Ich kann den Moment noch immer spüren. Es war August 2007, ich saß mit Amelie am Fenster unseres Pariser Hotelzimmerchens und blickte auf die Straßen von Montmartre. In der Hand eine Zigarette fühlte ich mich ziemlich wie in jedem Godard-Film, den ich bis dahin gesehen hatte, und ästhetisch so inspiriert wie noch nie. Mit Amelie, die mich als neue Bekanntschaft, die in Windeseile zur engsten Freundin geworden war, so umgehauen hatte wie noch keine war ich gerade in meiner Lieblingsstadt, die mich so inspirierte wie sonst keine. Und fühlte mich ganz plötzlich ein bisschen anders als zuvor, vom Gefühl her war ich plötzlich ein Stück älter geworden, und hatte das starke Bedürfnis, das auch irgendwie äußerlich sichtbar zu machen.
Bis Weihnachten sind mein Pony rausgewachsen und man kann meine Naturhaarfarbe sehen, teilte ich Amelie mit. Ich hatte die natürlichen Pariser Schönheiten vor Augen, die da unten auf der Straße vorbeiliefen, und fand plötzlich jegliche Färbeversuche, die ich bisher unternommen hatte, kindisch und daneben. Gefärbt hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt immer, ohne das Prozedere je zu hinterfragen. Mit 11 hatte ich knallrote Haare wie meine Freundinnen und das Gefühl, damit ein bisschen mehr die Hexe zu sein, als die ich mich vorübergehend fühlte. Mit 12 wurde aus dem Rot erst Rotbraun, dann Dunkelbraun. Ein Drogerie-Farbton, der leider nur ein paar Haarwäschen lang voll und satt aussah, dann aber seine dunklen Pigmente verlor und einen seltsamen Bordeauxschimmer hinterließ, den ich nicht hinterfragte, obwohl er die meiste Zeit meine Haarfarbe ausmachte.
In diesen Weihnachtsferien nun stand ich zur Abwechslung mal in einem Tageslichtbad und föhnte meine Haare, als da plötzlich etwas anderes glänzte. Weiße Haare reflektierten die Sonne, als sie von der Föhnluft durchgewirbelt wurden, und ich sah zum ersten Mal: Ich habe nicht nur ein verirrtes graues Haar, ich habe einige davon. Weiße Haare um genau zu sein, die schon eine ganze Weile unentdeckt da sein müssen, denn sie sind so lang wie all die anderen.
Und doch sind graue Haare, erst eines, dann zehn, dann langsam 20 oder mehr, eine ganz schöne Herausforderung. Sie sind plötzlich da, kamen mit der 30 durch die Tür, und geben mir zum ersten Mal wirklich das Gefühl von Vergänglichkeit. Gerade weil der Moment, in dem ich meine Naturhaarfarbe endlich herauskommen lassen wollte, noch so präsent ist. Und weil ich diese Farbe, meine Farbe, meine Haare so sehr mag.
Natürlich sind die grauen Haare bisher nicht viele. Und nur bei genauerem Hinsehen existieren sie für alle außer mich überhaupt. Und doch merkte ich, wie ich mich innerlich schon darauf einstelle, von nun an mit regelmäßigen Ansätzen konfrontiert zu sein und diesen ganz besonderen leichten Goldschimmer in der Sonne nie mehr wiederzusehen. Noch ist es nicht so weit, aber ich weiß, dass auf 20 graue Haare weitere 20 folgen und noch mehr. Und ich weiß, dass ich mit 30 noch nicht bereit für komplett grauen Haare bin, so schön ich sie auch bei anderen Frauen in meinem Alter finde. Gleichzeitig finde ich die hellen Schlieren zwischen meiner Naturhaarfarbe sogar irgendwie schön, und stelle es mir viel netter vor, nach und nach graue und weiße Haare zwischen meiner Naturhaarfarbe zu finden, als ab sofort zu färben und damit immer einen Ansatz zu haben. Wie schnell das Ergrauen tatsächlich vor sich gehen wird, weiß schließlich auch niemand, und die Naturhaarfarbe ist etwas, was nie wiederkommen wird.
Noch weiß ich nicht, wie ich mit meinen weißen und grauen Haaren umgehen werde. Nur so viel: Diese Gedanken habe nicht nur ich. Wie also steht ihr zu euren grauen Haaren? Wer hat schon welche gesichtet, und was waren eure Konsequenzen?
6 Antworten zu “Von ersten grauen Haaren und dem Versuch, sie zu lieben”
Ich war 20 als meine Uni-Freundinnen an einem Vino-Abend die ersten grauen Haare bei mir am Hinterkopf entdeckten. An dem Abend war das ein Riesending, weil graue Haare bekommt man doch erst mit 40 oder doch nicht? In den nächsten Jahren stellte sich dann aber raus, dass viele meiner 20er Freundinnen & Freunde auch schon mit den ersten grauen Haaren gesegnet wurden. Richtig cool findet man das natürlich nicht und ich verfahre auch so, dass ich die vereinzelten Haare seitdem auszupfe. Das Konzept wird natürlich irgendwann hinfällig, wenn sich die Haare häufen. :D Bisher und mittlerweile bin ich fast 28 funktioniert das aber ganz gut. Irgendwann würde ich dann glaube ich färben aber finde es an älteren Frauen auch immer ziemlich schön, wenn sie irgendwann einfach dazustehen. Bis jetzt ist mir das nicht gelungen und ich will meine natürliche Haarpracht noch so lange wie möglich ohne graue Haare im Spiegel anschauen.
Ich glaube auch, dass ich schon viel länger graue Haare habe, sie mir aber jetzt erst wirklich aufgefallen sind. Ich hoffe einfach mal, dass sie nicht allzu schnell allzu viele mehr werden, dann bin ich ok damit!
Irgendwie werden meine Haare bis jetzt nicht grau, sondern nur krauser und drahtiger. Besonders schön fand ich sie noch nie, aber mein Gott, ob sie jetzt trocken und frizzy sind oder nicht ändert nichts an meinem Leben. In meinen Zwanzigern habe ich so viel Zeit und Geld und Gedanken meinen Haaren gewidmet (looking at you curly girl method), dass ich jetzt einfach zu faul bin 😊
Haha, wahrscheinlich sind wir innerhalb der letzten Monate alle ein bisschen fauler geworden, was Frisuren und gut sitzende Haare angeht!
Mein erstes graues Haar hat mal ein Date entdeckt .. beim Spazierengehen. Ich war SO geschockt. Vor allem, weil ich erst 24 war. Meine Mama hat mir dann eröffnet, dass sie schon mit 17 ein graues Haar hatte. Ohweia.
Oh nein :D Ich glaube, einzelne graue Haare kommen früher, als man denkt. Aber das komplette Ergrauen passiert doch selten in den 20ern. Ich bin total gespannt, wie schnell das bei mir weitergeht!