Edinburgh oder der endlose Herbstspaziergang

7. November 2018 von in

Es gibt diese romantischen Filme, in denen ganz viel und gleichzeitig gar nichts passiert, während die Protagonisten einfach nur spazieren. Durch die Wiener Sommernacht in Before Sunrise, durch den New Yorker Herbsttag in Harry und Sally. Die Gespräche verschmelzen mit der Romantik der Stadt, und man hat so viele Gefühle, obwohl alles andere passiert, als actionreiche Verfolgungsjagden.

So ziemlich genau wie in diesen Filmen habe ich mich letzte Woche gefühlt, auf dem endlosen, tagelangen Spaziergang durch Edinburgh mit Amelie. Schon sieben Monate wohnen wir nun nicht mehr in einer Stadt, jedes Wiedersehen wird dadurch besonderer. Für das Wiedersehen letzte Woche suchten wir uns Edinburgh aus, unsere Herzensstadt, in der wir uns seit dem ersten Besuch vor ganzen zehn Jahren so wohl fühlten, wie sonst nirgends, und in der wir gemeinsam eine alte Freundin besuchten. Edinburgh ist gloomy, egal ob gerade Halloween ist oder der erste Frühlingstag, selbst im August, wenn die Darsteller des Edinburgh Festivals durch jede Gasse tanzen, behält die Stadt ihren düsteren Charme. Die dunklen Steinhäuser reihen sich in verschlungenen Kopfsteinpflastergassen aneinander, jedes ein bisschen anders in seinen Giebeln und Schornsteinen. Und wenn sich die Sonne mal blicken lässt, ist das Licht in dieser Stadt nichts als magisch.

Man kann in die Highlands fahren, wenn man Edinburgh besucht, man kann auch ans Meer fahren, Burgen und Seen besuchen und die schottische Landschaft auf sich wirken lassen, die eine ganz besonders wundervolle ist. Man kann aber auch, und das ist das besonders Schöne an Orten, die man schon öfter bereist hat, die Tage auf sich zukommen lassen und sich einfach treiben lassen in den Straßen. Genau das haben wir dieses Mal gemacht, und sind dabei so viel gelaufen, wie noch nie. Unser Ausgangspunkt war diesmal Morningside, eine Gegend im Süden, die ein bisschen mit dem Prenzlauer Berg oder Haidhausen vergleichbar ist. Hier gibt es Feinkost-Käseläden, die ich mir nicht hätte erträumen können, die besten Bäckereien Schottlands, Schokoladenläden, Vintageläden, prunkvolle Caféhäuser und Restaurants, und man möchte gar nicht, dass die Morningside Road jemals aufhört, wenn man sie entlangspaziert.

Durch Bruntsfield, das Nachbarvierel von Morningside und genauso umwerfend, geht es in die Meadows, den Park, von dem aus man die Berge sieht und in dem man selbst im November stundenlang auf Sonnenbänken sitzen kann. Hinter den Meadows wartet das typische Edinburgh, die Altstadt mit dem Edinburgh Castle, den Harry-Potter-Lädchen und dem Grassmarket, auf dem nur noch Pubnamen wie „The Last Drop“ daran erinnern, dass hier früher Menschen hingerichtet wurden. Biegt man nach links ab, führt der Weg über das westliche Ende der Princes Street nach Dean Village, einer Gegend, in der man sich endgültig ins Mittelalter zurückversetzt fühlt. Der Fluss Water of Leith führt unter Brücken, so hoch wie direkt aus Herr der Ringe entsprungen, bis in das Neukölln Edinburghs: Leith, das Viertel am Hafen, in der alles weniger lieblich, aber dafür umso aufregender zugeht, und in dem man wohnt, wenn einem Morningside und Bruntsfield zu erwachsen sind.

Biegt man vom Grassmarket aus rechts ab und läuft einmal durch die Altstadt, kommt man auf der östlichen Princes Street heraus und ist in ein paar Minuten oben auf dem Calton Hill angekommen. Hier liegt einem Edinburgh zu Füßen, der Blick reicht bis zum Meer, über das Edinburgh Castle bis zu den Bergen, und rüber zum Arthur’s Seat, dem kleinen Gipfel mitten in der Stadt, den wir vor ein paar Jahren bestiegen.

Man könnte unendlich viele Tipps für Edinburgh aufzählen, denn um ehrlich zu sein ist es relativ egal, in welchem Pub, in welchem süßen Café oder in welchem Vintageladen man landet, sie sind alle umwerfend. In Edinburgh geht das Treibenlassen wirklich ganz vorzüglich, trotzdem hier ein paar unserer Highlights:

  • Vegetarische Burger und Bier bei Paradise Palms
  • Scones mit Clotted Cream zwischen Omas bei Blackwood Coffee
  • Frittierter Tofu, vietnamesische Köstlichkeiten und Joker Beer bei Saboteur
  • Jeder Bier der Welt im Brauhaus Pub
  • Ein Charity Shop neben dem anderen auf der Morningside Road
  • Heiße Schokolade bei Chocolate Tree
  • Frische Austern im Timberyard
  • Das beste Eis bei Affogato
  • Der schönste und einfachste Blick vom Calton Hill

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