Urlaubsromantik: Die Bedeutsamkeit von Mitbringseln & Postkarten

30. Mai 2019 von in

Neulich hat mir eine Freundin ein Backgammon Spielbrett geschenkt. An einem ganz normalen Samstagnachmittag saßen wir grundlos in einem Café, aßen zwei Stücke Kuchen, die wir uns jeweils zur Hälfte teilten und sprachen über ihren Urlaub in Athen. Sie sprach von schmackhaften Pitas, gefälschten Haarschmuck von Louis Vuitton, den Menschen, deren Gesichter eine endlose Geschichte erzählten, der Lycabettus Wanderung und dem kitschigsten Sonnenuntergang ihres Lebens. Dann stellte sie eine Stofftasche auf den Tisch und schob sie an unseren leeren Kuchentellern zu mir hinüber: „Und das ist für uns!“, sagte sie dann und ich zog ein Backgammon Spielbrett aus der Tasche – unser Spiel für den Sommer 2019.

An jeder Straßenecke spielen die Athener Backgammon. Sie sitzen dabei in Kaffeehäusern, trinken Frappé, rauchen Kette und lassen sich in der heißen Sonne brutzeln. Im Sommer lähmt sie die Sonne so dermaßen, dass gerade in der Stadt nichts anderes mehr möglich ist, als sich mehrere Stunden nicht mehr von seinem Plastikstuhl wegzubewegen. Das hat meiner Freundin gut gefallen und sie war von der Vorstellung hingerissen, wir beide würden im Sommer an der Sonnenallee sitzend dem gleich tun. Und jetzt habe ich ein Backgammon Spielbrett, das sie uns beiden geschenkt hat.

Das Verschenken von Mitbringseln aus dem Urlaub, oder das Versenden von Postkarten, ist von einer Selbstverständlichkeit zu einer romantischen Rarität geworden. Diese kleinen Aufmerksamkeiten sind bedeutsam in einer Freundschaft, da sie mittlerweile keinem Zwang mehr unterliegen. Kein Mensch fühlt sich verpflichtet, etwas aus dem Urlaub mitzubringen und deshalb ist es umso schöner, wenn es jemand tut.

Dabei geht es nicht um die Kaffeebohnen aus der Toskana oder das kleine Feuerzeug auf dem griechische Schriftzeichen prangen, sondern um die Geste, die sagt: Ich habe in meiner Abwesenheit an dich gedacht. Ebenso wie die Postkarte, auf der in verschnörkelten Buchstaben und bunten Malereien nur steht, dass der Urlaub schön sei, dass das Wetter heiß wäre und das Essen auch ganz gut schmecke. Die Worte sind hier nicht das Wichtige, sondern die Nachricht, die sich hinter dem Delfin im Sonnenuntergang, oder der Collage aus Sehenswürdigkeiten des Ferienortes, verbirgt: Ich bin ganz weit weg, doch gerade in diesem Moment denke ich an dich und ich möchte, dass du das weißt.

Ein Urlaub hat nur dann den Begriff „Urlaub“ verdient, wenn mindestens ein Nachmittag für das Schreiben von langweiligen Postkarten draufgeht.“

Die ausgestorbene Tradition ist nicht nur für den oder die EmpfängerIn erfreulich. Ist der Urlaub genau richtig fad, kann die Suche nach der perfekten Postkarte oder dem passenden Mitbringsel zu einer fast schon aufreibend spannenden Mission werden. Meine Faustregel Nummer 1 für den einzig wahren Sommerurlaub: Ein Urlaub hat nur dann den Begriff „Urlaub“ verdient, wenn mindestens ein Nachmittag für das Schreiben von langweiligen Postkarten draufgeht. Diese Regelung sollten sich engagierte UrlauberInnen zu Herzen nehmen, die das unaufgeregte Nichtstun ebenso wertschätzen wie ich – und sie sollten jenes Nichtstun in Mitbringsel und Postkarten kanalisieren.

Ihr könnt euch also vorstellen, wie sehr es mich gefreut hat, dass ich mit der Liebe für die kleine Aufmerksamkeit aus dem Urlaub nicht alleine da stehe. Denn Freundschaft ist zwar nicht dafür da, Geschenke oder Postkarten zu bekommen, aber man kostet sie in gepflegter Zweisamkeit aus. Zum Beispiel bei 30 Grad an der Sonnenallee beim Backgammon spielen.

Fotos via Unsplash

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Eine Antwort zu “Urlaubsromantik: Die Bedeutsamkeit von Mitbringseln & Postkarten”

  1. Oh, was für ein schöner Text! Ich liebe es auch, aus dem Urlaub Postkarten (oder Briefe!) zu schicken, gern auch selbstgezeichnet/collagiert etc.
    Allerdings bin ich oft viel zu kurz im Urlaub, als dass es in irgendeinem Verhältnis stünde, nämlich in der Regel nur 1-3 Tage. Aber mal schauen, vielleicht wenn ich im September 3,5 Tage am Meer bin … da geht was!

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