Kolumne: Das Glück ist ein mieser Verräter

3. Dezember 2019 von in

„My aspiration in life would be… to be happy“. So sagt es keine geringere als Beyoncé im Intro zu ihrem Song „Pretty Hurts“. Es gibt vielleicht keinen Satz, auf den sich alle Menschen der Welt eher einigen könnten. Glücklich sein, das Glück finden – ist das nicht unser aller Ziel? Ist es nicht das Wichtigste im Leben? Vielleicht. Aber es lohnt sich, das Ganze zu hinterfragen.

Das Streben nach Glückseligkeit

Das Recht auf das Streben nach Glückseligkeit steht in der amerikanischen Verfassung. Es heißt bewusst „das Recht auf das Streben nach Glück“ und eben nicht bloß „das Recht auf Glück“. Thomas Jefferson hat sich sicherlich etwas dabei gedacht, denn das Glück ist ein sehr tückisches Ziel. Tückisch im Sinne von: Eigentlich unerreichbar. Die Idee von Glück, die in den USA ihren Anfang nahm, ist eng mit der Entstehung des kapitalistischen Systems verbunden. Glück übersetzt sich in dieser Logik meist in beruflichem und ökonomischem Erfolg – in Haus, Auto, Hund, Rasenmäher. Eben dem sicheren „guten Leben“, wie wir es alle aus der Bausparvertrag-Werbung und aus cheesy Sitcoms kennen. Die ganze neuere Geschichte der USA ist sehr eng mit der Vorstellung verknüpft, dass harte Arbeit stets zu Erfolg und damit zu einem besseren, sichereren Leben führt: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Und dieser „Aus-eigener-Kraft-Mythos“ bahnte sich seinen Weg auch auf unseren Kontinent.

Es gibt eine aktuelle Studie, in der eine interessante Beobachtung gemacht wird: Obwohl die Schere zwischen Arm und Reich beinahe überall immer weiter auseinander geht und es immer schwieriger ist, sozial und finanziell aufzusteigen, glauben immer mehr Menschen, dass harte Arbeit stets mit Aufstieg belohnt wird – auch in Deutschland. Das zeigt, wie viel Macht der Mythos vom Glück eigentlich auf uns ausübt. Wir klammern uns daran fest, auch wenn sehr viel gegen ihn spricht.

Choose Happiness?

Vielleicht protestierst du gerade innerlich: Aber Glück, das hat doch nichts mit Reichtum zu tun! Jein. Klar: Man kann Glück nicht kaufen. So steht es auf vielen Wandtattoos, und es ist etwas Wahres dran. Aber Geld kann zumindest sehr viel Lasten von Schultern nehmen – zu sagen, es wäre für eine gewisse geistige Ausgeglichenheit irrelevant, wäre vermessen. Die gängige Glücksdefinition verweigert sich dieser simplen Wahrheit – und das aus einem guten Grund: Denn dann müsste man eingestehen, dass nicht jede*r Einzelne sein Glück komplett selbst in der Hand hat. Das ist das höchste Gebot: Jeder ist seines Glückes Schmied – und persönliche Erfolge und Niederlagen sind das Ergebnis persönlicher Entscheidungen. Diese Vorstellung beruht auf einem Mythos, der sich eigentlich schon längst als solcher zu erkennen gegeben hat.

Die beste Version von dir gibt es nicht

Dennoch bleibt das Streben nach Glück das höchste Gebot. Wer an seinem Glück arbeitet, wird durch soziale Anerkennung belohnt. Wer es nicht tut, wird stigmatisiert. Es ist okay, wenn du nicht glücklich bist – aber nur, wenn du wirklich mit aller Kraft versuchst, daran etwas zu ändern. Es ist einer der Gründe, wieso wir glückliche Momente auf Social Media inszenieren und im Sinne der Ehrlichkeit auch mal die schlechten – aber eben immer mit der Intention, es besser machen zu wollen. Sich Mühe zu geben. Schließlich liegt es ja allein in unserer Hand. Wir werden sozial dafür belohnt, nach Glück zu streben – was auch immer das bedeutet. Unsere Definition von Glück ist sehr schwammig; sie hat irgendwas mit Selbstliebe, Selbstständigkeit, Lebenssinn und persönlichem Wachstum zu tun. All das mündet in eine permanente Selbstoptimierung mit dem vagen Ziel „Glück“: Ein Ziel, das keines ist. Denn dieses Streben nach der „besten Version meiner Selbst“ hat ein kleines Problem: Es gibt diese Version nicht. Denn du kannst immer noch sinnerfüllter, noch engagierter, positiver oder produktiver sein. Die moderne Definition des Glücks kennt keinen Endzustand.

Paradoxerweise produziert unsere Vorstellung von Glück so ganz eigene Formen von Leid: Denn wenn wir unglücklich sind, dann sind wir immer selbst Schuld. Und müssen uns nur mehr Mühe geben. Und selbst wenn wir für einen kurzen Moment glauben, glücklich zu sein: Es geht immer noch besser, schöner, schlauer. So hindert uns unser Streben nach Glück auch ein stückweit am Glücklichsein.

Es erfordert sehr viel Gehirn-Yoga, um sich von dieser Vorstellung freizumachen, denn sie sitzt sehr tief in unseren Hirnwindungen. Es kann helfen, diese verquere Logik erst mal zu verstehen – und den Gedanken zuzulassen, dass eben nicht jeder seines Glückes Schmied ist. Sondern dass es Dynamiken gibt, die nicht in unserer Macht liegen, und die der einen Person mehr Begabung zum Glück zugesteht als der anderen – zum Beispiel in Form von Privilegien. Wir könnten auch lernen, uns mit dem Weg statt mit dem Ziel zufrieden zu geben. Ein okayes Leben ist schließlich auch nicht schlecht. „Perfection is a disease of a nation“ singt Beyoncé in „Pretty Hurts“ – auch wenn sie damit etwas anderes meint, hat sie auch in diesem Kontext Recht.

Bildcredits: Unsplash 1, 2

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2 Antworten zu “Kolumne: Das Glück ist ein mieser Verräter”

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