The Talk: Manchmal ist man alleine besser dran

12. Februar 2019 von in

„Was, wenn dieses Kribbeln, das ich so klar für Liebe hielt, nie wieder kommt? Bei niemandem? Was, wenn es das war, mit dem Gefühl?”

Meine Freundin sitzt vor mir, obwohl sie schon vor zwei Stunden gehen wollte. Einige Tage zuvor hatte sie eine Affäre mit einem offensichtlich narzisstischen Menschen, der sie weder zu unterstützen, noch wertzuschätzen wusste, beendet. Wir sprachen darüber, wie sie ihn und sein Verhalten das ganze vergangene Jahr nicht nur tolerierte, sondern auch rechtfertigte.

Liebe muss wehtun

Liebesfilme bringen uns bei, dass Liebe immer auch kompliziert ist. Zwei Menschen treffen sich, verlieben sich, einer von beiden baut Scheiße, derjenige kämpft um den anderen, er oder sie verzeiht, denn jeder weiß: Sie gehören ja wirklich zusammen und sind füreinander bestimmt. Dann küssen sie sich im Regen. Abspann.

„No woman should be taught that love is
how much shit you can tolerate from a man.“

Die Realität bringt uns bei, dass manche Scheiße zu krass ist, um damit gut umgehen zu können und dass manches Kämpfen an Belästigung und Stalking grenzt. Vielleicht haben wir Liebe gleichgesetzt mit der Vorstellung, dass Liebe immer kompliziert und auch schmerzhaft sein muss. Denn perfekt ist ja eh niemand, auch nicht oder gerade nicht man selbst, und deshalb kann man es doch auch von keinem anderen erwarten. Für jedes Handeln gibt es doch einen Grund. Vielleicht eine schlimme Kindheit, Aggressionsprobleme oder ein geringes Selbstwertgefühl oder so. Es gibt doch tausend Möglichkeiten der Erklärung, wenn man nur lange genug sucht. Dann nehmen wir den Menschen, der vor uns steht, in Schutz, auch wenn er gerade offenbart, uns gar nicht zu lieben, obwohl wir ihm sehr wichtig und doch was ganz besonderes seien. Wenn wir uns anstrengen, kann es natürlich mehr werden. Irgendwann, wenn alles so richtig perfekt ist. Für Sex reicht es selbstverständlich jetzt schon. Das ist schon okay, weil er doch so nett lächelt und gestern doch noch alles so schön war und man sich sicher ist, sich morgen vor Lachen wieder den Bauch halten zu müssen und sich gegenseitig Schokofondue-Spieße zu füttern. Ob das dann nun „Beziehung“, „Affäre“ oder gar keine Bezeichnung hat, ist doch egal, solange es sich noch gut anfühlt. Wenn es sich mal nicht gut anfühlt, auch nicht schlimm, denn für die Liebe muss man ja kämpfen. Die Enttäuschungen und Schmerzen zählen weniger. Weil: Liebe tut immer auch weh, oder?

Die Lüge über die Zukunft danach

Wenn sich beide darüber im Klaren sind, das mit ihnen sei nur für eine Samstagnacht, gibt es gar kein Problem. Die Nacht ist schön und dann vorbei.
Was weh tut, ist, wenn man selbst darüber nachdenkt, wie man sonntags zusammen den ersten Kaffee trinkt, während der andere überlegt, wie er möglichst unauffällig die Wohnung verlässt, ohne jemanden zu wecken. Was weh tut, ist, wenn der andere davor vom Sonntag redet, sagt, wie schön es sein wird und einem eine Zukunft ausmalt, die man allzu gerne hätte. Darauf lohnt es sich doch zu warten. Auf den Morgen, auf den Sonntag danach und die, die noch folgen.

Dass das nur eine Illusion ist, war spätestens dann klar, als meine Freundin betrogen wurde, ihm daraufhin unter Tränen sagte, dass sie ihn liebe, er es nicht erwiderte, aber mit ihr schlief. Statt den Betrug zu bereuen, erklärte er ihr, dass es doch darum ginge, was sich richtig anfühlt. Für ihn war es das in dem Moment und wenn sie das Kribbeln doch noch hat, wozu dann jetzt alles aufgeben, wenn sie doch nur das tut, was sie jetzt glücklich macht?

Wieso lässt sie das mit sich machen? Wo bleibt die Liebe zu sich selbst, hab ich mich gefragt. Ich verstand es nicht. Sie redete immer wieder davon, wie besonders es sei, wie schön das Gefühl sei und ich konnte zwar ihr Verliebtsein verstehen, nicht aber, dass sie nicht merkte, dass sie ihr Glücklichsein komplett in seine Hände gelegt hatte. Er beschützte es nicht, sondern ließ es fallen, wenn er Spaß haben wollte.

„If you find yourself constantly trying to prove your worth to someone you have already forgotten your value.“

Wieder beginnt die Rechtfertigung und vielleicht auch der Wunsch, etwas verändern und bewirken zu wollen. Sein Fels in der Brandung zu sein. Immer wieder, weil man an dieser Hoffnung klammert, dass alles gut ausgeht, dass er zum Frühstück bleibt und man danach vielleicht zu einem Sonntagsspaziergang aufbricht. Irgendwann wird er schon erkennen, dass die Samstagnacht schöner ist, wenn es auch noch einen Sonntag gibt.

Aber es ging ihm nicht um gemeinsames Kaffeetrinken am Morgen, sondern um die Zuneigung, Aufmerksamkeit und Bestätigung, die sie ihm gab. Er bestimmte die Regeln, also spielte sie mit. Als er daraufhin erfuhr, dass auch sie die Beziehung als offen betrachtete und jemand anderen küsste, titulierte er sie als „Dreckige Hure, Miststück und Schlampe“. Ich war wütend, dass es all das brauchte, damit es vorbei war.

Schöne Worte will man glauben

Es war nicht vorbei. Es ging weiter. Genauso wie vorher. Vorwürfe, Anschuldigungen, Streits, Schreierei, aber das Kribbeln war ja da. Wenn er lacht, wenn alles schön ist. Sie konnte ihn verstehen. Ich konnte sie nicht verstehen. Sie glaubte, das mit ihnen sei etwas ganz besonderes. Er konnte manipulieren, bis sie in jedem Konflikt die Schuld bei sich selbst zu wissen glaubte.

Einmal suchte er mit mir das Gespräch, er wolle ja schließlich nicht, dass ich ihr eine „Gehirnwäsche verpasse“ und mit meinen „ungerechtfertigten Zweifeln“ ihre Beziehung zerstöre. Er sei überhaupt nicht frauenfeindlich und bereue es, meine Freundin beleidigt zu haben. Das wollte ich ihm sogar glauben. Einen Tag später beschimpfte er eine andere Freundin als „dreckige Schlampe“. Soviel dazu.

„Why do nice people choose the wrong people to date?We accept the love we think we deserve.“
– The perks of being a wallflower

Als ich versuchte, ihr die Augen zu öffnen, sagte meine Freundin zu mir: „Ich muss es weiter probieren, bis ich mir ganz sicher sein kann, dass es nicht sein soll. Dafür muss ich dann selbst so oft auf die Schnauze fallen, bis ich es ein für allemal verstanden habe.“ Konnte ich hier schon von Masochismus sprechen?

Ich wünschte, ich hätte sie vor dem Sturz bewahren können, denn ich war mir sicher, dass die Schwerkraft ihren Weg finden würde. Auch unsere Freundschaft litt darunter, weil ich ihr Verhalten nicht verstehen konnte. Und weil ich, im Gegensatz zu ihm, wusste, was man an ihr hat. Wieso kann man sich in jemanden verlieben, der nicht das Beste aus einem rausholt? Der, statt einen aufzubauen, einen klein hält. Aber er sei ja einfach nur unsicher und habe innere Konflikte mit sich selbst.

Die Erkenntnis kam schlagartig

Als sie aufgrund ihrer Arbeit und einer Woche Urlaub Abstand zu ihm gewann, beschloss sie, es endgültig zu beenden, denn natürlich merkte auch sie, dass er ihr nicht gut tat. Daraufhin schrieb er ihr trotz des Kontaktabbruchs auf allen Kanälen lange Nachrichten, in denen er sich rechtfertigte und seine Gefühle für sie beteuerte. Jeder Versuch, sich noch einmal auszusprechen und als Freunde auseinander zu gehen, endete in Sex und weiteren emotionalen Tiefpunkten.

Jeder Entschluss, sich von ihm zu lösen, scheiterte, bis er letztlich eine Freundin von ihr auf einer Feier ins Gesicht schlug, nachdem sie ihm eine Ohrfeige gab. Dann war es endlich vorbei. Diesmal wirklich. Keine Zuneigung, keine Rechtfertigungen, kein Hass – nur noch Gleichgültigkeit.

Liebe ist keine Lösung

Wir wollen festhalten, damit sich der Schmerz wenigstens gelohnt hat, wollen nicht aufgeben, weil das was für Feiglinge ist und klammern uns daran, dass sich irgendwann schon alles regeln wird. Dabei sollten wir eigentlich nur eins: Gehen. Weil, selbst wenn es Liebe war, sich dadurch nicht alles andere in Luft auflöst: das ständige Kleinhalten, frauenverachtendes Verhalten und Narzissmus.

Also: „Was, wenn es das war, mit dem Gefühl?“, fragt sie mich.
„Vielleicht kommt dann schon bald was viel Schöneres, nämlich die Liebe zu jemandem, der dich auch lieben will. An Samstagen, Sonntagen, Montagen und allem dazwischen. Und falls das gar nicht passiert, kannst du dich wenigstens selbst so behandeln wie du es verdienst und niemanden an dich ranlassen, der das nicht schafft“, antworte ich, und denke noch eine Weile darüber nach, welche Menschen auch ich viel früher hätte fern von mir halten sollen.

Photocredit: Unsplash

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11 Antworten zu “The Talk: Manchmal ist man alleine besser dran”

  1. Wow, Hut ab Debbie! Wiedermal ein wunderschöner Artikel, bei dem du doch selbst übertroffen hast! Absolut tiefgründig & mal eine ganz andere Art des Schreibens!
    Großartig!

  2. Ihr Lieben, seid mir nicht böse, aber mit dieser Kolumnen-Reihe kriegt ihr mich so gar nicht. Debbie schreibt sicherlich herzallerliebst – für ihr Alter. Schreibstil, Dramaturgie und Content erinnern dann doch irgendwie an Schulaufsätze, aus meiner Sicht ein vielversprechende junges Schreibtalent, aber kein Match zu Eurem Format. Ich kenne nicht das Durchschnittsalter eurer LeserInnen, ich mit knapp über 30 fühle mich jedenfalls null abgeholt. Und vermisse ganz furchtbar die Kolumne der wunderbaren Anja..

    • Liebe Lara, wir können gut verstehen, dass dich Debbies Artikel aufgrund ihres Alters nicht so ansprechen. Debbie soll aber auch nicht die Artikel von Anja ersetzen, sondern eine andere Zielgruppe ansprechen. Wir jedoch sind alle in deinem Alter und werden auch hoffentlich in Zukunft weiterhin Themen ansprechen, die dich abholen! Liebe Grüße!

      • Lieben Dank für die prompte Reaktion und Erklärung, die für mich sehr nachvollziehbar ist. Liebe Debbie, meinen Kommentar bitte nicht negativ verstehen, das „vielversprechende Schreibtalent“ war ernst gemeint, ich bin einfach nur eine andere Zielgruppe.. Und freue mich umso mehr auf weiteren Content von den „alten Hasen“

  3. nicht, dass ich darin immer gut waere, aber diese Punkte versuche ich mir immer mal wieder vor Augen zu halten:

    5 ways not to be used:
    believe patterns not apoloies
    don’t fal in love with potential
    believe red fags
    know your worth
    don’t lower your standards

  4. ich war auch mit einem narzissten zusammen, das ende der beziehung war unschöner und gewaltätiger als das von dir beschriebene. und trotzdem ging ich zurück. menschen mit NPS haben eine art an sich zu binden, die nichts mit liebe zu tun hat. eber mit einer mischung aus abhängigkeit, obsession und selbstzweifel. ich brauchte leider noch ein wenig, bis ich verstand, was ich mir mit der beziehung selbst antat und war danach nur noch eine ansammlung an paranoia, anxiety und wut.
    das ist jetzt drei jahre her, es wurde erst sehr langsam, und dann ganz schnell besser. ich verstehe die angst deiner freundin. ich dachte auch, ich verliebe mich nie wieder. bis dann im letzten jahr… vorsichtshalber hab ich direkt einen gewählt, der meine gefühle nicht erwiderte (das wäre vermutlich auch zu nah gewesen), aber ich war ganz aus dem häuschen, dass ich noch verknallt sein kann. will.
    deine freundin wird wieder lieben. und es wird großartig. aber jetzt steht erstmal ganz viel selfcare auf dem programm. denn ja: wieso hat sie das mitgemacht? was war ihr nutzen aus der beziehung?

    • Das ist sehr wahr. Ich bin mir auch sicher, dass sie sich wieder verlieben kann. Aber ich denke auch, dass man für diese Gefühle bereit sein muss.
      Alles Gute dir,
      Debbie

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