Alle wollen nix Festes, aber was wollen sie dann?

24. August 2023 von in
Hands down, wer kennt diesen Converstaion-Starter? „Hey, was suchst du eigentlich hier?“ [Insert Antwort deiner Wahl] und du?“– „Nix Festes“  

Eine meiner Standardantworten ist: „Na, wie alle hier natürlich die große Liebe, Haus, Hund und Webergrill“.

Aber jokes aside. Wieso Leute auf Datingplattformen unterwegs sind, ist doch relativ selbsterklärend. Genauso wie man in den Supermarkt geht um einzukaufen, oder mit Badekleidung ins Schwimmbad und nicht unbedingt zum Wandern. Klar gibt es individuelle Unterschiede, wonach man gerade sucht, aber die Grundintention lässt sich ja ziemlich leicht eindämmen. Wonach dann natürlich immer noch nicht vorausgesetzt wäre, ob man sich das mit der Person, die man da gerade virtuell trifft, überhaupt vorstellen kann. Also wieso ist da diese fast manische Notwendigkeit, innerhalb der ersten drei Sätze diese zwei kurzen Silben zu platzieren – oft sogar ungefragt?

Der Elefant im Raum aka das inflationär verwendete Buzzword

Ok. Cool, [Insert Name der Wahl]. Aber „What happend to hello? How are you? My name is?”

Hater würden jetzt sagen: “Klassisch Generation Beziehungsunfähig“, aber ganz so einfach ist das nicht. Klar ist die Phrase ‚Nix Festes‘ ein wiederkehrendes Muster, was wir alle schon mal gehört haben, aber mittlerweile ist es zum Massenphänomen geworden. Zu DER Pick-up-Line schlechthin, die ohne erfragt worden zu sein, in den (virtuellen) Raum geschmissen wird. Denn es hat den Anschein, 2022 daten alle nur noch ‚weil man das so macht‘, aber wissen selbst nicht wirklich, was sie so suchen. Abgesehen von sich selbst. Und natürlich ’nix Festem‘. Aber was genau bedeutet das? Und wonach suchen alle eigentlich? Nach sich selbst? Dem Sinn des Lebens in jemand anderem? Kompensation und Lückenfüller auf Zeit?

 

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Leiden wir an Dating-Verwirrung?

Es scheint nämlich fast so, als würden sehr viele an einer Dating-Verwirrung leiden. Kompromisse eingehen, weil der Zeitgeist es einem suggeriert und sich selbst versuchen im Anderen zu finden. Denn der Mensch funktioniert im Kollektiv, mit dem er sich misst und vergleicht, verbindet und von dem er sich abgrenzt. Aber in dem alles in Bewegung ist ­– eben nix festgesetzt ist.

Genau das scheint Beim Dating-Prozess die alles zu erklärende Antwort auf die Frage zu sein, was genau man hier macht: irgendwie in Bewegung sein, in Kontakt treten und wieder loslassen. Willkommen in der Ära der Situationships. Hier nimmt die Kennenlernphase kein Ende, niemand will was Festes, aber alle wollen das Gefühl davon erleben, wie es ist, jemanden zu haben. Aber nur als Cosplay. Was sich daraus ergibt ist eine Aneinanderreihung von Begegnungen, die alle relativ ähnlich ablaufen. Man lernt sich kennen. Findet sich sympathisch. Keiner will was Festes. Man verbringt viel Zeit miteinander – in einer oft beziehungsähnlichen Konstellation. Bis eine:r dann aussteigt. Mit vagen Formulierungen, dem Bezug auf nix Festes. Au Revoir.

Jemand wollte mehr, der:die andere nicht. Jemand ist verwirrt, der:die andere nicht. Jemand ist transparent, der:die andere nicht. Jemand dachte, er:sie, kann den:die andere:n überzeugen – ging natürlich nicht.

So oder so: zufriedenstellend ist keine der Situationen so wirklich. Zumindest nicht auf Dauer. Daher nennt man sie auch klassisch: Situationships. Das sind Arrangements auf Zeit, die eigentlich ein fest gesetztes Ablaufdatum haben. Schwierig wird es nur, wenn das nicht kommuniziert wird. Dann hängt man nämlich in halbgaren Commitments, die irgendwie nicht so richtig passen wollen. Und das auch noch auf unbestimmte Zeit. Mit tickenden Uhren. In einer Dauertestphase ohne Sinn und Verstand. Sind wir also alle einfach zu blöd, um Bedürfnisse zu artikulieren oder wieso lassen wir uns doch immer wieder auf solche (zwecklosen) Übereinkünfte ein?

Wahrheit oder Lüge: Kein Drama, keine Verpflichtungen

Wieso ich mich gerade jetzt damit beschäftige? Weil ich aktuell viel über das Thema gesprochen habe. Mit Singles und Leuten in Beziehungen. Und egal, wen man fragt, alle wollen nix Festes. Ganz schön individuell. Dennoch kann sich niemand das kollektive Augenrollen verkneifen. Denn niemand kann diese zwei Worte mehr hören. Geschweige denn ernst nehmen. Die werden nämlich auf Dauerschleife gepredigt. Wie eine hängengebliebene Schallplatte. Und fast so, als wären sie der auswendig gelernte Notfallplan. Just in Case. Damit man noch einen Ausweg hat, falls es zu schnell zu ernst wird. Dann kann man sich immer auf das Kleingedruckte berufen und ohne Drama vom Acker machen. Mit der Hoffnung, auf wenig ‚Stress‘ aka etwas zu viel zwischenmenschlich investieren zu müssen. Aber nur um das Körperliche soll es eben auch nicht gehen. Es soll mehr sein, aber nicht zu viel, dass es permanent von Dauer sein müsste.

Wir sind geübter darin Lückenfüller auf Zeit zu sein, als feste Bindungen einzugehen

Eigentlich fair. Denn es gibt eben Leute, mit denen kann man sich keine Zukunft vorstellen, aber eine gute Zeit haben. Und solange das beidseitig funktioniert, ist das auch hervorragend. Doch der Definitionsraum von ‚Nix Festem‘ liegt irgendwo im Spektrum von ‚Nur was Körperliches auf Zeit bis hin zu wir gucken, was so geht, und vielleicht wird es was Ernstes‘ – Es ist kompliziert.

Nix Festes hat viele Facetten

Einerseits gibt es die Fraktion, die (wirklich) nix Festes will. Weil es gerade nicht in den eigene Lebensplan passt. Weil man sich selbst noch findet und ausprobieren möchte. Weil man gerade aus einer Beziehung kommt und Zeit braucht oder grundsätzlich kein Interesse hat, sich langfristig zu binden. Denn das Gute 2022 ist ja, dass Beziehungen in den verschiedensten Formen daherkommen. Wichtig dabei ist nur, dass alle Beteiligten on the same page sind.

Schwierig wird es aber dann, wenn ‚Nix Festes‘ als Ausrede dafür verwendet wird, sich nicht damit auseinanderzusetzen, was man selbst vom Leben und ‚Beziehungen‘ will. Das charakterisiert nämlich Fraktion 2, die aufgrund der Komplexität des Ganzen mittlerweile nicht mehr nur einfach als Fuck Boy:Girl:Person abgestempelt werden kann. Sondern, die eher versucht, die Selbstfindung im Spiel des Lebens zu überspringen. Und das mit Hilfe von anderen, die als nicht-feste:r Partner:in in Crime die Antwort auf die Frage ‚Wer bin ich und was will ich‘ sind.

 

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Nix Festes und nix festes sind ein meilenweiter Unterschied

Übersetzt heißt ‚Nix Festes‘ in diesem Szenario nämlich meistens Folgendes: Ich weiß nicht, wer ich selbst bin. Ich weiß nicht, was ich will. Ich habe unaufgearbeitet Altlasten. Ich brauche jemanden zum Kompensieren. Ich projiziere etwas auf dich und bin nicht wirklich an dir interessiert. Sondern mehr an dem Gefühl, dass du mir gibst. Ich habe Angst davor, allein zu sein. Ich habe Angst vor meinen Gefühlen. Ich weiß nicht, wie man sich auf eine Person einlässt. Ich bin mit mir selbst nicht im eeinen und auf der Suche nach Validation im Äußeren. Und da wirklich selten mal jemand nachfragt, was genau die persönliche Definition von ‚Nix Festem‘ eigentlich ist, bleibt es dabei, dass man immer aufs Neue in romantisierten Situationships festhängt, die eigentlich zu nichts führen. Als würden wir wahlweise unseren Streaminganbieter alle drei Monate wechseln. Der ist schließlich monatlich kündbar, und warum überhaupt festlegen?

Und dann?

Aber zurück zu meiner Kernfrage: Wenn alle nix Festes wollen, was wollen sie dann? Denn genau das scheint das größte Dating-Mysterium ever zu sein. Und ich verspreche euch und mir: Beim nächsten Mal frage ich nach. Was genau einen innerhalb dieser Phrase erwartet. Die ist nämlich so schwammig, dass sie ganz schön zu Missverständnissen führen kann. Man Freund:innen dabei zusieht, wie sie jemanden verändern wollen oder mit der Hoffnung auf mehr Dinge eingehen, die sie so eigentlich nicht unbedingt wollten. Eben Kompromisslösungen. Das ist nicht immer schön und ganz schön anstrengend. Ein Grund, wieso ich jetzt schon mehrfach meine eigenen Dating-Muster adjustiert habe und bestimmte Typen wie die Pusher-Handy-Boys absolute Red Flags sind. Aber nix Festes auf Langzeit ist eben auch keine Lösung, oder?

Persönlich denke ich, dass Situationships (mit der Nix Festes-Devise) ihre positiven Seiten haben – aber nur, wenn die Kommunikation stimmt. Denn genau das ist das, was sie kompliziert macht. Statt also zu sagen „Ich suche nix Festes“ bevorzuge ich je nach State of Mind die folgenden Formulierungen: „Das ist die Situation, in der ich mich gerade befinde und daher fühle ich mich momentan nicht bereit dafür jemand anderen langfristig in mein Leben zu lassen“. Denn nix Festes ist nix Schlechtes, nur nervenzehrend, wenn man selbst nicht weiß, was man will und wo man gerade steht. Dann ähnelt es oft einer langwierigen Stop-and-go-Stau-Phase mit Zeitverschwendung und Hinhaltetaktiken – ganz schön ätzend.

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