Pretty Privilege: Die Schönen und verdammt Bevorteilten

6. März 2023 von in
Collagenbilder: Pixaby & Pixaby 

Privilegien sind allgegenwärtig. Sie werden genossen oder vor Augen geführt. Viel besprochen, aufgebrochen, oder lautstark von sich gewiesen. Denn so bequem sie auch sind, ist es in den meisten Fällen unbequem, mit ihnen konfrontiert zu werden. Ein aktuelles Beispiel ist das Gesprächsthema, was das Internet seit Ende 2022 beschäftigt: die Nepo Babys. Personen, die durch Nepotismus aka. Vetternwirtschaft bestimmte Privilegien genießen und somit Zugang zu Räumen und Ressourcen haben, die nicht für alle zugänglich sind. Sei es in Bezug auf Macht, auf die Ausbildung, auf Berufe oder anderes. Es ist eine Art unsichtbares Netzwerk, die Welt der Reichen und Schönen. Was uns zum eigentlichen Thema der Kolumne führt, dem Pretty Privilege, eng verknüpft mit den Nepo Babys, die auch Teil der Influencer:innen und Celebrity-Szene sind. Die uns vorlebt, wie einfach alles sein kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Oder eben einfach wahnsinnig gut aussieht. Etwas, das mich stark an Kim Kardashian’s Statement zum Thema „Nobody want’s to work“ erinnert.

@jareenimam #stitch with @ashlicash pretty people may be more successful @jareenimam #prettyprivilege #socialscience #corporatepolitics #workculturematters #successfulpeople ♬ original sound – Jareen Imam

Pretty Privilege & Nepo Babys: Der ultimative Shortcut

Doch wie realitätsnah ist diese Aussage von jemandem, der aufgrund seiner Äußerlichkeiten so viele Privilegien genießt? So auch die Kritik an den Nepo Babys oder eher gesagt Töchtern und Söhnen erfolgreicher Eltern, die in Interviews davon erzählen, wie sie ihren großen Durchbruch geschafft haben. Wie Jane Fonda (Tochter von Schauspieler Henry Fonda) oder Lily-Rose Depp (Tochter des Celebrity- und Schauspieler-Paars Johnny Depp und Vanessa Paradies. Hier greift nicht nur die Parabel des Nepotismus, sondern auch des Pretty Privileges, das einem ähnlich mühelos durchs Leben verhilft. Denn wie negative Stereotypen, so sind auch positive Stereotypen existent, die umgekehrt dafür sorgen, dass Menschen bestimmte Dinge zugeschrieben werden – die sie vielleicht gar nicht haben. Einfach so, in Form von Annahmen und mit der Match des Pretty Privileges.

Das erste Mal bin ich auf den Begriff bei TikTok gestoßen, wo das Phänomen und alles, was damit zusammenhängt, stark diskutiert wurde. Sachlich, emotional und in all seinen Facetten. Doch ich denke, die meisten von uns haben auf die ein oder andere Weise schon ihre ganz persönlichen Berührungspunkte damit gehabt. Sei es im Job, beim Dating – eben überall da, wo Menschen aufeinandertreffen. Wohl wissend, dass die Welt, in der wir leben, nicht für alle gleich (einfach) funktioniert. Denn je nachdem wo man aufgewachsen ist, was man für eine Herkunft oder sexuelle Orientierung hat [insert weitere sichtbare und unsichtbare Merkmale] wird man anders wahrgenommen.

@qovesstudio @Willow cc. There are many social benefits to being attractive. Most people know only about the halo effect but its only once such example out of 6. #prettyprivilege #qoves #beauty #modelling #aesthetics ♬ original sound – QOVES

Ist der „selfmade“ Weg zum Erfolg nur eine Illusion?

Eines der ersten Merkmale, die einem natürlich ins Auge springen, sind die physischen – also die Optik und das Aussehen. Mit der entscheidenden Frage: Entspricht man den gängigen Schönheitsidealen, die an dem Ort herrschen, an dem man sich befindet? Und ja, man möchte an dieser Stelle gerne einwenden, dass Schönheit doch im Auge des Betrachters liegt und in Anbetracht unserer woken Zeiten, doch eigentlich mehr ein Konstrukt ist, als wirkliche Relevanz hat. Doch seien wir nicht desillusioniert. Denn dem ist (leider) nicht so.

Der Unterschied, der sich hier bemerkbar macht, ist das sogenannte Pretty Privilege, also das Privileg der Schönheit. Laut dem Urban Dictionary definiert als die Vorteile, die eine Person genießt, die objektiv als schön wahrgenommen wird und die ihr dabei helfen, im Leben erfolgreich zu sein.  Was sich unter anderem im Job oder anderen Bereichen äußern kann. Denn Beauty attracts und führt dazu, dass andere von einer Art Cheerleader-Effekt oder dem vielversprechenden Aushängeschild profitieren wollen. Erstmal völlig unabhängig davon, was im Inneren steckt.

Leben wir in einer Welt mit unerreichbarer Messlatte?

Schönheit oder Familienname, beides öffnet Türen, was grundsätzlich nicht schlecht ist. Schwierig wird es nur, wenn dieser Umstand nicht anerkannt wird. So die Kritik an dem nonchalanten DIY-Geist der Nepo Babies, die sich über vermeintlich unabhängige Karrieren profilieren. Und auch beim Pretty Privilege gibt es eine ähnliche Kritik. Die verbreitet sich aktuell auf TikTok, denn immer mehr Kreator:innen sprechen auf der Plattform darüber, wie genau sie vom Pretty Privilege profitieren konnten und wie einfach auch ihre Follower:innen davon profitieren können. Denn wie alles, ist auch dieses Pretty Privilge eine ausgefeilte Maschinerie, deren Ausmaße wir mittlerweile alle gewohnt sind.

Im TV suchen sie die schönsten Mädchen*, attraktivsten Matches oder erfolgreichsten Unternehmer:innen. Alles immer im Superlativ, was die Messlatte für „Normalos“ ganz schön hoch hängt. Wie soll man einem Standard entsprechen, der nicht für einen gemacht ist? Und wie kann man vor allem, wenn es um reale Dinge wie Jobs geht, mit den als schön – und somit privilegierter – wahrgenommenen Menschen mithalten? Denn vor allem Dinge, die sich auf kurzfristige Impressionen beziehen, wie das Äußere, sind gesetzte Attribute. Außer, man lässt sie kosmetisch und plastisch verändern.

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Pretty Privilege: Risiken und Nebenwirkungen

Was uns auch schon zum gefährlichsten Punkt des Pretty Priviliege führt: der toxischen Selbstoptimierungs-Spirale, die besonders für Jüngere verheerende psychologische Folgen haben kann. Denn der zum Pretty Privilege dazugehörige Lifestyle, der einem vorgelebt wird, scheint ganz schön verlockend. Doch zu welchem Preis? Der Körper verändert sich mit der Zeit und so auch die allgemeine Wahrnehmung von „Schön“. Hourglas-Shapes, Heroine-Chic, Bombshell-Body oder doch ganz androgyne Körperideale? Wie soll man da up to date bleiben?

„Don’t hate me cause I am Beautyful“, sang Keri Hilson in ihrem Song „Pretty Girl Rock“ und auch Beyonce’s „Pretty hurts“ stimmt dem zu, mit einem: „Mama said, ‘you’re a pretty girl’ / What’s in your head, it doesn’t matter / Brush your hair, fix your teeth / what you wear is all that matters.“  Und damit hat sie nicht ganz unrecht, den schon im antiken Rom wurde ein athletischer, optisch makelloser Körper, als Symbol von ‚Gut und Tugenhaft‘ gesehen. In unserer heutigen Welt übersetzt in: Erfolgsversprechen genug, um auf ihn:sie zu setzen.

Machtverschiebung: Das Selbstbild im Außen

Persönlich finde ich es immer schwierig, wenn es um mein eigenes Aussehen geht. Ich weiß natürlich, dass ich aufgrund meiner light-skinned HautfarbeVorteile genieße, die Menschen mit einer dunkleren Complexion nicht haben. Und natürlich kommt mir auch in einigen Fällen meine Sexualität zugute – was zeigt, dass auch das Pretty Privilege intersektional ist und verschiedenen Ebenen hat, die innerhalb des ganzen Systems für eine eigene Hierarchie sorgen. Trotzdem haben diese Art der Vorteile natürlich immer einen etwas bitteren Beigeschmack, da immer eine Art unsichtbarer Handel stattfindet, von dem man nicht weiß, was man selbst gerade eintauscht.
Vielleicht tue ich mich deshalb auch so schwer mit Komplimenten, die mein Aussehen betreffen, denn zu einem gewissen Grad finde ich es beängstigend, nur davon (und im Umkehrschluss) den Geschmäckern von anderen ausgeliefert zu sein. Denn im einen Moment, bist du schön und bevorteilt und im nächsten, nicht mehr relevant. 

Privilegien sind das, was wir draus machen

Wo stehen wir also, wenn sogar psychologisch bewiesen feststeht, dass der „Charakter nicht wirklich zählt“ – zumindest auf den ersten Blick. Denn so unfair dieses Pretty Privilege natürlich auch für alle ist, die es nicht haben, so beschränkend kann es für die anderen sein. Denn wer einmal diesen Stempel erhalten hat, wird ihn schwer wieder los. Und hat eine Existenz innerhalb der Barrieren gefunden. Ein klassisches Beispiel also dafür, wie unterschiedlich die Medaillenseiten sein können, die auf beiden Seiten Gewicht haben. Existenziell, aber auch für die persönliche Entfaltung.

Und mal wieder behält der abgedroschene Spruch „Kleider machen Leute“ oder in dem Fall, „Das Äußere mach Leute“ recht. Denn wie wir es auch drehen und wenden, wir können unsere Augen nicht verschließen. Nur konstant hinterfragen und unsere eigenen Privilegien checken. Denn mit dem Bewusstsein, dass wir sie haben, können wir daran arbeiten, bestimmte Barrieren abzubauen und uns vor allem gegenseitig zu empowern und unterstützen. Denn Vorteile, wie das Pretty Privilege führen uns zwar an bestimmte Positionen, doch am Ende zählt immer, was wir daraus machen. Vermeintlich…

Doch allein den ersten Schritt dorthin erleichtert zu bekommen, spart einem natürlich viel (harte Arbeit), das konstante Zweifeln, vielleicht ‚fehl am Platz zu sein‘ und das sich immer wieder aufs Neue beweisen zu müssen. Bei Menschen und in Räumen, die oft nicht daran interessiert sind, Platz für Neues oder Andere außer ihre eigenen „Bekannten“ zu machen. Und genau an diesem Punkt entsteht das ganz schön passende Bild von „Privilegien“, die schlussendlich dafür sorgen, dass Chancengleichheit ein nett gemeintes Konstrukt ist, bei dem nicht zählt, wie viel du gibst, sondern nur, dass ‚wo du herkommst‘ und ‚wen du kennst‘. 

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