Post-Breakup Online Behaviour: Wie trennt man sich im digitalen Zeitalter?

21. Juni 2023 von in ,
Collagenbild via Pixaby

Breakups: Das Internet und jede gut sortierte Buchabteilung wimmeln nur so vor Ratgebern und den „besten Tipps“, wie man sich nach dem großen Herzschmerz verhalten sollte. Weinen, Trauern, Sport, Ablenkung, Prokrastination. Die Liste ist lang und die Geduld, einer solchen Step-by-Step-Anleitung zu folgen, bei den meisten wohl eher weniger vorhanden. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso man sich an diesem Thema auch nie satt lesen kann. Denn der Markt ist groß und die ganzen geschundenen Herzen sowie zerschmetterten Egos sind das gefundene Fressen für kapitalistischen Umsatz und vermeintliche Superlösungen. Doch da hilft nichts, außer durchzugehen. Egal, wie unmöglich oder schmerzhaft es im ersten Moment scheint.

Als ich meinen letzten großen Herzschmerz hatte, war mein Glück die völlige Online-Abstinenz des Verflossenen. Da gab es gar keine Möglichkeit mehr, sich mit dem anderen zu beschäftigen. Zwischen uns lagen nicht mehr nur Welten, sondern auch Kilometer und eine digitale Wand. Doch wie wäre das ganze wohl verlaufen, wenn wir beide online aktiv gewesen wären? Einander noch auf Insta gefolgt hätten und gelegentlich Storys gelikt oder aus Gewohnheit in die DMs geslided wären? Mit einem ‚omg, musste an dich denken‘-Meme oder ähnlichem. Und so komme ich nicht umhin, mich zu fragen: Wie genau kann man sich emotional von jemandem trennen, wenn man ihn online 24/7 um sich hat?

 

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Das Konzept Post-Breakup Online Behaviour

Mit dieser Frage beschäftigt sich das Konzept Post-Breakup Online Behaviour. Die amerikanische Anthropologin Ilana Gershon schrieb darüber sogar ein Buch mit dem Namen: „The Breakup 2.0: Disconnecting over New Media„. Ihre These: Im Zeitalter der Neuen Medien werden romantische Informationen (zwangsläufig) auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Co. ausgetauscht. Ihre Beobachtungen entschlüsseln die Erwartungen von allen, die an solchen Romanzen und ihrem Ende beteiligt sind: das Paar, die Freund:innen, Bekannte und Beobachter – und das online sowie im echten Leben.

In dem Buch finden sich viele Verhaltensmechanismen wie das „Online-Stalking“ der Profile der:des Ex, das oft impulsiv, aber selten befriedigend ausfällt. Doch es werden auch die unterschiedlichen Kommunikationsformen und ihre Bedeutungen beleuchtet, die je nach befragtem Individuum mehr oder weniger intim bewertet werden. Denn so verbunden wir durch das Sammelsurium an Kommunikationstechnologien auch sind, am Ende bleibt viel lost in Translation. Sobald man sich nicht als Gegenüber begegnet, entsteht die Gefahr von Übersetzungsfehlern und Fehlinterpretationen. Ihr Fazit: Digitale Medien erschweren ein ausgeglichenes Post-Breakup (Online) Behaviour. Und jede:r, der:die schon mal in so einer Situation war oder sie bei Freund:innen und Bekannten beobachten konnte, wird an dieser Stelle nun zustimmend nicken.

Online-Flirt-Rituale und die Liebe im www

Das „Online“ ist ein fester Teil des Flirt-Rituals geworden: Liken, kommentieren, Memes senden, enge Freunde, gemeinsame Kontakte, getaggte Bilder. Neben unseren eigenen Fußabdrücken im Internet wird auch hier die Beziehung dokumentiert. Früher viel offensichtlicher, mit dem Facebook-Beziehungsstatus, mittlerweile subtiler. Zum Beispiel mit einem Soft-Launch und gelegentlichen Anschnitten in Storys oder Bildern. Doch wer die Online-Spuren lesen kann, dem fällt auf, wenn es in bestimmten Accounts Parallelen gibt. Verheimlicht kann hier also nichts werden, oder nur dann, wenn es komplett aus dem Internet herausgehalten wird. Quasi analog. Genau das ist es, was viele Online-Persönlichkeiten tun. Doch auch hier gibt es Diskrepanzen: Wenn man vorab nicht darüber spricht, wie man die Beziehung online behandeln möchte?

Gehen wir nun mal vom Extremfall aus: Mit Tag in der Bio, Couple-Selfies und Co. Den digitalen Liebesbeweisen, die ähnlich wie Briefe ‚von früher‘ einer Art Foto-Timeline oder Memoiren gleichen. Das ‚Wir‘ 2008, 2010 und 2019. Urlaub, Sommer, Party, Date-Night. Alles schön festgehalten, damit es alle sehen können und man selbst von Instagram mit „heute vor x Jahren“ daran erinnert wird. Doch dann Postpause. Das Schloss in der Bio gelöscht, eine Ziffer nach der anderen. Danach werden Bilder entfernt und versucht, zu vergessen. Wobei viele vergessen, dass ein Breakup mittlerweile nicht nur offline, sondern auch online vollzogen werden will. Auch dort erinnert viel an das: „als alles gut war“. Und Social Media wird zu einem emotionalen „Schlachtfeld“ und dem (oftmals) einzigen Berührungspunkt, der bleibt, wenn man sich im echten Leben nicht mehr begegnen möchte. Das natürlich neben Urgesteinen wie dem vergessenen Pulli und dergleichen.

 

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Wie trennt man sich also digital?

Was wir „Digital-Natives“ also brauchen,  ist nicht unbedingt ein weiterer Ratgeber für das nächste IRL-Beziehungsende, sondern einer, der entschlüsselt, wie das ideale Post-Breakeup Online Behaviour sein könnte. Denn die digitale Verbindung wirkt sich mit Sicherheit stark darauf aus, wie es uns geht und wie auch wir versuchen, unterbewusst Kontakt zu halten – obwohl der im richtigen Leben unter Umständen völlig brachliegt. Mit Funkstille oder komplettem Kontaktabbruch. Was ist in solchen Moment also ‚richtig‘? Gibt es eine Etikette? Was geht, was geht nicht? Wo müssen auch einfach Grenzen gezogen?

Vor allem, wenn es so richtig knallt und dann Schluss ist, bleibt wenig Zeit, um sich vorab oder danach darüber zu unterhalten, wie genau der Trennungsprozess ablaufen soll. Gemeinsame Wertgegenstände oder Wohnungen werden schnell aufgelöst. Aber was passiert mit geteilten Streaming-Accounts, gemeinsamen Freund:innen, Whatsapp-Gruppen, Passwörtern und Co.? Die Liste an gemeinsamen Digitalen-Dingen ist gar nicht mal so unbeachtlich. Entfolgt man den Freund:innen des Ex? Wie lange muss man mit dem Soft-Launch neuer Partner:innen warten? Wieso nicht grundsätzlich im großen Rahmen verkünden: Ist in keiner Beziehung mit XY mehr?

 

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„You gotta move on“

Ein bewährter und oft nicht befolgter Ratschlag von Freund:innen ist: „Schreib ihm:ihr bloß nicht! Keine Late-Night-Calls, SMS oder sonstiges – You gotta move on!“ Und kaum ein Medium eignet sich besser, das Weitergehen darzustellen als Social Media. Auch dafür gibt es einen Begriff: die „Thirst-Trap“. Aka, das Zurschaustellen des eigenen Glow-ups und der ziemlich geilen Zeit, die man gerade hat – ohne den:die Verflossene:n. Schau, wie gut es mir geht! Wie gut ich ohne dich kann! Jede:r kennt besagten Content, der urplötzlich IG-Profile füllt, die vorher nie aktiv waren und auf einmal „the best time of their life“ im großen Rahmen teilen. Eben weil es gerade nicht die beste Zeit ever ist, sondern eine ganz schön niederschmetternde. Aber wer gibt so etwas denn schon gerne zu? Und da man auf Social Media supergut filtern und kuratieren kann, was man so teilt, ist es ein charmantes Tool, um sich möglicherweise auch einfach selbst zu betrügen.

Gar nicht so easy also dieses Post-Breakup Online Behaviour. Und ich, die den anderen Extremfall, den Offline-Ex, schon erlebt hat, kann euch sagen: Das war vermutlich das Beste, was mir passieren konnte. Nach Liebesbriefen auf QWERTZ folgten Komplikationen des Lebens, und nachdem die Realität den Love-Lockdown eingeholt hat, wurde klar: So geht’s nicht weiter. Die Idealistin und Romantikerin in mir wollte das nicht wahrhaben, sondern dem Versuch und dem Alltag die Entscheidung überlassen. Doch gegen einen auf einmal beteiligten unbekannten Dritten konnte selbst mein Optimismus nicht bestehen. Ein letztes Telefonat unter Tränen mit „Ich kann das nicht“, und da war der Schlussstrich. Und dadurch, dass er in bester Pusher-Handy-Boy-Manier keinerlei Social Media und Onlinepräsenz hatte, kam es meinem Heartbreak ganz schön gelegen, keinerlei Berührungspunkte mehr zu haben.

Da gab es kein Fragen nach: Was macht er wohl gerade? Kein sehnsuchtsvolles Profilansehen. Auch keine Bilder oder anderes. Nur einen klaren Schnitt, der ganz schön wehtat – am Anfang.

 

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Trennt euch (richtig) – auch digital!

Aber keine Möglichkeit zu haben, sich digital die Wunden aufzureißen oder über Details aus dem Internet zu obsessiv zu verfolgen, war vermutlich das Beste, was mir passieren konnte. Denn wir kennen doch alle die ganzen verwirrenden Social-Media-Warmhalte-Taktiken, die mit Orbiting, Green-Circle-Paradox und dem Liken von Storys dafür sorgen, dass man sich statt auf Abstand, darauf konzentriert, irgendwelche vermeintlichen Zeichen zu entschlüsseln. Und das ist in so einem Post-Breakup-Stadium eher kontraproduktiv. Dann lieber auch das digitale Beziehungschaos aufräumen: Klare Grenzen ziehen und sich so in Ruhe sammeln und wiederfinden – ohne den:die Partner:in. Und vor allem ohne ihn:sie auf Social Media ständig um sich zu haben, sowie dem Drang nachgeben, still und heimlich Mäuschen spielen zu können. Trennt euch also auch digital, archiviert Chats, schaltet Benachrichtigungen auf stumm, kündigt gemeinsame Abos und Streaming-Plattformen und geht auf Abstand. On- wie offline. Wenn es das ist, was euch in dem Moment guttut. Doch wie bei allem im Leben gibt es natürlich auch für das Post-Breakup Online Behaviour kein Geheimrezept, sondern nur Empfehlungen oder eher Anregungen, die dabei helfen sollen, die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen: alleine und ohne Partner:in.

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