White Girl Beauty: Wieso der Clean Girl Trend andere Menschen ausschließt – und die Ironie dahinter

29. August 2022 von in

Wer auf TikTok oder alternativ Instagram Reels rumhängt, wird sie kaum übersehen können: Die Clean Girls. Eine Ansammlung an *natürlichen* Mädels, die allesamt den no-make-up-make-up Look in eine hippe Gen-Z-Version ge-updatet haben, die nun den Namen Clean Girl Aesthetic trägt. Und wie alle guten Dinge fing dieser riesige Trend mit einem kurzen TikTok-Sound an: 

„Kennt ihr diese Mädchen, die immer clean aussehen? Deren Haut immer glänzend ist, und die nie so aussehen, als würden sie zu viel Make-up tragen? […]“

Nicht lange hat es gedauert und der Sound nahm richtig an Fahrt auf. Zu dem Zeitpunkt war meine – und bestimmt auch deine – For-You-Page vollgespült mit Videos zum Thema Clean Beauty. Und seitdem teilen sehr viele sehr hübsche Menschen ihre sauberen Wohnungen, sleeken Outfits und ebenmäßigen Teints mit der Social-Media-Welt. Und daran ist ja erst mal nichts auszusetzen. So weit, so gut. 

Clean Girl Beauty ist ein Trend, der wie ich eben schon erwähnte, nicht so ganz neu ist. In der westlichen Mainstream-Beauty-Welt ist der minimalistische Look als Gegenentwurf zu buntem Lidschatten und knalligem Lippenstift schon seit Jahren im Kommen (und Gehen). Gerade jetzt erlebt er wieder ein krasses Hoch, nachdem Menschen die letzten zwei Jahre mit wenig Make-Up und dafür viel Hautpflege verbracht haben.

@gjuanita trying this natural makeup 🫶 part 2? #naturalmakeup #cleangirlmakeup ♬ original sound – xolizahbeauty

@daniellemarcan no makeup makeup. should I post part 2? Ib @xolizahbeauty #makeup #beauty #makeuproutine ♬ original sound – xolizahbeauty

Eigentlich ist ein Trend, bei dem die natürliche Schönheit von uns allen gehighlighted wird, ja eine super Sache. Aber schon als ich die ersten TikToks von den neuen Clean Girls sah, wurde ich das Gefühl nicht los, dass diese Ästhetik nicht nur konkrete Make-Up-Looks vorsieht. Schaut man sich die ”Clean Girl“-Videos an, merkt man schnell, dass die meisten der Teilnehmer*innen relativ ähnlich aussehen: Helle Hauttypen, glatte Haarstrukturen und schlanke Körpertypen sind hier vorherrschend. 

Denn das Clean Girl ist nicht einfach nur ein *Look*, es ist ein ganzer Lifestyle. Eine Person, die ihr Leben im Griff hat, genug zeitlose Pieces und teure Parfums besitzt und obendrein die Schönheitsideale so erfüllt, dass sie sich eigentlich kaum schminken braucht. Und gerade zu Beginn dieses Trends sorgte das für einige Unsicherheiten in der jungen Userschaft von TikTok. 

Und ehrlich gesagt kann ich da ziemlich gut relaten. Meine erste Reaktion zu der Clean Girl Ästhetik war das Gefühl, diese niemals erfüllen zu können. 

Eigentlich so nah aber sich so unerreichbar: Das Clean Girl

Wenn ich mich nur dezent schminke und mir die Haare in einem Dutt zusammenbinde, dann sehe ich meist ziemlich fertig aus – hauptsächlich wegen meiner genetisch bedingten Augenschatten. Aber ach generell habe ich ein Problem mit Hyperpigmentierung, ein Phänomen, das dunklere Hauttypen einfach mehr betrifft, als helle. Dazu habe ich außerdem viele Gesichtshärchen, die plain and simple schwarz sind – und dadurch extrem auffallen. 

Und da wär da noch eine andere Sache: Mein Körper. Eigentlich bin ich recht zufrieden mit meinem Körper aber was mich von Zeit zu Zeit einholt sind meine Brüste. In Pullis fällt es kaum auf, aber eigentlich sind sie mir persönlich unangenehm groß – und dadurch nervig auffällig, sobald ich etwas Engeres trage. 

Es gibt bestimmt Schlimmeres im Leben, aber mit diesen paar Merkmalen falle ich eigentlich schon komplett aus dem Clean Girl Beauty Raster raus. Und das ist ein Problem. 

Nicht, weil ich unbedingt Teil dieses Trends sein will – ich hab schon längst Frieden mit meinen Gesichtshaaren, Augenringen und ungewollte Kurven geschlossen. Sondern, weil dieser Trend den Teenagern von heute vermeintlich effortlessly beautiful Girls am Laufenden Band präsentiert – die allesamt weiß, schlank und Akne-frei sind. 

Es ist eigentlich genau das, was schon in den 2000er-Jahren oder in den 2010ern das Ideal schlechthin war. Nur dieses Mal getarnt als „harmlose“ Ästhetik, die ja eigentlich jeder erreichen könnte – wenn man denn bestimmte Körpermerkmale erfüllt. 

Besonders hart getroffen hat mich dabei das Wort „Clean“. Denn auch wenn es gar nicht so gemeint ist – es impliziert, dass jede Person, die aus besagtem Raster fällt, irgendwie *unsauber* wäre. Zu dunkel, zu behaart oder mit zu viel Struktur im Haar. Ich würde schon so weit gehen, zu sagen, dass dieser Trend sich an bereits bestehenden, rassistischen Schönheitsidealen bedient und diese bestärkt.

Die Ironie hinter dem Clean Girl Trend

Trends, die exklusiv für weiße Menschen sind, sind leider nichts neues. Und deshalb finde ich es umso wichtiger, das Gespräch zu öffnen und anzusprechen, ob und wie sie andere Menschen wegen ihres Aussehens ausschließen. Denn niemand soll sich weniger schön oder akzeptiert fühlen, nur weil man einen Trend nicht erfüllen kann.

Bei der Clean Girl Ästhetik ist das alles leider besonderes ironisch. Denn bevor weiße Menschen diesen Trend für sich beansprucht haben, war ein slick-back-Dutt mit minimalem Make-Up und Lipgloss der signature Look vieler Schwarzer oder auch Latina Frauen in Amerika. Und das wird auch seit geraumer Zeit auf TikTok thematisiert:

@brittrodriguezz But why did my grandma put so much gel? 🤣😭 #lowbun #mexicanlife #cleangirl #cleangirlaesthetic #cleangirllook #mexicanamerican #mexicana #latina ♬ sonido original – Erick Maravillas

@jordxn.simone Replying to @biggestjoke its not as harmless as we think, i think #slugging #vaseline #cleangirl #cleangirlaesthetic ♬ Bad Habit – Steve Lacy

Die TikTokerin @jordxn.simone beschreibt es ganz gut und erklärt, dass dieser bereits Jahre bestehende Look genommen und exklusiv für weiße Menschen neu gebrandet wurde. Der Name „Clean Girl“ fühle sich für sie besonders falsch an – gerade vor dem Hintergrund, dass Schwarze und Braune Körper von der westlichen Gesellschaft lange Zeit als „unsauber“ oder „unrein“ angesehen wurden. 

Die YouTuberin Taylor Cassidy diskutiert den Trend ebenfalls und hebt dabei hervor, dass der „Clean Girl Look“ bei Schwarzen Frauen oft als „Ghetto“ bezeichnet wird. Dass dieser Look auch als attraktiv gelten kann, sei nur für weiße Frauen reserviert. Sie stellt zum Abschluss klar, dass sich weiße Menschen seit Jahren an den Kulturen von BIPoC bedienen und diese als etwas neues verkaufen. Der Clean Girl Trend ist dabei nur das neueste Beispiel. Dabei könne man verschiedene Looks doch auch übernehmen, ohne sie als etwas neues zu verkaufen. Und denen, die sie eigentlich erfunden und etabliert haben, auch die Credits dafür geben.

Also jetzt doch nicht Clean Girl? Eine Zusammenfassung

Ich stimme Taylor in dem, was sie sagt total zu. Denn eigentlich tut ein Dutt oder Lipgloss niemandem weh. Was allerdings ziemlich hart trifft, ist wenn plötzlich so getan wird, als wäre das was Neues und vor allem nur erreichbar, wenn man weiß ist. 

Ich selbst weiß zumindest für mich, dass ich mich nicht schlecht fühlen brauche, nur weil ich die Clean Girl Ästhetik nicht erfülle. Und ich hoffe auch für jede andere Person, dass sie sich diesen Trend nicht zu sehr zu Herzen nimmt: Denn Beauty-Trends kommen und gehen. Wichtig ist immer, sich bewusst zu machen, woher diese Trends kommen und ob sie nicht politischer sind, als anfangs gedacht.  

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