Toxische Beziehung: Carrie und Mr. Big hätten nie zusammenfinden sollen

20. August 2018 von in

Es fängt alles relativ harmlos an und ist zunächst unter „Missverständnis in der Kommunikation“ verbunden. So versetzt Mr. Big Carrie zweimal, bevor es zu einem gemeinsamen ersten Date kommt. Alles schön und gut, sollte nicht passieren, ich möchte aber nicht ausschließen, dass so etwas passieren kann.

Die Kommunikationsschwierigkeiten hören nach dem 1. Date nicht auf. Carrie trifft auf Mr. Big, der weiterhin andere Frauen datet und sich erst auf ein exklusives Date einlässt, als Carrie deutlich macht, dass sie das auf dieser Ebene nicht mehr möchte. Als sie ihn fragt: „So you and me, is this for real?“, reagiert er zwar nicht, aber er verneint wenigstens nicht. Für einen Mr. Big reicht das vollkommen aus. Kaum sind die beiden zusammen, erwähnt er in einem Nebensatz, dass er bereits geschieden ist. Er erklärt die Geschichte nicht weiter, sodass Carrie sich auf die Suche nach jener Frau begeben muss und erneut das Gespräch bei ihm sucht – obwohl es doch so langsam mal an ihm liege, zu sprechen.

Wenn ich im Detail weiter auseinander pflügen würde, wann sich Mr. Big Carrie gegenüber falsch verhält, würde dieser Artikel nie wieder aufhören. Deshalb überspringe ich das eine oder andere Szenario. Denn die Sache ist die: Spätestens, als Mr. Big wieder einmal ganz beiläufig erwähnt, dass er nie wieder heiraten will oder eine Familie gründen, er aber doch „Spaß“ hätte mit Carrie, ist die Sache klar, dass die beiden einfach nicht zueinander passen. Carrie will eine Familie und später einmal heiraten. Sie macht Schluss, und ich und viele andere Menschen, die die Serie gesehen haben, hoffen, dass es dabei bleibt. Doch das tut es nicht, die beiden versuchen es wieder miteinander. Und wieder. Und Mr. Big wird trotzdem nur halbherzig mit auf diese Hochzeit von Carries Freundin gehen. Und er wird ihr auch weiterhin nicht seine Mutter vorstellen. Und am Ende, als wäre das nicht genug, betrügt er mit Carrie seiner Ehefrau – da er sich bei einer anderen Frau dann doch dazu entschieden hatte, heiraten zu wollen.

Mr. Big steht symbolisch für eine toxische Beziehung

Mr. Big heißt nicht einfach so Mr. Big. Er könnte auch einfach einen Vornamen haben, doch er wird auf dieses Treppchen gestellt und steht symbolisch für einen Menschen, mit dem wir alle einmal zu kämpfen hatten. Er ist diese Idee einer Liebe, die nie zu dem wird, was wir gerne hätten. Er ist Gift und passt nicht im Ansatz in die Vorstellung von Carrie, die ihn so gerne an ihrer Seite hätte als einen Menschen, der sie wertschätzt und sie will. Sie, als Menschen und die Beziehung. Und was mich daran so wütend macht ist, dass es dabei gar nicht um die beiden geht, sondern stellvertretend um so viele Wünsche und Träume eines Menschen und toxische Beziehungen, von denen man sich so schwer lösen kann. Und dass Mr. Big und Carrie ein Happy End bekommen. Das ist falsch.

Candace Bushnell, die Autorin des SATC Buches, auf dem die Serie basiert, erklärt in einem Interview mit The Guardian selbst, dass das Ende von Carrie und Big nicht der Realität entspricht, sondern rein von den Einschaltquoten dominiert wurde. Es hätte kein Happy End für eine toxische Beziehung wie diese geben sollen, die sonst so in Perfektion toxisch dargestellt wurde. In kaum einem anderen Filmformat wurde eine selbstzerstörerische Liebe so treffend und im Detail beschrieben.

„Well, I think, in real life, Carrie and Big wouldn’t have ended up together. But at that point the TV show had become so big. Viewers got so invested in the storyline of Carrie and Big that it became a bit like Mr Darcy and Elizabeth Bennett. They had become an iconic couple and women really related to it; they would say “I found my Mr Big” or “I just broke up with my Mr Big.” It became part of the lexicon. And when people are making a TV show, it’s show business, not show art, so at that point it was for the audience and we weren’t thinking about what the impact would be 10 years later.“, Bushnell in The Guardian

Um mal ehrlich zu sein: Carrie war nie mein Lieblingscharakter. Im Gegenteil, sie hat mich oft genervt. Unabhängig von ihrem fantastischen und inspirierenden Styling, war der Charakter zeitweise nervtötend. Man wollte die Augen rollen: „Carrie. Hör bitte auf“. Doch auch ihr Charakter wäre ein anderer gewesen, wenn Mr. Big nicht da gewesen wäre oder wenn sie sich wenigstens ein für alle mal von ihm gelöst hätte. Und auch das trifft symbolisch auf so viele Menschen, die in toxischen Beziehungen zu anstrengenden Persönlichkeiten werden, ja, zu Furien und zu eifersüchtigen Lappen, die immer mehr wollen, als sie bekommen. Der Fehler ist oft gar nicht der anstrengende Partner, sondern der Mensch, der das aus ihm macht.

Der Fehler ist oft nicht der anstrengende Partner, sondern der Mensch, der das aus ihm macht.

Wer immer nur einen kleinen Finger hingehalten bekommt, an dem man sich kaum festklammern kann, kommt in die Bredouille. Dieser Finger ist irgendwie da und deshalb ist es so wahnsinnig schwer, sich von ihm zu lösen: „Eigentlich will er mich doch“, heißt es dann und es wird sich an dem kleinen Anker festgeklammert wie ein Äffchen. An die Erinnerung, die man hatte, als es zum Beispiel noch nicht so eng war und der Mensch einem in der Datingphase doch so viel Aufmerksamkeit schenkte. Und einen fallen ließ, als es ernst wurde. Oder als der Mensch (in diesem Falle Mr. Big) nicht verneint hatte, als man (in diesem Falle Carrie) die Frage stellte: „You and me, is it for real?“. Er hat einen geküsst und man hält sich daran fest. Er will mich doch. Jede noch so kleine Geste fängt an zu zählen, weil die großen Gesten schlichtweg nicht existieren. Ein „You make me very happy“, aus dem Mund eines Mr. Big klingt wie ein „I want to share my life with you“, aus dem Mund eines Menschen, der einen aufrichtig liebt (in diesem Falle Aidan). Und da liegt der Hund begraben.

Ein klassisches Symptom einer toxischen Beziehung ist die Verwandlung zur schlechtesten Version einer selbst.

Viel wichtiger sind doch die anderen vier Finger, die man nie zu greifen bekommt. Es ist immer nur der kleine Finger und an so einem kleinen Finger hält es sich so schrecklich schlecht. Ein klassisches Symptom einer toxischen Beziehung ist die Verwandlung zur schlechtesten Version einer selbst: chronisch eifersüchtig, kontrollierend, depressiv, fordernd, zweifelnd, verzweifelnd. Wo sind die anderen Finger? Wird der Mensch einem jemals das geben können, was man gerne hätte? Liebe, Offenheit, Ehrlichkeit und das Gefühl, den Menschen wirklich zu wollen – auch, wenn er ihn gerade haben kann und nicht nur dann, wenn er gerade nicht greifbar ist?

Mr. Big wollte Carrie. Aber immer nur ein bisschen. Und die beiden stehen stellvertretend für eine toxische Beziehung, von der man sich lösen sollte – von der man sich sogar lösen muss, um ein glückliches Leben führen zu können und um offen zu sein für Menschen, die einem die Hand geben, und nicht nur den kleinen Finger. Bushnell wusste das und hat eine perfekte, toxische Liebe geschaffen – doch leider hat der Erfolg der Serie ihr persönliches Ende zerstört. Das Ende, das Mr. Big und Carrie den Rest gegeben hätte und so viele Frauen, die sich mit der Protagonistin identifiziert haben, hätte aufatmen lassen.

Es ist wahr: Wir Menschen lieben Happy Endings. Aber ich hätte mir ein anderes Happy Ending gewünscht. Ein ehrliches. Ein Ende, das Carrie, stellvertretend für so viele Menschen auf der Welt, für sich selbst entschieden hätte – und nicht der Mann, der die ganze Zeit die Fäden in der Hand hatte.

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14 Antworten zu “Toxische Beziehung: Carrie und Mr. Big hätten nie zusammenfinden sollen”

  1. Kompliment zu diesem Artikel, mir ist dadurch wieder bewusst geworden, wie toxisch meine ‚erste große Liebe‘ war. Wir waren nie richtig zusammen, mehr als eine Freundschaft +, weniger als eine Beziehung, exklusiv aber nicht offiziell. Vor einem Jahr habe ich Chatverläufe von damals gelesen und mich selbst geschämt, wie sehr ich manchmal ausgerastet bin, wie misstrauisch ist war, aber auch wie viel ich mir habe gefallen lassen. Erst durch einen einjährigen Auslandsaufenthalt konnte ich mich endlich emotional mit von ihm lösen und ich bin so froh, dass ich es getan habe. Er hat in mir Dinge kaputt gemacht, die vielleicht nie mehr zu reparieren sind, aber heute bin ich in einer glücklichen Beziehung mit einem Mann der zu mir steht, der mich sofort seiner Familie vorgestellt hat, der mir nicht das Gefühl gibt verrückt zu sein, wenn ich doch mal eifersüchtig bin, der mich auch mit 5 Kilo mehr noch attraktiv findet und seinen Freunden von mir vorschwärmt.
    Es lohnt sich, sich von seinem persönlichen „Mr. Big“ los zu eisen! Niemand verdient jemanden, der immer nur gerade so viel investiert, damit du bleibt.

  2. Danke für diesen Artikel! Er spricht mir aus dem Herzen. Auch ich hatte so eine ungesunde 1. Liebe mit ständigen Ups and Downs. Wir sind miserabel miteinander umgegangen und konnten doch nicht ohne einander. Meine Freunde haben den Kopf geschüttelt und uns mehr als nur einmal mit Mr. Big und Carrie verglichen. Lange Zeit habe auch ich mir gewünscht dass wir ein solches Happy End wie in Sex and the city hätten. So läuft es aber nicht im echten Leben ! Irgendwann habe ich das dann auch kapiert und mich nach viel zu langem hin und her gegen ihn und für mein eigenes Happy End. Das Happy Ending hätte auch ich mir für Carrie gewünscht !

  3. Auch wenn für mich toxische Beziehungen eigentlich schon eher Beziehungen gemeint sind, in denen psychische und physische Gewalt einhergehen und emotionale Erpressung….. Guter Artikel. Und ja, wer kennt es nicht dieses Dilemma und
    ja diese Art der Beziehung ist irgendwie auch schon toxisch und wird
    häufig verklärt und romatisiert in dargestellt. Keep me hanging on….

  4. Naaja, unbefriedigende Beziehungen im wahren Leben, in denen beim Partner kein Lerneffekt zeigt, sollte man natürlich beenden, bevor man Schaden nimmt. Aber erstens gab es bei Mr. Big eine Ahaerlebnis mit Erkenntnis (und ich möchte nicht ausschließen, dass das in einem von 100 Fällen in der Realität auch passiert). Und außerdem sind wir Frauen glaube ich klug genug, das Happy End einer Serie nicht als allgemeingültige Lebensentscheidungsgrundlage heranzuziehen, oder? Schließlich glaube ich auch nicht, dass Millionäre sich immer in Prostituierte verlieben („Pretty Woman“) oder Ähnliches. So viel Wahres und Treffendes in der Serie in Sachen Liebe und Freundschaft gezeigt wurde – letztlich war und ist sie feinstes Entertainment und da darf auch mal die fast unmögliche, aber ersehnteste Lösung gewählt werden, finde ich.
    Liebe Grüße
    Katharina

  5. Obwohl du sehr recht hast, glaube ich dass die zwei genau das bekommen, was sie brauchen. Manche Leute werden ohne Drama einfach nicht glücklich, brauchen die toxische Beziehung um sich nicht zu langweilen. Einer guten Freundin würde ich davon abraten so eine Beziehung zu führen, erzählerisch in der Serie fand ich die beiden aber eine spannende Paarentwicklung – von den ersten Staffeln mit besagter toxischer Beziehung und dem Peak mit dem Betrug, dann die lange, nebenbei laufende Freundschaft, die irgendwo auch das Erwachsenwerden und Reifen der beiden Rollen symbolisiert. Insgesamt wären aber wahrscheinlich heute beide Charaktere nicht mehr besonders zeitgemäß…

  6. Um jetzt mal bei dem Vergleich zu bleiben: Ich habe mich irgendwann für „meinen Aiden“ entschieden. Wir führen eine tolle Beziehung und ich in sehr glücklich. Trotzdem habe ich mich manchmal dabei erwischt wie ich dachte. „Hm, in den Filmen nehmen sie am Ende immer Mister Big. Habe ich die langweilige, sichere und am Ende falsche Wahl getroffen? Wartet das wilde Leben doch bei den Mister Bigs?“. Ich bin natürlich klug genug, um zu wissen, dass das alles nur Hollywood ist, habe mich aber trotzdem über den Artikel gefreut! Mehr Mister Bigs und Aidens: Bridget jones -> Daniel vs. Mark // Gossip Girl: Chuck vs. Nate // Greys Anatomy: Mc Dreamy vs Finn der Tierarzt // Doctor’s Diary: Marc vs. Medhi // Gilmore Girls: Christopher vs. Luke // Twilight: Edward vs Jacob

  7. oh amelie, welch ein kluger und inspirierender text! (der mir an der ein oder anderen stelle die augen geöffnet hat)
    ich liebe es, dass du so oft die popkultur in deine gedanken mit einflechtest.

  8. […] Toxische Beziehung müssen nicht nur von Partner*innen ausgehen, sondern finden sich auch im familiären wie Freundeskreis. Auch eine Beziehung zur Mutter, zum Vater oder zu Freund*innen kann uns nicht gut tun und Energie rauben. Während wir uns von Freund*innen leichter lösen können, ist es im familiären Umfeld schon schwerer. Toxische Beziehungen beginnen nicht erst mit physischer Gewalt, sondern im Kleinen. Dann, wenn uns unser Gegenüber bewusst oder unbewusst immer nur schlecht fühlen lässt, uns manipuliert oder zu kontrollieren versucht. Dann, wenn uns die Beziehung die meiste Zeit unglücklich zurücklässt und uns selbst immer nur hinterfragen lässt. […]

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