Kolumne: Von Freundschaften und dem Kinderkriegen

21. August 2023 von in

Falls eines der Themen dir gerade nicht guttut: Im Text geht es um Schwangerschaft und das Kinderkriegen.

„Wie haben sich deine Freundschaften verändert, seit du schwanger bist?“ Eine der ersten Fragen, die im Rahmen meiner Schwangerschaft gestellt wurden. Und das zu Recht, denn das Thema ist ein ziemlich gravierendes, das uns alle ab einem gewissen Alter einholt – egal, welche Position wir haben. Und das so viele Aspekte hat, dass es keinen einfachen und richtigen Weg des Umgangs damit gibt.

Freundschaften sind wahnsinnig wichtig für uns. Die Beziehungen in unserem Leben geben uns Kraft, immer neue Perspektiven, wir halten einander in schweren wie in schönen Zeiten, und Freundschaften im Erwachsenenalter werden oft zu genauso intensiven Banden wie die der Familie.

Doch was passiert, wenn jemand ein Kind kriegt, und sich das Leben plötzlich gravierend ändert? Und damit auch die Dynamik der Freundschaft?

Da ist zum einen das Thema der gemeinsamen Zeit. Wenn man bisher alles, was man wollte, gemeinsam unternehmen konnte, nachts unterwegs und immer spontan verfügbar war, ist da plötzlich ein kleines Wesen, das unter Umständen erstmal sehr lange an einem klebt, und das abends ins Bett gebracht werden will. Weil ich selbst als Baby sehr anhänglich war und meine Mutter eineinhalb Jahre lang abends ohne mich das Haus nicht verlassen konnte, obwohl mein Vater mich genauso und noch viel länger tagsüber betreut hatte, bin ich bei diesem Thema sehr verständnisvoll. Von keiner Freundin oder keinem Freund mit Kind habe ich jemals gefordert, zu bestimmten Zeiten an bestimmte Orte zu kommen, oder bei Partys dabei zu sein. Vielmehr finde ich es selbstverständlich, Freunde mit Kindern einfach zu Hause zu besuchen und mich nach ihren Zeiten zu richten – ich finde es sogar eine ganz schöne, neue Komponente, kein Restaurant oder irgendeine Unternehmung als Rahmen für ein Treffen zu brauchen, sondern mit Kind einfach wieder mehr gemeinsam, ganz unspektakulär und entspannt, zu Hause zu sein, was sonst mit dem Älterwerden oft immer seltener wird.

Natürlich ist das Thema der gemeinsamen Zeit aber eines der großen Freundschaftsprobleme, wenn das Kinderkriegen anfängt.

Denn tatsächlich ist oft erstmal eine ganze Weile nichts mehr wie zuvor, und auch, wenn man alles versucht, kann man selten gleich gut füreinander da sein wie bisher. Die Person mit Kind, die erstmal von einem zusätzlichen Wesen dauerbeansprucht wird, genau wie die Person ohne Kind, die mit den ganzen neuen Problemen und Themen vielleicht überhaupt nichts anfangen kann. Meine Mutter verlor einige Freundschaften, als wir klein waren. Die meisten davon fand sie aber später wieder, auf einer neuen Ebene, als die Kinder keine so einnehmende Rolle mehr in ihrem Alltag spielten – was ich einen schönen Gedanken finde. Denn ich würde es keinem übel nehmen, mir ehrlich zu sagen, mit mir plus wuseligem kleinen Kind um mich herum einfach gerade nicht so viel anfangen zu können.

Vielleicht gibt es Wege und Momente, die man sich gemeinsam schaffen kann, in denen wirklich mal kein Kind dabei ist. Vielleicht ist es aber auch einfach in Ordnung, eine gewisse Zeit mehr Abstand zu haben, und zu einem anderen Zeitpunkt wieder mehr zusammenzufinden, auch wenn es erstmal traurig ist. Zwingen, nicht nur einen selbst, sondern auch die eigenen Kinder zu lieben, kann man niemanden, und es ist auch nichts Verwerfliches, mit Kindern von FreundInnen nicht besonders viel anfangen zu können. Verständnis und Offenheit von beiden Seiten finde ich hier wichtig. Und das heißt auch Verständnis für alle, die sich eine Weile ein bisschen mehr distanzieren möchten – oder müssen, wenn man gerade ein Kind bekommen hat.

Denn neben der Zeitfrage ist da noch ein großes, anderes Thema, die Gefühlsebene.

Nicht jeder kann sich für seine FreundInnen aus vollstem Herzen über eine Schwangerschaft freuen – und das ist völlig verständlich und ok. Vielleicht wünscht man sich selbst ein Kind, hat aber keine Beziehung, geht gerade durch eine Trennung, oder hat einen Partner oder eine Partnerin ohne Kinderwunsch. Vielleicht versucht man es schon eine Weile, wird aber einfach nicht schwanger. Vielleicht geht man gerade durch den aufwühlenden Prozess einer künstlichen Befruchtung, vielleicht haben schon ein paar Versuche davon nicht geklappt. Vielleicht war man schon schwanger, hatte aber eine Fehlgeburt. Oder mehrere.

Es gibt so viele Situationen, in denen man gerade stecken kann, die das Kinderthema für einen wahnsinnig schmerzhaft machen können.

Und die einen dazu bringen, sich aus Selbstschutz von schwangeren Freundinnen oder Freunden mit Kindern zu distanzieren. Natürlich ist es wahnsinnig schön und sehr stark von einem selbst, wenn man sich trotzdem aus ganzem Herzen für die Freunde freuen kann, deren Kinder beim Aufwachsen begleitet und bei jedem neuen Baby involviert ist. Es ist aber auch absolut ok, wenn all das nicht geht, man diese Nähe nicht kann und nicht schafft. Wenn man es über sich bringt, hier offen und ehrlich zu sein und sich gegenseitig mit Verständnis zu begegnen, ist das die beste Grundlage für eine Freundschaft, die sich zu einem anderen Zeitpunkt wiederfinden kann. Auch, wenn es für beide Seiten wahnsinnig schmerzt und sich beide eine andere Situation wünschen würden.

Jetzt in der Schwangerschaft haben sich meine Freundschaften noch kaum verändert. Wie alles wird, wenn das Kind da ist, kann ich aber überhaupt nicht abschätzen. Was ich aber versuchen möchte ist, keine festen Erwartungen an meine Freunde zu haben und offen dafür zu sein, dass nicht jeder und jede Lust oder Kraft hat, wahnsinnig involviert in mein Leben mit Baby zu sein.

Auch ich kann mit Baby wahrscheinlich erstmal weniger involviert in das Leben bestimmter Freunde sein, auch wenn ich es versuche. Zwar bin ich schon seit Jahren kaum mehr nachts unterwegs, es ist aber nochmal eine andere Situation, gar nicht zu können, wenn man denn wollte. Und damit eben nicht mehr wirklich dabei zu sein bei dem, was so passiert im Leben der anderen. Egal ob nachts oder tagsüber, die Gelegenheiten, mit voller Aufmerksamkeit und viel Zeit dabei zu sein, werden erstmal rar sein – wieder etwas, was auf beiden Seiten schmerzen wird.

Was ich aber jetzt schon weiß, ist, wie wichtig es mir ist und auch sein wird, trotzdem mit meinen Freunden im Austausch zu bleiben.

Für alle da zu sein, egal was gerade passiert, ob in meinem Wohnzimmer oder per Sprachnachricht. Aber auch für mich den Austausch zu behalten, der über Babythemen hinausgeht. Denn natürlich sind Freundschaften mit anderen Eltern gerade ziemlich spannend und schön für mich, schließlich ist ein Kind zu kriegen wie in den Kosmos eines völlig neuen Jobs einzutauchen, und es gibt wahnsinnig viel, über das man dabei sprechen möchte. Trotzdem würde ich eingehen, wenn ich nur noch Freundschaften mit anderen Eltern und nur noch dieses eine Thema in meinem Leben hätte.

Unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebensrealitäten sind das, was mich schon immer am meisten interessiert und inspiriert.

Deshalb ist amazed auch ein Ort für diese unterschiedlichsten Einblicke, für all eure Stimmen und Erfahrungen, die so wunderbar unterschiedlich sind. Und gerade jetzt in dieser besonderen, aufwühlenden Schwangerschafts- und bald Babyzeit brauche ich meine Freundschaften und all den Input aus den unterschiedlichsten Lebenssituationen ganz besonders. Um nicht verrückt zu werden beim Kreisen um dieselben Themen, Sorgen und Fragen, um mitzubekommen, was da noch alles ist, und um den Horizont immer wieder zu erweitern.

Ob ich in der nächsten Zeit eine ähnlich gute Freundin sein kann wie bisher, weiß noch niemand. Dass ich es versuchen werde, ist aber klar, und zwar mit viel Ehrlichkeit und gegenseitigem Verständnis. Vielleicht werden sich neue Konzepte des Austauschs und des Zeitverbringens formen, vielleicht werden einige Freundschaften für gewisse Zeit auch erstmal mehr Distanz bekommen. Vielleicht werden andere dafür nochmal ein ganz anderes Level erreichen. Wichtig ist bei all den Veränderungen vor allem eins: Verständnis. Und wenn davon von beiden Seiten aus so viel wie möglich da ist, sind das schon ziemlich gute Voraussetzungen für diese neue Lebenssituation.

Bild: Pexels – Polina Tankilevitch

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3 Antworten zu “Kolumne: Von Freundschaften und dem Kinderkriegen”

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