Rechte Äpfel, linke Birnen
Except they’re not. Das wird sofort klar, wenn man sich mit den Fakten auseinandersetzt. Die Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2018 sprechen beispielsweise eine recht deutliche Sprache: Mehr als die Hälfte der knapp 36.000 Straftaten sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Straftaten aus dem linken Spektrum wurden hingegen nur knapp 8.000 gezählt – weniger als die Hälfte der Anzahl von rechten Delikten. Linke Straftaten sind zudem im Vergleich zu 2017 um mehr als 18 Prozent zurückgegangen – was vermutlich daran liegt, dass diese sich meist auf Großereignissen wie dem G20-Gipfel häufen und es 2018 kein vergleichbares Ereignis gegeben hat. Man ahnt es schon: Auch die Natur der Delikte von links und rechts ist grundlegend unterschiedlich. Linke verstoßen meist auf Demonstrationen oder Aktionen wie der Besetzung des Hambacher Forstes gegen Gesetze – sie begehen beispielsweise Landfriedensbruch –, Rechte begehen hingegen vermehrt sogenannte „Propagandadelikte“, heißt: Sie schmieren Hakenkreuze an Hauswände und zeigen Hitlergrüße. Bei den wirklich schwerwiegenden Delikten, sprich Tötung, versuchter Tötung, Körperverletzung, etc., dominieren Straftaten von rechts.
5 Antworten zu “Kolumne: Das heiße Eisen – Rechts und links sind nicht „gleich schlimm“”
Einer der besten Artikel, die ich bisher über die Hufeisentheorie gelesen habe. Möchte ich genauso unterschreiben, danke dafür.
Daumen hoch! Vielen Dank für diesen wichtigen Artikel!
[…] Aufgrund der Demonstrationen von Coronaleugnern und Rechten, die wir in Berlin letztes Wochenende erleben mussten, sehen wir uns gezwungen unseren Beitrag zur Hufeisentheorie noch einmal hervorzuholen. So wichtig ist er und so gut erklärt Jowa ein für alle mal, dass Linksradikale niemals mit Rechtsradikalen zu vergleichen sind. Wieso das so ist, könnt ihr hier lesen. […]
Ich habe den Eindruck, dass du die Hufeisentheorie nicht richtig verstanden hast. Zunächst greift das quantitative Argument ins Leere – eine politische Theorie, wie es die Hufeisenthorie ist, stellt die Empierie vereinfacht dar und dient nicht dazu, akuten Handlungsbedarf abzubilden. Links- und Rechtsextremismus bilden die Antithese zum demokratischen Verfassungsstaat, weshalb sie in der Hufeisentheorie beide gleich weit von der demokratischen Mitte entfernt sind. Linke Demonstranten, die – wie du beschreibst – den Hambacher Forst besetzen, fallen unter keinen extremestischen Begriff und werden deshalb auch nicht in der Hufeisentheorie mit Menschen gleichgesetzt, die den Hitlergruß zeigen.
Um es mit Eckhard Jesses Worten zu sagen: „Niemand setzt «rechts» und «links» gleich. Träfe das zu, wären diese Begriffe obsolet. Einige derjenigen, die vor einer Gleichsetzung von «rechts» und «links» warnen, sind hingegen schnell dabei, «rechts», «rechtsextrem» und «rechtsterroristisch» auf eine Stufe zu stellen. Doch nicht jeder Rechte ist rechtsextremistisch und nicht jeder Rechtsextremist rechtsterroristisch. Beim plakativen «Kampf gegen rechts» fällt diese Differenzierung häufig genug unter den Tisch, wie auch eine andere: Nicht jeder Antifaschismus fusst auf demokratischen Prinzipien, schon gar nicht der militante.“ (Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/deutschland-ist-der-antiextremistische-konsens-in-gefahr-ld.1543918) Gerade die Ausschreitungen in Leipzig Connewitz mit Angriffen gegen Polizisten zeigen sehr gut, dass auch eine linke Ideologie, wenn sie sich am extremistischen Rand befindet, nicht mit demokratischen Werten vereinbaren lässt.
Dem kann ich nicht zustimmen. Der Artikel erläutert die Hufeisentheorie als Mittel politischer Rhetorik und nicht die Hufeisentheorie an sich. Dein Einwand, die Hufeisentheorie würde nicht quantitativ argumentieren, greift folglich nicht, da es eben nicht um die bloßen Inhalte der Theorie, sondern um die Argumentation mit der Theorie geht. Und genau hier liegt der springende Punkt: Wir können über die quantitativen Aspekte von Rechts- und Linksextremismus nicht hinwegsehnen. Die Empirie prägt unsere gesellschaftliche Wirklichkeit und nicht die Beschaffenheit einer Theorie. Auch das Zitat von Eckhard Jesse ist in der wissenschaftlichen Argumentation gefangen. Ich verstehe, was er meint und wissenschaftliche betrachtet hat er vermutlich recht. Doch worum es eigentlich geht, ist eben nicht Begriffs- oder Theorieexegese, sondern die Argumentation und Anwendung dieser Theorie und Begriffe – mit all den Fehlauslegungen etc., die in der Praxis auftauchen und den eigentlichen theoretischen Gehalt unterlaufen und verändern. Fakt ist: Empirisch betrachtet stellt Rechtsextremismus für unsere Gesellschaft aktuell ein großes Problem dar. Das kann man vom Linksextremismus nicht behaupten. Oder irre ich mich da?