Regenbogenkapitalismus – Eure bunte Werbung gibt uns nichts

28. Juni 2023 von in

Dieser Text erschien zuerst am 16. Juni 2022

„Wenn ich noch einmal bunte Flaggen sehe, kotze ich.“ So oder so ähnlich klang das TikTok, das mir neulich in meinem Feed erschien. Zu sehen war eine queere Person, die sich zum Thema Regenbogenkapitalismus äußerte. Neben ihr reihen sich viele weitere ein. Sie sagen einstimmig, dass die bunte Flagge ihnen nichts mehr gibt, da sie zu einem Werbemittel mutiert ist. Immer wenn sich der Juni – beziehungsweise der Pride Month – nähert, warte ich schon auf sie. Die vielen bunten Flaggen everywhere, die bei jeder erdenklichen Brand aufploppen. Ein Gänsehautmoment folgt dem nächsten, wenn mich die Pressemitteilungen im Juni erreichen. Da sind sie, die limitierten Kollektionen in bunten Farben zum Thema Pride. Da sind sie, die Kooperationsanfragen zum Thema Pride. Von großen Brands, die sonst herzlich wenig zu dem Thema zu sagen haben. 

Ist das noch Solidarität oder nur Regenbogenkapitalismus?

Ich will den Personen, die hinter den PR Agenturen und Marken stecken, ehrlich nichts Böses vorwerfen. Ich glaube ihnen, dass sie mit ihrer Idee zum Pride Month Solidarität zeigen wollen. Und zu einem gewissen Grad bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, Queerness populär zu machen. Denn je mehr große Marken sich mit ihrem Rainbow-Washing in Form von einer Regenbogenflagge schmücken, umso verbreiteter und normalisierter wird sie und bestenfalls alles, was hinter ihren Farben steht: Mehr Sichtbarkeit für trans, nicht-binären, queere Personen. Doch natürlich bleibt eine Werbung, die mit einem politisch und gesellschaftlich aufgeladenem Thema wie Pride wirbt, Rainbow-Washing. Und das ist ein Problem. 

 

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Die Geschichte der Pride

Wenn ich hier einmal die Geschichte der gesamten queeren Community erzählen würde, müsste ich ein Buch schreiben. Nur mal kurz gesagt: Sie reicht weit zurück. Deshalb beziehe ich mich heute auf die Entwicklung der Pride als Event, das in vielen Ländern auf der ganzen Welt stattfindet. Entstanden ist die Pride erstmals durch die Stonewall Riots in 1969. Diese meint eine gewalttätige Razzia der Polizei im Stonewall Inn in New York. Die queere Bar gibt es bis heute und auch schon damals war sie ein Ort für die LGBTQ Community. Nachdem die Polizei tagelang wahllos Razzien im Stonewall Inn in der Christopher Street vornahm und nicht aufhörte, willkürlich zu diskriminieren und gewaltvoll zu werden, wehrte sich das Publikum in Form von Protesten. Die Proteste wurden immer verbreiteter und häufiger – bis sie in großen Pride-Aufmärschen unter dem Namen Christopher Street Day in New York und weiteren Städten stattfand. Über die Jahre hinweg schlossen sich immer mehr queere Personen der Aufstände und Märsche an.

You are not being represented, you are being targeted to

Umso größer die Demonstrationen der Pride wurden, umso mehr Geld wurde benötigt. So unterstützen Sponsoren finanziell immer mehr Projekte, die sich rundum die Pride drehten. Die Kommerzialisierung nahm ihren Lauf und der Regenbogenkapitalismus war geschaffen. Während zunächst Sponsoren die queeren Events finanziell unterstützen, so schmückten sich andere immer häufiger mit dem reinen Titel unter dem Deckmantel der Solidarität. Und da sind wir schon im Rainbow-Washing angelangt, in dem Marken zum Anlass des Prides queere Menschen in ihren Kampagnen ablichteten, das Geld jedoch in die eigenen Taschen wanderte. Da sind wir wieder beim üblichen Thema: Es ist schön, dass die Pride immer mehr Aufmerksamkeit erhält. Doch was ändert sich in den Strukturen? Wer kämpft hinter den Kulissen? Verbessern sich die Bedingungen queerer Personen, oder ist es einfach nur chic, sie als Aushängeschild zu benutzen? 

Ich will keine solidarischen Regenbogenflaggen.

Das ist auch der Grund, weshalb immer mehr Personen in meinem Umfeld keinen Bock mehr auf die Regenbogenflagge haben. Was ich verstehen kann. Ich bekomme jedes Jahr Schnappatmung, wenn sich der Juni nähert. Denn einerseits lebe und liebe ich Pride. Die Demos, Veranstaltungen, Parties, Sichtbarkeit und die Chance, sich besonders in diesem Monat ein Gehör zu verschaffen. Andererseits bin ich genervt von den Brands, die ein so wichtiges Thema für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. Ich will keine solidarischen Regenbogenflaggen sehen. Ich will Aufklärung, Aktion und Spendenaufrufe sehen. Die „Love is love“-Sprüche geben mir gar nichts, denn wir leben immer noch in einer Gesellschaft, in der Love eben nicht Love ist. Und genau dafür kämpft die queere Community seit ihrer Existenz. Dass Liebe, Identität, Gender endlich frei sein darf. 

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2 Antworten zu “Regenbogenkapitalismus – Eure bunte Werbung gibt uns nichts”

  1. Naja, das ist doch wie mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“. Wieso blendest du nicht diese ganzen Unternehmen aus und lebst deine eigene Überzeugung. Du bist authentisch, lebst es und bist für dein Umfeld eine Inspiration. So erreichst du im kleinen Kreis viel mehr anstatt dich über irgendwelche unternehmen zu ärgern.

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