufolge unglücklich. Die App verstärkt Druck, verzerrt Schönheitsbilder und führt dazu, dass wir oftmals nur noch durch die Kamera leben. Ein ständiger Informations- und Bilderfluss, der Algorithmus und neue Formate führen zu noch mehr Druck und Stress. Kurzum: Die App bestimmt viel zu oft das Leben viel zu vieler Menschen.

Und so habe ich mich in den vergangenen Tagen gefragt: Was wäre, wenn es Instagram tatsächlich erstmal nicht mehr geben würde?

Für Brands, Unternehmen und auch Influencer*innen wäre das womöglich erstmal eine Katastrophe. Die existenzielle Grundlage: einfach futsch. Albtraum. Aber vielleicht gebe es auch Raum für neue Ideen, Offline-Inspiration und Co. Höchstwahrscheinlich aber relativ schnell eine neue App – ich erinnere mich an Clubhouse. Dem stimmt auch Ninja zu, die für Ohhhmhhh aufgeschrieben hat, was wohl passiert, wenn Instagram plötzlich weg ist. Sie sagt: „Wir brauchen unser digitales Dorf. Ob nun zur Selbstbestätigung, um uns zu empowern, dazuzulernen oder einfach nur den neuen Rabattcode einzulösen. Ich bin mir sicher, wir finden eine Lösung.“

Für mich persönlich würde das in erster Linie bedeuten, ich könnte nichts mehr posten – auf amazed und privat. Das wäre traurig, weil ich gerne kleine Schnipsel meines Lebens teile. Unsere Zitate auf amazed gerne share und auch selbst gerne Inhalte konsumiere. Aber: Die App frisst auch meine Zeit. Ich bin viel zu oft viel zu viel auf Instagram unterwegs. Ich schaue Stories, die für mein persönliches Leben völlig irrelevant sind.  Was ich dabei gewinne: nichts. Was ich dabei verliere: Zeit. Und so wäre eine kleine Auszeit vielleicht gar nicht schlecht.

Denn – und da nehme ich uns alle mit ins Boot – wir sind ja irgendwie alle abhängig von Instagram. Wir posten. Wir konsumieren. Wir verbringen viel zu viel Zeit in dieser App. Die Masse ist süchtig nach Likes, nach Bestätigung, hat Sorge vor dem bösen Algorithmus und postet in der Folge immer mehr.

Wir legen Filter über eine Welt, die in ihrer Schönheit und Wahrheit selbst eigentlich genug ist. Wir betrachten diese Welt nicht mehr nur mit bloßem Auge, sondern durch die Kamera. Oh, eine schöne Blume, klickklick. Oh, ein schöner Ort, schnell ein Video gemacht. Das Konzert, die Musik, das muss in die Story. Der Urlaubs, der wird super, da kann man tolle Fotos machen. Der Heiratsantrag, der wurde doch hoffentlich mitgefilmt, nicht wahr?

Wann war das letzte Mal, dass du mit Freund*innen im Café gesessen und das Handy nicht ausgepackt hast? Wann war das letzte Mal, dass du an einem schönen Ort warst und einfach nur die Atmosphäre aufgesogen hast? Wann war das letzte Mal, dass du etwas Schönes gesehen hast und nicht sofort dein Handy gezückt hast?

Wann haben wir verlernt, die Dinge für uns zu genießen, ohne das Internet daran teilhaben zu lassen?

Richtig, selbst ich, die wahrlich sehr bewusst mit Instagram umgeht, vergisst manchmal, dass es eben nicht immer um Content geht. Sondern ums Genießen, ums Leben, ums bewusste Wahrnehmen.

Auf der Suche nach neuem Content, nach neuen Inspirationen, nach Feed-Futter, wie es Jana von @vonkopfbisfuss so zauberhaft diese Tage gesagt hat, vergessen wir zu oft, da zu sein. Im Jetzt. Wir leben für die App, statt für uns. Und das ist irgendwie traurig.

Und ja – so sehr ich wahrscheinlich Instagram für einen Moment vermissen würde, wüsste ich die fehlende App schnell zu ersetzen. Mit neuen beruflichen Ideen. Ich würde wieder mehr netzwerken, offline, ins Gespräch kommen mit Menschen. Ich würde aktiver versuchen, meine Bubble auszuweiten, diverser mein Leben zu gestalten anstatt meines Feed. Aber ich würde sicherlich auch eine neue, andere Plattform finden, denn das Kommunizieren, das Miteinander-Sprechen, das Mitteilen, das Bedürfnis bleibt. Denn natürlich ist und bleibt Instagram auch berufliche Grundlage, Existenz und Ort der Inspiration. Vielleicht wäre amazed ab sofort alleinstehend im Fokus. Vielleicht würde ich aber auch einen Newsletter schreiben.  Oder eine ganz andere, neue App finden, deren Inhalte weniger schnelllebig, video-basiert und algorithmusgetrieben sind? Im Privaten würde ich mich mit den schönen Dingen im Offline-Leben beschäftigen. Keine fremden Stories mehr gucken, sondern wieder mal zum Telefonhörer greifen. Momenten der Ruhe genießen. Anderen, langsameren Input konsumieren.

Meta hat nach der Aufregung angekündigt, dass das Abschalten natürlich erstmal nicht zur Debatte steht. Kein Wunder: Denn auch Meta profitiert von unserem Nutzerverhalten – mehr als wir alle. Und damit bleibt am Ende nur zu sagen: Kein Like, kein Kommentar, keine Reaktion auf Social Media ist am Ende von wirklicher Bedeutung. Sie mögen Messwerte sein, die beruflich wichtig sind. Die einem das Gefühl geben, mein Content ist relevant. Die aber verwabern in den Tiefen des Algorithmus. Wirklich wichtig sind die Menschen um uns herum. Das Leben, das offline passiert. Das uns liebt, manchmal aus der Bahn wirft, das uns auffängt und umarmt. Und: Das niemand abschalten kann.

"

Sharing is caring

5 Antworten zu “Kolumne: Schaltet Instagram ruhig ab! Wir brauchen eine Pause!”

  1. Ich bin dieses Jahr mit dem Vorsatz angegangen auf Instagram zu verzichten. Habe mir aber die Möglichkeit eingeräumt einen Instagram Sunday zu machen, wo ich die App runterlade, mich einlogge und einfach mal schaue, was es Neues gibt, wer sich verlobt hat etc. Bisher nicht einmal genutzt, weil ich es so befreiend finde. Es fühlt sich ein bisschen so an wie ein handyfreier Urlaub, der nicht endet. Als Content Creator natürlich eine andere Sache, dennoch könnte man sich ja auch hier einen festen Slot suchen, wo man die App nutzt und dann wieder das sein lässt, was sie ist: Ein Social Media Kanal, nicht mehr und nicht weniger. Für Inspiration & Motivation nutze ich seitdem Pinterest. Macht irgendwie weniger süchtig, weil es nicht so persönlich ist, das gefällt mir aber ganz gut, denn so vergleicht man auch nicht ständig sein Leben.

    • Liebe Carolin, was für ein spannendes Experiment. Das mit den Zeiten versuche ich tatsächlich schon, trotzdem ertappe ich mich dabei, dass ich eigentlich lieber ein Buch lesen würde und auf IG hängen bleibe. Ich nehm mir jetzt dich zum Vorbild :)

      Liebe Grüße!

  2. “Wirklich wichtig sind die Menschen um uns herum. Das Leben, das offline passiert. Das uns liebt, manchmal aus der Bahn wirft, das uns auffängt und umarmt. Und: Das niemand abschalten kann.“ – Was für ein schönes, wahres Resumee. Danke hierfür, generell für eiren Blog (den ich nach wie vor seit vielen Jahren gerne besuche) und alles Liebe zu Euch. xx

  3. […] So mysteriös und fantastisch der Soft-Launch als Akt auch sein mag, ist er möglicherweise auch nur sich selbst dienlich. Eben ein künstlerisches Stilmittel. Und ein Anzeichen dafür, dass sich wirklich etwas verändert hat. Denn Soft und Slow gehen gerne Hand in Hand – tanzen Tango ganz langsam. Weil beide Ansätze eine willkommene Abwechslung in unserem always-on Zeitalter sind. In dem Realität und Digitalität verschmelzen. Während es fast schon zu einer Kunstform geworden ist, die Privatsphäre als eine Art inszenierte Wirklichkeit zu betrachten, in der wir nur wenigen Zutritt gewähren – in Form von Finstas, grünen Insta-Stories und groß angekündigten Social Media Pausen. […]

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner