Slow Travel: Einmal Ostsee und zurück

2. Oktober 2018 von in

Wir jetten durch die Welt. Hier ein Wochenende in Barcelona, 48 Stunden in New York, zur Hochzeit für fünf Tage nach Atlanta und beruflich sowieso von Köln nach Berlin jede Woche mit dem Flugzeug. Verzichten – wieso denn, das Flugzeug fliegt doch eh. Die Globalisierung hat ihren Preis, Reisen ist zum Lifestyle geworden, weil wir’s können. Nie waren Flüge billiger, die Bahn verliert preislich zu oft dagegen, die Politik schaut verdrossen zu, andere Probleme scheinen wichtiger. Dabei ist der Klimawandel längst nicht mehr eine Drohung, sondern Realität, und so blicke ich fasziniert wie sorgenvoll auf unser Reiseverhalten.

Das beliebte Wörtchen Wanderlust passt sicher nicht zu mir, ich reise selten, mein ökologischer Fußabdruck ist zumindest hier kaum sichtbar. Gleichzeitig freue ich mich aber für all jene, die die Welt mit großer Freude entdecken. Noch mehr hüpft mein Herz, wenn das Ganze mit Reflexion und Nachhaltigkeit passiert, denn das ist dann doch so wichtig heutzutage. Slow Travel ist das Zauberwort. Reisen soll der Mensch, aber mit Bedacht.

Und so achte auch ich, wenn ich reise, dann doch darauf, dass es nachhaltig ist. Dass der Weg der Reise schon das Abenteuer ist, das Ziel kein hektisches Hetzen durch die Welt, sondern das Genießen des neuen Ortes und der Eindrücke. Als ich diesen Sommer sagte, ich fahre in den Urlaub, war die erste Frage meist „Wohin?“. Meine Antwort: „Nur an die Ostsee.“ „Ah ok.“ „Ja, nichts besonderes, nur eine kleine Auszeit“, fügte ich schnell hinzu. Kein Bali, kein Miami, kein Mexiko. Deutschland, der hohe Norden, noch nicht mal Sonnen-Garantie.

Für eine Woche Ruhe und Durchatmen fiel unsere Wahl einfach auf ein Ziel in der Nähe. Kein stressiges Anreisen durch die Luft, sondern viel mehr ein Treibenlassen auf der Straße. Ursprünglich sollte es in mein geliebtes Italien gehen, am Ende ging es doch in den hohen Norden Richtung Kappeln, hinter Kiel und vor Flensburg.

Das Reisen an sich ist ein Abenteuer. Das wussten schon die großen Dichter. Reiseberichte aus dem fernen Italien, von Goethe voll Leidenschaft beschrieben, beinhalteten längst nicht nur das Erleben vor Ort, sondern auch den beschwerlichen wie aufregenden Weg zum Ziel. Erlebnisse, die sich auf der Reise ereigneten, den Reisenden prägten und zeigten, ich verlasse meinen sicheren Hafen ins Unbekannte. Heute ist der Reisenden oft eingeschlossen – fast wie in einer Kapsel – im Flugzeug. Er wacht an einem Ort auf und am anderen schläft er ein. Der Körper kommt mit, doch Geist und Herz brauchen eine Weile, um die neue Welt zu umarmen.

Ich liebe es, den Reiseweg schon zu erleben, mich auf das Neue einlassen. Die schönsten Erinnerungen an das Reisen meiner Kindheit sind die Autofahrten nachts, im Morgengrauen an der italienischen Raststätte und der erste Blick aufs Meer. Auch diesmal ging es auf einen Roadtrip. Frühmorgens machten wir uns von München aus in den hohen Norden. Ein Ziel hatten wir nicht, erstmal schauen, wie weit wir kommen. Das Verändern der Landschaft wahrnehmen, andere Dialekte am Rasthof hören, Ortsnamen und Kennzeichen zum ersten Mal lesen. Am Ende verschlug es uns in ein kleines Hotel nach Schwerin, am See gelegen, ein bisschen aus der Zeit gefallen. Ausruhen, essen und die letzte Route für den nächsten Tag planen.

Am nächsten Morgen ging es dann vorbei an Lübeck und Kiel nach Kappeln. Hier am Ostseestrand bei Schönhagen hatten wir ein Ferienhaus. Direkt am Strand gelegen, einsam und von Ruhe umrahmt. Hatten wir zu Hause noch Pläne geschmiedet, was wir uns alles ansehen könnten, wurden diese schnell verworfen. Urlaub heißt eben auch nichts tun und sich treiben lassen. Vor allem dann, wenn der Ostseewind einem um die Nase weht, die Sonne aber so wunderbar wärmt.

Strandspaziergänge mit Baby im Gepäck, Großcousine sein ist ganz wunderbar. Fischbrötchen essen mit Blick aufs Meer. Das Meeresrauschen hören oder einfach nur ein bisschen in den Himmel starren. Das Glätteisen blieb im Koffer, Wimperntusche und Brauengel waren das Einzige, das ich aus meinem Beautyarsenal auspackte. Gedanken über das Outfit gab es kaum, Hauptsache bequem, warm und sauber. Ausflüge führten uns nur für einen Kaffee ins nahegelegene Kappeln oder nach Damp. Das größte Erlebnis war der Besuch der kleinsten Stadt Deutschlands, Arnis, die wir per Autofähre ansteuerten. Ein wunderschöner kleiner Ort. Abends wurde noch zusammengekocht, im Whirlpool gewärmt, geredet und Siedler von Catan gespielt.

Das Ausruhen hat ganz wunderbar geklappt. Nicht zuletzt auch, weil das Wlan eine Katastrophe und das Mobilfunknetz quasi nicht vorhanden war. Was mich am Anfang fast ein bisschen aus dem Konzept brachte, entpuppte sich am Ende doch als Segen. Manchmal saß ich draussen in der Sonne und war erstaunt, wie ruhig es war. Wie gut ich Kraft und Energie in der Stille finde. Im Alltag vergessen wir oft, in welcher Hektik und welchem Stress wir durchs Leben hetzen. Hier im hohen Norden hingegen war die Ruhe der Tonangeber, und der Mensch passt sich doch sehr schnell an das an.

Sicher, Bali, Mallorca oder Mexiko wären auch schön gewesen. Für eine Woche war uns jedoch eine solche Reise zu weit und zu wenig nachhaltig. Am Ende zählt auch nicht allein der Ort, sondern die Menschen, mit denen man die freie Zeit teilt. Mit denen man das Neue entdeckt. Deutschland, Österreich, all unsere Nachbarländer haben jedenfalls ganz wunderbare Ecken. Das Gute liegt oft so nah.

Zurück ging es übrigens durch die Nacht. Vorbei an all den schlafenden Städten, kurzen Stopps an verlassenen Raststätten und einem Ankommen im Morgengrauen in der Heimat. Hat sich ein bisschen wie früher angefühlt. Denn schon damals war das Heimkommen nämlich mindestens genauso schön.

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17 Antworten zu “Slow Travel: Einmal Ostsee und zurück”

  1. Danke, Antonia!! Ich finde es so wichtig, Flugreisen und den damit verbundenen riesigen CO2-Ausstoß zu thematisieren. Es ist einfach völlig egal, wenn man für den Klimaschutz täglich mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt und trotzdem mehrmals im Jahr ins Flugzeug steigt. Dann kann man das Kind auch mit dem Hummer vom Kindergarten abholen.
    Wir haben diesen Sommerurlaub in Südtirol verbracht und es war einfach herrlich! Europa hat so viel wunderschöne Natur zu bieten und schon auf dem Weg zum eigentlichen Urlaubsziel gibt es wahnsinnig viel zu entdecken.

  2. Genauso liebe ich meinen Urlaub. Nur ein bisschen weiter nördlich und westlich – in Dänemark an der Nordsee. Dieser Ort gibt mir so, so viel <3

    • Lieber Friederike,

      Wir waren am Ostseestrand Schönhagen in einem Ferienhaus :) Gebucht haben wir es ganz klassisch über einen Ferienhaus-Anbieter, da muss ich nochmal genau nachforschen, welcher es war.
      Das Haus war direkt am Strand, es war unglaublich ruhig und wir waren fast alleine. Die Häuser sind völlig okay, nicht mega luxuriös, aber das muss es ja nicht sein :)

      Liebe Grüße!

      • Liebe Antonia,
        genau so eine kleine, ruhige Auszeit plane ich auch gerade und falls du den Tipp mit der Unterkunft weitergibst, würde ich mich auch sehr freuen!
        Liebe Grüße!

  3. […] Der schönste Trip: meine Reise an die Ostsee. Mein erster Urlaub mit Baby (das meiner Cousine). Mein erster Urlaub überhaupt an der Ostsee. Ein Urlaub ohne Termine und Druck, ohne Internet die meiste Zeit, dafür Treibenlassen, aufs Meer blicken und die kleine Mathilda durch die Dünen schieben. Selten war ein Urlaub so entschleunigend und ruhig. Mehr zur Slow-Travel-Reise könnt ihr hier auch nochmal lesen. […]

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