„Was uns glücklich macht, sind Beziehungen. Im Plural.“ Gunda Windmüller über das Singlesein

27. Mai 2019 von in

Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht„, heißt das Buch der Berlinerin Gunda Windmüller, das ich in den letzten Wochen gelesen und absolut jedem ans Herz legen kann – egal ob Single, in einer Beziehung oder in einer „es ist kompliziert“-Situation. Denn was Gunda Windmüller in ihrem Buch, auch Streitschrift genannt, darlegt, ist für uns alle wichtig: Wir sind mehr, sogar sehr viel mehr als unser Beziehungsstatus. Und die unterschiedliche Beurteilung des Singleseins von Frauen und Männern sollten wir alle ganz grundlegend hinterfragen: Eine Singlefrau Ende Dreißig ist nämlich nicht automatisch zu bemitleiden, während ein Singlemann Ende Dreißig auch nicht immer ein selbstbestimmtes, interessantes Individuum ist – auch wenn pauschal oft so geurteilt wird.

Unsere Wahrnehmung, unsere Selbsteinschätzung und auch der Druck, der daraus für viele von uns erwächst und das Singlesein mit dem Älterwerden als immer größeres Manko darstellt, zerlegt Gunda Windmüller in ihrem Buch grundlegend. Gesellschaftlich, historisch und mit sehr viel gesundem Menschenverstand. Es ist bereichernd und bestärkend, für alle von uns, denn es hilft uns, den wichtigsten Menschen in unserem Leben in den Mittelpunkt zu rücken: Uns selbst – und das ist in jeder Lebens- und Beziehungssituation der hilfreichste Ansatz, den wir so oft aus den Augen verlieren. Noch ganz beschwingt von den letzten Buchseiten habe ich Gunda ein paar Fragen gestellt, über das Singlesein und die Themen, die ich mir beim Lesen fett unterstrichen habe!

Dein Buch befasst sich sehr ausführlich mit dieser Frage, hier also nur in Kurzfassung: Welche Faktoren spielen eine Rolle dabei, dass Singlemänner egal welchen Alters als interessante, komplexe Persönlichkeiten gesehen werden, Singlefrauen aber in die Mitleids-Schublade gesteckt werden, je länger sie ohne Partner leben?

Männern wird nach wie vor mehr Anerkennung für Dinge wie Erfolg im Job zugesprochen, außerdem wird Männern auch immer – übrigens fälschlicherweise, dass zeigen soziologische Studien – eine gewisse Bindungsunfähigkeit nachgesagt. Ihnen wird unterstellt, emotional weniger bedürftig zu sein als Frauen. Und außerdem wird Männern, zum Teil bis ins hohe Alter, noch größere Attraktivität zugesprochen. Zusammengenommen führen diese Faktoren dazu, dass Männer eine Beziehung angeblich nicht so nötig haben. Wir hingegen sind ohne Partner irgendwie Mängelwesen.

In deinem Buch schlüsselst du sehr genau auf, wie utopisch das medial, gesellschaftlich und historisch geprägte Ideal der romantischen Liebe für immer eigentlich ist, und wie der Glaube an die Liebe zu einer Ersatzreligion geworden ist. Glaubst du, dass es durch das Hinterfragen des Ganzen und diverse alternative Liebes- und Lebensmodelle tatsächlich möglich sein kann, dieses Ideal aufzubrechen – oder ist und bleibt die monogame Paarbeziehung das, was die meisten Menschen glauben zum Glücklichsein zu brauchen?

Ich glaube schon, dass für sehr viele Menschen eine romantische Zweierbeziehung eine Wunschvorstellung darstellt und das auch erstmal so bleiben wird. Das ist auch völlig in Ordnung, so lange wir die Liebe dabei nicht überfrachten und erwarten, dass es EIN Mensch ist, der uns ständig mit all dem versorgen soll, was wir nun mal zum Glück brauchen: Hinwendung, Fürsorge, Austausch, Nähe, Leidenschaft… Das Ideal muss dabei gar nicht kaputt gehen, aber wir müssen es reformieren und neu darüber nachdenken, was Partnerschaft und Elternschaft in unserer Zeit bedeuten können. Denn wie wir die Liebe momentan sehen, das ist ein relativ neues historisches Ideal, es wurde gemacht. Aber was gemacht wurde, kann auch wieder anders gemacht werden.

„Der Richtige kommt schon noch“ oder „Hast du mal versucht zu tindern“ sind typische Sätze, die man als Singlefrau zu hören kriegt. Was sollten wir im Umgang miteinander ändern, um den Status ohne Partner nicht als Mangel zu definieren und mit dem Single-Shaming aufzuhören?

Ich habe irgendwann angefangen, meine Freundinnen darauf anzusprechen. Zu sagen, dass ich kein Interesse daran habe, dem x-ten Kollegen auf einer Party in die Arme geschoben zu werden und das ich eigentlich auch ganz gern mal über z.B. meinen Job reden würde, statt als erstes nach „und, was machen die Männer“ gefragt zu werden. Das funktioniert nicht sofort, aber es schafft ein Bewusstsein. Und das ist ja schon mal ein guter Anfang.

Ohne Partner, mit Partner oder „es ist kompliziert“ – wichtig ist und bleibt, dass wir vor allem mit uns selbst zusammen sind. Hast du Anregungen, wie man an der Beziehung zu sich selbst arbeiten und die eigene Stabilität aufbauen kann?

Mir persönlich hat einfach viel geholfen, dass ich positiv Bilanz gezogen habe: Zu gucken, was HABE ich, statt nach Leerstellen zu suchen. Außerdem ist es ganz wichtig, sich selber emotional gut zu versorgen. Wir haben alle Bedürfnisse nach Nähe, nach Beziehungen. Und die gilt es zu hegen und zu pflegen. Denn was uns ultimativ glücklich macht, sind Beziehungen. Im Plural.

Je älter wir werden, desto mehr scheinen wir uns alle in Paarbeziehungen zu verkriechen, und den Freundschaften immer weniger Raum zu geben, obwohl sie doch oft die Beziehungen sind, die am allerlängsten in unserem Leben bei uns bleiben. Hast du Ideen, wie Freundschaften dauerhaft den Stellenwert für uns behalten können, den sie verdienen?

Ganz ehrlich: Ich finde, man kann Freundschaften kaum überbewerten. Ich finde es wichtig, mit Freunden und Freundinnen auch im Alltag bzw. über den Alltag in Kontakt zu bleiben. Zu wissen, was ärgert sie auf der Arbeit, was haben sie am Wochenende gemacht, welche Bücher lesen sie. Kleine Lebensleitungen aufrecht halten. Und sich ab und an mal ne anständige Freundschafts-Feier-Sause gönnen. Meine beste Freundin und ich haben nächstes Jahr ein rundes Jubiläum. Das feiern wir mit einem gemeinsamen Urlaub. Zu zweit, und meine beste Freundin ist verheiratet.

Bekannterweise verschwinden trotzdem immer wieder Freunde im Beziehungs-Nirvana: Wie kann man selbst die Angst überwinden, als einziger zurückzubleiben, während alle um einen herum zu Paaren werden?

Das klingt fieser, als es gemeint ist, aber man sollte sich auch ab und an mal klar machen, dass nicht alles so toll ist, wie man manchmal glaubt. Es gibt auch genug Paare, die sind zusammen, weil ihnen Kraft, Mut oder schlicht Phantasie für eine Alternative fehlt. Eine der Frauen, mit der ich für mein Buch gesprochen habe, sagte mal: „Du hast es gut, Du kannst Dich nochmal verlieben.“

Wer sich trennt oder verlassen wird und aus einer langen Paarbeziehung kommt, hat oft panische Angst vor dem Alleinsein. Dabei geht es einem ohne Partner und in einem selbstbestimmten Leben in der Realität oft sehr viel besser, als weiterhin in einer unglücklichen Beziehung festzustecken. Was würdest du panischen Frischgetrennten raten, um weniger Angst vor der neuen Lebenssituation zu haben?

Ich kenne die Situation gut. Und vor allem das Gefühl: „Sollten wir nicht doch nochmal…“ Doch aus meiner Erfahrung heraus zeigt sich, dass Trennungen schon ihre Gründe haben. Da muss man versuchen, bei sich zu bleiben. Irgendwann kommt der Moment, an dem man sehen kann, was man gewonnen, und nicht nur, was man verloren hat.

Vielen Dank für das Gespräch – und hier geht’s zum Buch!

Bilder: Astrid Kasimir/watson/Lia Haubner

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